TV-Tipps des Tages
01.08.2012 – Türkei, Kaçkar, Integration, Fremdenfeindlichkeit, NSU, Terror
TV-Tipps des Tages sind: Gipfel der Genüsse: Firtina-Tal, Kaçkar-Gebirge. Imker Vural Çakir und sein Neffe Batuhan gehen immer zusammen zur Honigernte, tief im Wald; Braune Flecken: Junge Männer zwischen Hass und Heimat; Nachbar Türke: "45 Min" wirft in Hamburg, der Stadt mit dem höchsten Migrantenanteil in ganz Deutschland, einen Blick hinter die Fronten der Integrationsdebatte
Von Ümit Küçük Mittwoch, 01.08.2012, 8:18 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 01.08.2012, 14:03 Uhr Lesedauer: 7 Minuten |
Gipfel der Genüsse
Firtina-Tal, Kaçkar-Gebirge. Imker Vural Çakir und sein Neffe Batuhan gehen immer zusammen zur Honigernte, tief im Wald.
Dokumentationsreihe – Die Reihe „Gipfel der Genüsse“ zeigt, wie kostbar die Bergwelt und die dort produzierten Lebensmittel sind. Diese Folge führt in das Kaçkar-Gebirge, wo die Hemsin, eine Volksgruppe, von der nur noch einige wenige Angehörige im äußersten Nordosten der Türkei leben, ihre traditionellen Speisen zubereiten.
Nur 30 Kilometer vom Schwarzen Meer entfernt und doch mitten im Hochgebirge: Die Gipfel des Kaçkar steigen hinter der Küstenlinie jäh bis auf fast 4.000 Meter an. Hier regnet es 250 Tage im Jahr, und ein ständiger Nebelschleier umgibt die Hänge. Im Winter liegt manchmal ein halbes Jahr Schnee. Ein Gebirge, das zähe Bewohner verlangt. Hier gibt es eine verwunschene Ursprünglichkeit zu entdecken, die man in anderen Gebirgen Europas oft vergeblich sucht. Unbändige Natur, klare Bergflüsse, die von altertümlichen Steinbrücken überspannt sind, wolkenverhangene Almen, die die Kulisse eines Heimatfilms bilden könnten – würde da nicht zwischen dichtem Grün ein Minarett aufragen und der Ruf des Muezzin herüberschallen.
Ein kleiner Junge und sein Onkel laufen durch einen märchenhaften, urtümlichen Wald. Varol ist Bienenzüchter, wie es im Firtina-Tal nur noch wenige gibt. Es ist ein aussterbender Beruf, denn er stellt seine Körbe nicht bequem neben sein Haus, sondern hängt die kleinen Holzhäuschen, wie schon seine Vorfahren, hoch in den Bäumen auf. Der Honig, den er erntet, ist nicht süß und gefällig, sondern würzig und kräftig, kratzt im Hals und soll wundersame Heilkräfte besitzen.
Die Familie Çakir zeigt uns die Zubereitung der traditionellen Speisen der Hemsin, einer Volksgruppe, von der nur noch eine Handvoll abgeschieden im äußersten Nordosten der Türkei leben. 14:10-14:36 • arte
Braune Flecken
Junge Männer zwischen Hass und Heimat – „Menschen hautnah“. Zuerst waren es kleine Aufkleber am Laternenpfahl, dann gab es Anmache auf Volksfesten und Sieg-Heil-Rufe zu später Stunde. Wenn der Alkoholpegel hoch genug ist, werden Andersdenkende gejagt und ein deutschtürkischer Kioskbesitzer verprügelt, obwohl man dort von Kindheit an eingekauft hat. Seit über einem Jahr geht das schon so im Bergischen Land zwischen Wuppertal und Radevormwald. Die Bereitschaft zur Gewalt steigt an. Gegen einen Schulleiter, der seine Schüler über die Aktivitäten der Szene aufklären wollte, wurden Plakate geklebt, mit seinem Konterfei im Fadenkreuz.
Wohlgemerkt im November – nach Bekanntwerden der Morde der NSU-Terrorzelle. Selbstbewusst skandieren die jungen Männer ihre rechtsradikalen Sprüche und fremdenfeindlichen Parolen auf rechten Demos – landesweit. Zu Hause verhalten sie sich konspirativ, fühlen sich als verfolgte Patrioten. Einzeln sind sie unscheinbar, in der Gruppe unberechenbar. „Das Ganze ging eigentlich erst so richtig los, seit „Pro NRW“ hier aktiv ist“, berichten türkische Jugendliche aus dem örtlichen Fußballclub.
In der Schule, im Bürgerverein herrschen Verunsicherung und Angst, es „mit denen zu tun zu bekommen“, dabei kennt man sich eigentlich ganz gut. Dass Wegducken keine Lösung sein kann, wird den Bürgern allmählich klar, und auch die örtliche Polizei reagiert jetzt schneller, seit Beamte von Gruppenmitgliedern mit Reizgas attackiert wurden.
Zum Beispiel Radevormwald. Wie ticken die jungen Rechten? Was sagen die Eltern? Wie reagieren Nachbarn und die Institutionen der Stadt? Und wie mutig muss man inzwischen sein, um den Rechten gegenüber zu treten?
„Menschen hautnah“-Autor Wolfgang Minder zeigt junge Extremisten, ihre Opfer, verunsicherte Mütter, zweifelnde Aussteiger und die Staatsmacht bei ihrem Kampf gegen rechte Gewalt im Tal der Wupper. 20:15-21:00 • tagesschau24
Nachbar Türke
„45 Min“ wirft in Hamburg, der Stadt mit dem höchsten Migrantenanteil in ganz Deutschland, einen Blick hinter die Fronten der Integrationsdebatte: Was läuft schief, was ist gut, was könnte besser sein – auf beiden Seiten? Vor 50 Jahren begann offiziell die Zuwanderung türkischer Arbeiter nach Deutschland. Sie kamen zunächst als „Gastarbeiter“, doch viele blieben. Fast drei Millionen Menschen türkischer Herkunft leben heute in Deutschland und haben, da sind sich liberale und konservative Wissenschaftler inzwischen einig, die größten Integrationsschwierigkeiten. Doch was heißt das eigentlich?
Wer sich mehr Integration wünscht, kann nicht nur über Türken reden. „45 Min“ trifft Jugendliche aus dem Problemstadtteil Hamburg-Horn und ehrenamtliche deutsch-türkische „Kiezläufer“, die verhindern wollen, dass ihre Jungs auf die schiefe Bahn geraten. Der Film zeigt außerdem, wie der Alltag in einer Grundschule aussieht, in der Deutsch nur eine von 25 Muttersprachen ist. Ex-Drogendealer, Polizisten und Lehrer beschönigen die Probleme in ihren Vierteln nicht. Aber sie halten sie für lösbar.
„Mehr Jumps, weniger Style“, ruft Tanzlehrer Metin Demirdere dem 15-jährigen Miles zu. Jeden Freitag treffen sich junge Tänzer zwischen elf und 23 Jahren zum Training im evangelischen Jugendzentrum „Schorsch“ in Hamburg-St. Georg. Ihre Eltern kommen aus der Türkei, aus Ghana, Afghanistan, Tunesien, von den Philippinen oder aus Deutschland. „Aber das ist total egal“, sagt Tanzlehrer Metin, „hier geht es vor allem um das, was wir gemeinsam haben, und das ist die Liebe zur Musik und zum Breakdance.“ Einige der Jungs haben erst beim Tanzen entdeckt, was in ihnen steckt, und dass hartes Training und Disziplin ihnen auch in der Schule helfen und Selbstbewusstsein geben. Sie lieben es, ihre Grenzen auszutesten und die anderen in der Gruppe mit neuen, akrobatischen Figuren zu beeindrucken. Auch das kann ein Weg sein, sich Respekt zu verschaffen. Tanzlehrer Metin findet die ganze Integrationsdebatte problematisch, weil dabei immer nur das Trennende betont wird, der so genannte Migrationshintergrund. Was heißt das denn? Er selbst ist in Deutschland geboren, hat türkische Wurzeln, empfand sich immer als „Hamburger Jung“. Und plötzlich hat er sich gefragt: „Bin ich eigentlich integriert?“
Viele junge Migranten, die sich in Deutschland zu Hause fühlen, hat die Debatte um Thilo Sarrazins Buch verunsichert. Sie kämpfen sowieso täglich mit den Vorurteilen der Mehrheitsgesellschaft: in der Schule, bei der Arbeitssuche, auf der Straße. Immer, wenn ein Einzelner mit ausländischen Wurzeln eine Straftat begeht, fällt das auf alle anderen zurück. „Die Leute wechseln die Straße, die setzen sich in der S-Bahn nicht neben uns, weil wir irgendwie gefährlich aussehen“, erzählen Emir und seine Freunde aus Hamburg-Horn. „Weil es Ausländer gibt, die andere abziehen, heißt es sofort, alle Ausländer sind so.“ Emir will unbedingt seinen Realschulabschluss schaffen, aber richtig Hoffnung auf einen guten Job hat er trotzdem nicht. „Wenn sich für dieselbe Stelle ein blonder Deutscher bewirbt, hab ich eh keine Chance, so ist das doch.“ Sein Freund Ozan ist sicher, dass es leichter wäre, wenn sie alle in einem besseren Viertel aufgewachsen wären. Und dann erklärt er, dass es hier ziemlich schwer ist, sich Respekt zu verschaffen, wenn man nicht bereit ist, sich zu prügeln. „Aber das hat nichts mit Ausländern zu tun, die Deutschen, die hier aufwachsen, machen das genauso. Das Viertel und der Freundeskreis machen einfach viel kaputt“, meint Ozan und Ender nickt. Er hatte neulich selbst mit der Polizei zu tun, weil er mit Freunden in eine Schlägerei geraten ist.
Wichtig ist, den Jugendlichen eine Perspektive zu geben, sie bei der Jobsuche zu unterstützen. Deshalb engagiert sich der Bund Türkisch-Europäischer Unternehmer (BTEU) in Hannover für jugendliche Migranten. Sie vermitteln Ausbildungsstellen im eigenen Netzwerk und sorgen dafür, dass die Jungen und Mädchen bei der Stange bleiben. „Zwar öffnen sich deutsche Unternehmen langsam auch Bewerbern mit Migrationshintergrund, aber Mittelständler tun sich nach wie vor schwer“, sagt Pamir Ivkin vom BTEU. Er besucht regelmäßig Kfz-Azubi Gökay, dem er eine Stelle vermittelt hat. Gökay ist froh, dass er in der Autowerkstatt nicht nur einen tollen Chef, sondern auch nette Kollegen gefunden hat. Deutsche und Türken. 22:00-22:45 • tagesschau24 TV-Tipps
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