Interview mit Dr. Daniel Schnitzlein

„In Deutschland ist die Chancengleichheit deutlich geringer als in Dänemark“

In Deutschland ist der Familienhintergrund ein maßgeblicher Faktor für den ökonomischen Erfolg. Das ergab eine DIW-Studie. Im Gespräch erklärt Dr. Daniel Schnitzlein den Zusammenhang und die Rolle des Bildungssystems.

Freitag, 25.01.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 30.01.2013, 0:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Herr Schnitzlein, Sie haben untersucht, wie wichtig der Familienhintergrund für den eigenen ökonomischen Erfolg ist. Haben die Menschen in Deutschland gleiche Aufstiegschancen, unabhängig von ihrer Herkunft?

Dr. Daniel Schnitzlein: Wir haben herausgefunden, dass in Deutschland der ökonomische Erfolg, gemessen zum Beispiel am Familieneinkommen oder dem Stundenlohn, sehr stark vom Familienhintergrund abhängt. Das heißt, das Niveau an Chancengleichheit ist in Deutschland sehr niedrig.

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Gibt es da eine Messgröße?

Schnitzlein: Ja. Wir haben in unserer Studie Geschwisterkorrelationen verwendet. Das ist ein indirektes Maß für die Bedeutung des Familienhintergrundes; wir modellieren den Einfluss der Eltern nicht direkt, sondern betrachten, wie ähnlich sich Geschwister sind. Anhand dieser Größe können wir berechnen, dass 40 bis 50 Prozent der Ungleichheit in Deutschland auf den Familienhintergrund zurückzuführen ist.

Wie unterscheiden sich Ihre Ergebnisse von vorhergehenden Untersuchungen? Ist die Chancengleichheit in Deutschland geringer als bislang vermutet?

Zur Person: Dr. Daniel Schnitzlein ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) am DIW Berlin.

Schnitzlein: Die Chancengleichheit ist geringer als bislang vermutet. Die reinen Vergleiche, zum Beispiel der Einkommen von Vätern und Söhnen, ließen vermuten, dass wir in Deutschland einen geringeren Einfluss der Elterneinkommen haben. Wenn wir von dieser eindimensionalen Betrachtung weggehen und dieses Maß ausweiten auf den gesamten Familienhintergrund, dann sehen wir, dass der Einfluss des Familienhintergrundes deutlich stärker ist.

Sie haben die Situation in Deutschland mit den Verhältnissen in Dänemark und den USA verglichen. Warum haben Sie diese Länder für den Vergleich gewählt?

Schnitzlein: Wir haben zum einen Dänemark als einen typischen Vertreter der skandinavischen Länder mit sehr hoher Chancengleichheit und dementsprechend sehr niedrigem Zusammenhang zwischen eigenem ökonomischen Erfolg und Familienhintergrund und auf der anderen Seite die USA, wo wir eine sehr niedrige Chancengleichheit haben und eine sehr hohe Abhängigkeit des eigenen Erfolges vom Familienhintergrund. Das sind die beiden Endpunkte der Skala.

Wie groß sind die Unterschiede, und wo lässt sich Deutschland einordnen?

Schnitzlein: Das Niveau an Chancengleichheit ist in Deutschland ähnlich niedrig wie in den USA. Betrachtet man dagegen Dänemark, haben wir dort ein sehr hohes Niveau an Chancengleichheit. Wir haben also einen klaren Unterschied zwischen Dänemark und den USA und finden Deutschland auf einem Level mit den USA.

Der amerikanische Traum vom Tellerwäscher zum Millionär ist also eine Legende?

Schnitzlein: Ja, sowohl in den USA als auch in Deutschland.

Wie ist das zu erklären? Wo liegen die Ursachen für diese Unterschiede?

Schnitzlein: Diese Frage ist mit unseren Daten sehr schwer zu beantworten. Ein Hauptfaktor ist sicher das institutionelle Setting in den Ländern. Es ist schwer, hier einzelne Faktoren zu identifizieren, aber in der Literatur gibt es Hinweise, die darauf deuten, dass das Bildungssystem ein treibender Faktor ist.

Wie wollen Sie Ihre Methodik weiterentwickeln?

Schnitzlein: Der nächste Schritt ist, tatsächlich die Faktoren zu identifizieren, die das Niveau an Chancengleichheit definieren. Wir wollen genauer bestimmen, von welchen Faktoren die internationalen Unterschiede, aber auch Veränderungen in anderen Ländern, die wir über die Zeit sehen, abhängen. Das wird der nächste Schritt sein, den wir mit dieser Methode angehen werden.

Welche Faktoren könnten das sein?

Schnitzlein: Zum einen sind das Ressourcen des Elternhaushaltes beziehungsweise das Einkommen, aber auch die Netzwerke der Eltern, also Personen, die die Eltern kennen und natürlich die Frage, wie das Bildungssystem ausgestaltet ist. Es kann aber auch sein, dass die Erziehungsstile der Eltern starke Einflussfaktoren sind. Aktuell Gesellschaft Interview

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  1. Seele sagt:

    Ich nur sagen das man die Antwort schon herausgefunden hat auf die- Frage; Welche Faktoren spielen eine Rolle ?Es gibt nur ein Hauptfaktor …Das Elternhaus -umgang mit den Kindern-Liebe-Zeit -eigene Einstellung-Es liegt ander ERZIEHUNG!!!!!!!!! Alles andere an Spekulation ist ….weiterhin blind zu sein und mit seinen Ängsten weiterhin um die Wette laufen zu dürfen ….

  2. hans Ali sagt:

    Da viele Menschen mit Migrationshintergrund nicht über die Netzwerke und das Einkommen verfügen, die Deutsche in der Regel bei Arbeitslosigkeit auffangen und diese in kürzester Zeit wieder einen guten Job bekommen, ist es kein Wunder, dass viele mit MH bei der Arbeitsagentur landen, oder dass sie sich notfalls selbständig machen, da sie aufgrund ihrer Herkunft keinen Job finden – da hilft meistens auch kein deutscher Pass.

  3. Kolcek sagt:

    „Der amerikanische Traum vom Tellerwäscher zum Millionär ist also eine Legende?
    Schnitzlein: Ja, sowohl in den USA als auch in Deutschland.“

    Das ist schlicht und ergreifend falsch! Letzte Woche erst konnte ich ein Bericht lesen, dass die Aufstiegschancen in Deutschland um ein vielfaches höher sind als in den USA. Auf skandinavisches Niveau ist man in Deutschland zwar noch nicht angekommen, aber wer ein Haar in der Suppe sucht der wird auch eins finden.

    Warum schafft man es beim Migazin eigentlich nicht mal die positiven Aspekte für die Einwanderer nach Deutschland herauszustellen? Welchen Grund haben die Menschen nach Deutschland einzuwandern und nicht nach Dänemark? Was hat so viele Menschen weltweit dazu bewegt sich für ein Leben in Deutschland zu entscheiden? Das Bier? Die Kultur? Das Land? Die Gesetze? Dass alles so schlecht sein soll wie beim Migazin dargestellt kann einfach nicht sein, da es sonst ja keine Einwanderer mehr gäbe.

    Natürlich ist Deutschland nicht das Einwanderungsland Nr.1 der Welt, aber rangiert schon auf einem weltweit sehr hohen Niveau.