9. Lagebericht über Ausländer
Bildung macht hoffnung, Arbeitsmarkt nicht
Der 9. Bericht über die Lage der „Ausländer“ in Deutschland wirft viel Licht und Schatten aus. Der Bildungsbereich macht Hoffnung, der Arbeitsmarkt nicht. Laut Böhmer ist aber auch ein gesellschaftlicher Wandel erforderlich.
Donnerstag, 28.06.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 04.07.2012, 0:57 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Der 9. Bericht über die Lage der Ausländer in Deutschland ist laut Prof. Klaus J. Bade, Vorsitzender des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) eine „erneute Ohrfeige für die Vertreter des Geredes von der gescheiterten Integration.“ Der Bericht zeigt, wie es um die Lage der mittlerweile 15,7 Millionen in Deutschland lebenden Migranten steht. Und das Wort „Integrationsverweigerer“ taucht in den über 700 Seiten an einer einzigen Stelle auf: Die Fußnote 755 verweist auf ein Buch, das sich kritisch mit den Thesen von Thilo Sarrazin auseinandersetzt.
Entsprechend positiv fällt auch das Urteil von Maria Böhmer (CDU) aus: „Noch nie hat sich bei der Integration so viel bewegt wie in den vergangenen beiden Jahren.“ Die Betreuungsquoten von Kindern mit Migrationshintergrund zwischen drei und unter sechs Jahren haben sich positiv entwickelt. Die Quote stieg von 2008 bis 2010 von 81,8% auf 85,7%. Nicht erklären konnte Böhmer in der Pressekonferenz allerdings, wie der Gegensatz zwischen Betreuungsgeld auf der einen, und die große Bedeutung frühkindlicher Bildung auf der anderen Seite aufgelöst werden kann. Die stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD, Aydan Özoğuz kritisiert das Vorhaben deshalb als „reine Augenwischerei“. Das Geld wäre „sehr viel besser in den mancherorts schleppenden Ausbau der Kitaplätze investiert.“ Auch Bade erinnert an seine frühere Kritik, dass das Betreuungsgeld ein „bildungspolitisches Eigentor erster Ordnung“ sei.
Bildung macht Hoffnung
In puncto Bildung zeigen die Daten des Lageberichts aber, dass Migranten aufholen. So ist der Anteil der ausländischen Schüler, die die Schule mit einer (Fach-) Hochschulreife verlassen, von 2005 bis 2010 um insgesamt 36% gestiegen. Bei den deutschen Schülern betrug der Anstieg 26%. Allerdings ist der Abstand noch beachtlich: Von den deutschen Schulentlassenen erreicht etwa jeder dritte (36%) die (Fach-) Hochschulreife, von ausländischen Schülern nicht einmal jeder Sechste (15%).
Die Ausbildungsbeteiligungsquote ausländischer Jugendlicher hat sich von 31,4% im Jahr 2009 auf 33,5% im Jahr 2010 leicht erhöht. Bei den deutschen Jugendlichen betrug sie 65,4%. 2011 waren durchschnittlich über 200.000 Ausländer weniger arbeitslos gemeldet als im Jahr 2005. Die Arbeitslosenquote sank von 2010 zu 2011 von 18,2% auf 16,9%. Allerdings liegt die Quote der arbeitslosen Ausländer nach wie vor doppelt so hoch wie die der Deutschen (7,2%). Es ist auch auffällig, dass trotz guter Wirtschaftslage Ausländer verglichen mit 2005 und in Relation zu Deutschen weniger feste Jobs bekommen.
Arbeitsmakrt ist ein Skandal
Für die migrationspolitische Sprecherin der Linkspartei, Sevim Dağdelen, ist das ein Skandal: „Im 2. Integrationsindikatorenbericht vom Januar dieses Jahres musste eingestanden werden, dass sie (Anm. d. Red.: Migranten) auch fast dreimal so häufig auf Hartz IV angewiesen sind. In allen wichtigen Lebensbereichen herrscht für Migranten bestenfalls Stillstand.“ Özoğuz ergänzt: „Beim Übergang von Schule in Ausbildung und Beruf sind Jugendliche aus Familien mit Zuwanderungsgeschichte auch aus Gründen, für die sie nicht selbst verantwortlich sind, schlechter gestellt: Bei Bewerbungen Ausbildung oder den Job kann es nicht sein, dass Bewerber mit fremd klingenden Namen nachweislich schneller aussortiert werden.“ Die SPD-Politikerin plädiert deshalb, anonymisierte Bewerbungsverfahren einzuführen. „Leider sperrt sich die Integrationsbeauftragte Böhmer gegen den Rat der Antidiskriminierungsstelle“, so Özoğuz.
Download: Der 9. Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland kann hier kostenlos heruntergeladen werden (11 MB). Eine Kurzfassung des Berichts gibt es hier.
Ganz anders ist die Schwerpunktsetzung von Böhmer: „Erfreulich sind auch Entwicklungen bei der gesellschaftlichen Integration, beispielsweise beim bürgerschaftlichen Engagement“. Laut Bericht ist das Interesse von jungen Migranten, sich ehrenamtlich zu engagieren, ist zum Teil höher als bei Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund. Insbesondere die in Deutschland geborene 2. Generation engagiert sich: Von ihnen waren 2009 insgesamt 33,5% Mitglied in einem gemeinnützigen Verein oder einer gemeinnützigen Organisation. Aus der gesamten Bevölkerung waren es 37,7%.
Einbürgerung schleppend
„Die Botschaft lautet: Immer mehr Migranten sagen voll und ganz ‚Ja‘ zu unserem Land. Deshalb werbe ich auch offensiv für Einbürgerungen“, so Böhmer. Es sei höchst erfreulich, dass sich auch die Zahl der Einbürgerungen leicht erhöht hat (2009-2010: von 96.122 auf 101.570). Mehr als die Hälfte aller Migranten besitzt mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft. Diese haben „das Recht, wählen zu können und selbst gewählt zu werden und damit die Geschicke unseres Landes aktiv mitgestalten zu können“, so Böhmer. Mit Nachdruck setze sie sich deshalb dafür ein, die Einbürgerungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen. Aus Sicht des migrationspolitischen Sprechers der Bundestagsgrünen, Memet Kılıç, ist das auch bitternötig. Seit der Amtszeit von Maria Böhmer (2005) seien die Einbürgerungszahlen um etwa 20 % zurückgegangen.
Wohl auch deshalb mahnt Böhmer einen Paradigmenwechsel zur vorausschauenden Integrationspolitik an: Zuwanderung und Integration müssten stets zusammen gesehen werden. „Die Fehler der Vergangenheit, als die Zuwanderer sich weitgehend selbst überlassen wurden, dürfen nicht wiederholt werden. „Ein wichtiges Anliegen ist mir, dass auch EU-Bürger einen gesetzlichen Anspruch auf die Teilnahme an einem Integrationskurs erhalten. Integration ist auch bei Menschen aus EU-Ländern kein Selbstläufer!“, betonte die Staatsministerin.
Willkommenskultur
Aber auch eine überzeugende Willkommens- und Anerkennungskultur brauche Deutschland: „Erforderlich ist ein gesellschaftlicher Wandel bei der Haltung gegenüber Migranten: von der Abwehrhaltung hin zum Willkommen und zur Wertschätzung. Alle, die auf Dauer in unserem Land leben, sollen hier ihre Heimat finden und am Leben in all seinen Facetten teilhaben. Menschen der 3. oder 4. Generation sollten sich nicht mehr als Migranten fühlen müssen oder als solche angesehen werden. Sie gehören schon längst dazu! Jeder Einzelne kann zum Aufbau eines Wir-Gefühls einen Beitrag leisten. Deutschland braucht dieses Wir-Gefühl, um die Herausforderungen der Zukunft bewältigen zu können.“ (bk) Gesellschaft Leitartikel
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Arbeitsmakrt ist ein Skandal
Für die migrationspolitische Sprecherin der Linkspartei, Sevim Dağdelen, ist das ein Skandal: „Im 2. Integrationsindikatorenbericht vom Januar dieses Jahres musste eingestanden werden, dass sie (Anm. d. Red.: Migranten) auch fast dreimal so häufig auf Hartz IV angewiesen sind. In allen wichtigen Lebensbereichen herrscht für Migranten bestenfalls Stillstand.“ Özoğuz ergänzt: „Beim Übergang von Schule in Ausbildung und Beruf sind Jugendliche aus Familien mit Zuwanderungsgeschichte auch aus Gründen, für die sie nicht selbst verantwortlich sind, schlechter gestellt: Bei Bewerbungen Ausbildung oder den Job kann es nicht sein, dass Bewerber mit fremd klingenden Namen nachweislich schneller aussortiert werden.“
Nochmal zum mitschreiben Frau Dagdelen.
Es herrscht nun mal eine starke Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Und da sorgen die Deutschen natürlicheweise erst einmal für sich selbst.
http://www.heute.de/ZDF/zdfportal/web/heute-Nachrichten/4672/23229114/c4f77e/Jobboom-schw%C3%A4cht-sich-weiter-ab-.html
http://www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2012/02/382474/tuerkei-gastarbeiter-unerwuenscht/
Der Einwand von Frau Dagdelen ist ein Einwand gegen die Realität!
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Liebe Frau Böhmer,
uns macht das Wetter mehr Hoffnung als Sie, die Politik und die Politiker haben ein neues Aktionsfeld, eine Spielwiese und die heißt Integration. Lassen Sie es gut sein, wir danken.