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Partiziano

Morbilität

Die monetäre Union ist auf Bewährung und etwas für TrEUmer. Schließlich war die Lire zwar labbrig, dafür konnte man sich auf ihr wenigstens Telefonnummern notieren. Da gewinnt das Wort Bank-Note eine neue Bedeutung, die ihr die Italiener mit dem Konterfei von Giuseppe Verdi sowieso schon längst verliehen hatten. Ohne Zinsen, wohlgemerkt.

Von Donnerstag, 12.07.2012, 8:27 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 16.07.2012, 23:44 Uhr Lesedauer: 6 Minuten  |  

Europa geht am Stock, also beispielsweise am Milan Stock Exchange oder auch am Frankfurt Stock Exchange. Was dort passiert, gleicht der Konzeption zum Einknicken verurteilter Gehhilfen, also solchen, die Anzahl der sich ständig fortbewegenden Krankheiten und Erkrankten nicht mehr lange schultern können. Morbilität eben. Mobilitätshilfen für Staatskassen, die aus dem Trockenen schöpfen, dabei ihre Bürger schröpfen und schließlich die Gemeinschaftswährung in den Trevi-Brunnen schmeißen werden. Aber bitte mit dem Rücken zugewandt, denn nur das bringt Glück, weil man dann weiter träumen kann und nicht sehen muss, wie die Münzen von anderen herausgefischt und eingesteckt werden.

Dann machen wir die Kredite eben billiger, denkt sich die EZB, der ja schließlich auch ein Italiener vorsitzt. Draghivari aka der Teufelsgeiger vom Willy-Brandt-Platz, weil er die Noten erpresst und dabei nicht einmal schlottrige Beine bekommt und sich knien muss. Nein, Mario Draghi und das EZB-Direktorium setzen sich lieber – und ein Zeichen. Der Hauptrefinanzierungssatz liegt nun bei historischen 0,75%. Das macht es für Banken billiger, Kredite bei der EZB aufzunehmen. Andererseits bekommen die Kreditinstitute satte 0,00% Zinsen, wenn sie fortan Geld bei der EZB deponieren. Damit sollen die Geldmacher (so würde ich Kreditinsti-tut paraphrasieren) animiert werden, die Euros an die Bürger zu verleihen. Nein, so die Experten, eine Inflation sei aufgrund des billigen Geldes derzeit nicht zu befürchten. Schließlich hindert die schlechte Konjunkturlage die Unternehmen daran, ihre Preise zu erhöhen – und wahrscheinlich auch zu senken.

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Buzzanca, übernehmen Sie
Ziemlich kompliziert, das ganze Finanzgebahre. Dabei hätten die Herren EZB doch einfach nur mich fragen müssen – mich als ausgewiesenen Finanzexperten. Ausgewiesen deshalb, weil man mir vor einiger Zeit gekündigt hatte. Als Finanzjournalist. Dabei ist mein ehemaliger Chef doch auch ein bisschen Italiener. Paesà, was los, dachte ich schon damals. Hast du nicht verstanden, wen du da feuerst? Doch, hatte er. Ich konnte eben einfach nicht langweilig schreiben und meine hysterische und verbal hyperventilierende Kollegin verzweifelte regelmäßig daran, dass ich mich einfach nicht an die 5 W halten und sie nicht ernst nehmen wollte: Wer-Wann-Wo-Warum-Mit Wem. Oder so ähnlich. Ich bevorzugte an manchem Morgen eher das Kürzel HDF: Halt die Fresse! Na ja, sei’s drum. Sie plappert wohl immer noch weiter, während meine andere Kollegin ihren Nachnamen buchstäblich im Hintern hat, was aber einfach an der trockenen Materie liegt. Schon komisch, wenn der Job sich um Liquidität durch Währungshandel dreht.

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Ja, ich wäre in jedem Fall der Mann für die krea-karitativen Lösungen in der Eurokrise und würde damit beginnen, zurück in die Vergangenheit zu gehen. Damals fuhren wir mit allem, was man in Sizilien nicht bekam oder Verwandten schenken konnte, kurzum, mit vollgepacktem Auto nach Sizilien. Ohne Klimaanlage, natürlich. Was dabei entstand war Frust, Schweiß, Langeweile und die Frage, warum mein Vater denn unbedingt aus Sizilien und nicht aus Siena kommen musste. Wäre einfach näher gewesen. In jedem Fall hatte ich damals schon ein Gespür für die Entwicklungen des Finanzmarktes und genauer gesagt, das Derivatehandels. Ich brachte nämlich immer wieder Lavasteine mit nach Deutschland. Original vom Ätna. Die versuchte ich dann zu verkaufen. Gelingen wollte es nicht so wirklich. Aber ein Startup braucht eben Liquidität – und die hatte ich nun mal nicht. Aber ich hatte Visionen. Ich warf bei der Rückreise immer meine letzten italienischen Lire raus, kaufte ein Juventus-Portemonnaie, eine Maradona-Postkarte und Schweißbänder vom SSC Neapel. Denn: Hätte ich das Geld in Italien oder Deutschland umgetauscht, hätte ich ja draufgelegt angesichts der horrenden Gebühren. Mit dem Kauf der Fußball-Devotionalien jedoch konnte ich Eindruck schinden bei meinen Freunden. Heute würde man das Klout-Score nennen. Damals aber gab es noch kein Facebook, sondern gleich eins in die Fresse.

Ein währitables Problem
Makroökonomisch betrachtet habe ich und alle anderen Gastarbeiter und deren Kinder die Wirtschaft unserer Urlaubsheimatländer nicht nur bei der Rückreise angekurbelt. Nein, wir haben auch in den 4-5 Wochen Ferien frisches Geld in die lokale Wirtschaft gepumpt, weil wir bereit waren (und gar nicht wussten), die Touristenpreise für Eis, Pizza und Strand zu bezahlen. Weil wir dort nicht die Import-Zigaretten, sondern die nationalen Kippen kauften. Die Schnorrer aus dem Dorf lehnten dann immer dankend ab und kauften sich selbst welche, natürlich die teuren Importkippen. Ja, auch das kurbelte die Wirtschaft an, vor allem dann, wenn der Kiosk keinen Kassenbon gab. Wir kauften Fernseher und Fleisch, Wein und Öl beim Nachbarn, Strandtücher und Luftmatratzen, die wir dann in unserem Haus bunkerten. Und: Wir brachten harte D-Mark und bekamen labbrige Lire-Scheine, auf die jemand irgendeine Telefonnummer gekritzelt hatte. Wir waren Devisenbeschaffer, weil wir wussten, dass die Lire in Deutschland kein gutes Standing hatte. Weder Pizzerie noch Gelaterie hätten und haben sie jemals akzeptiert. Also ließen wir das einmal getauschte Geld samt Sonnenschein und Strandgeflüster in Italien und besiegelten damit den Tod der Lire.

Heute nämlich gibt es den Euro – und den nimmt man beinahe überall hin mit und auch wieder zurück. Schließlich verhält es sich mit ihm anders als mit Luftmatratzen und Lavasteinen: Er findet überall einen Abnehmer und passt auch in jedes Auto. Der Euro hätte in jedem Fall den Sonderpreis Integrator des Jahrzehnts verdient, denn so anpassungsfähig wie diese Monete ist keine einzige Währung. Ich denke zurück an die Zeit, in der ich mit dem Bus in Richtung Frankfurter Norden fuhr und da standen sie dann, US-Soldaten. Männer wie Bäume in Uniformen. Sie redeten AE (American English) und es interessierte sie einfach, ob der Busfahrer sie nun verstand oder nicht. Außerdem besaßen sie die
PX (Post Exchange)- Läden.

Hier durften eigentlich nur angehörige der US Army einkaufen, aber der eine oder andere meiner Kumpels verschaffte sich irgendwie Eintritt in den magischen Tempel. Dort wurden Stone-Washed-Jeans mit US-Dollar bezahlt. Wie dies übrigens auch bei McDonalds möglich war. Da und bei einigen Ständen auf der Dippemess hing sogar eine tagesaktuelle Exchange-Rate-Auskunft: Today’s Exchange Rate of Deutsche Mark to US Dollar. Und in genau solchen Momenten denke ich mir: Grazie, Italiani in Germania! Warum seid ihr nicht auf die Idee gekommen, uns Italienern in Deutschland einen ähnlichen Service zu bieten: Tasso di cambio oggi. Dann hätten wir unser Geld aus dem Urlaub wieder mitgenommen, hier in Deutschland damit Pizza, Eis und Haarschnitt bezahlt und ihr hättet es eurerseits zurück nach Italien bringen können. Die Lire wäre kosmopolitischer, flexibler und deutscher (also härter und markiger) geworden. Es gäbe dann heute neben dem Big-Mac-Index wahrscheinlich auch einen Pizza-Margherita-Index.

Was stattdessen bleibt, ist die Erkenntnis, dass die beiden Männer auf den Tausend-Lire-Lappen von 1969 – 1988 nicht Giuseppe Garibaldi, sondern Giuseppe Verdi und Marco Polo waren – also nicht Revoluzzer im militärischen Sinne, aber immerhin prägend für die italienische Geschichte und Währung. Dann folgte Maria Montessori und damit hielt ein bisschen Waldorf Einzug ins monetäre Leben zwischen Alpen, Adria und Afrika. Der reformpädagogische Ansatz hat die Lire noch weicher gemacht, als sie sowieso schon war. Andererseits ist die Kehrseite des Scheins bei Montessori viel ansprechender: Ein Junge und ein Mädchen, die gemeinsam und konzentriert lernen. Viel besser als die Retros von Verdi und Polo, der Dogen-Palast und die Mailänder Scala. Quatsch keine Opern, will man da schreien, wenn es wieder einmal heißt: Weg mit dem Euro! Zurück zur Lire! Aktuell Meinung

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