Wulff Rücktritt
Staats- und Vertrauenskrise
Bundespräsident Christian Wulff ist zurückgetreten. Die ununterbrochene Berichterstattung über Monate ist der Grund. Bleibt die Frage, wieso die Medien sich auf ihn fokussiert haben. Gedanken darüber hat sich Yasin Baş gemacht.
Von Yasin Baş Montag, 20.02.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 01.12.2015, 9:25 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Eine repräsentative Umfrage des Instituts für Migrations- und Politikforschung der Hacettepe Universität Ankara sowie des Berliner Meinungsforschungsinstituts SEK-POL/Data4U zeigt, dass die Nazimorde das Vertrauen türkischstämmiger Einwanderer in den deutschen Staat offenbar stark erschüttert haben. 55 Prozent der Befragten, glauben, dass die Rechtsterroristen vom deutschen Staat beschützt oder gar gefördert wurden. Etwa 21 Prozent glauben dagegen nicht an diese Unterstützung. Das Vertrauen in den Staatsapparat scheinen viele Befragte verloren zu haben. Lediglich 35 Prozent meinen, die Morde könnten noch aufgeklärt werden. Die Beileidsbekundungen der Politiker werden ebenfalls nicht ernst genommen. Die öffentliche Anteilnahme wird von 70 Prozent nicht als echte Reue gewertet.
Vor diesem Hintergrund verdient die Frage, ob es sich bei den „Neonazimorden“ um eine systematische, von langer Hand geplante Lynchmordserie handelt oder ob dies lediglich eine Operation von „Einzeltätern“ bzw. einem sogenannten „Trio“ oder doch einer viel größeren und mächtigeren „Terrorgruppe“ war, ein großes Fragezeichen. Trotz all der peinlichen Enthüllungen ist es sehr bedenklich, dass noch immer kein einziger Innen- und Justizminister oder gar Ministerpräsident aufgrund dieser „tiefen Sicherheitspanne“ zurückgetreten ist.
Dagegen wurde aber seit Monaten sehr ausgiebig über eine ganz andere Rücktrittsforderung diskutiert. So ausgiebig, dass andere Themen kaum noch Beachtung in den Medien fanden. Eine sogenannte Bundespräsidentenaffäre, bei der es um vergünstigte Kredite und Hotelübernachtungen ging, beschäftigte monatelang die Öffentlichkeit. Jetzt, wo Christian Wulff zurückgetreten ist, wird die Suche nach einem geeigneten Nachfolger und die anschließende Wahl das Thema der kommenden Monate sein.
Ist das aber wichtiger als die mindestens zehn Morde von Rassisten, die über ein Jahrzehnt – scheinbar unbemerkt – durch Deutschland reisen konnten? Weshalb redet fast niemand mehr öffentlich und medienwirksam über die rechtsextremistische Terrorbande und deren Verbindungen zu V-Leuten der Nachrichtendienste? Sind die von vielen Politikern als „Staatsaffäre“ und „Geheimdienstpanne“ bezeichneten Morde und deren Hintergründe denn schon aufgeklärt? Nein, noch lange nicht.
Aber Wulff trat finanzkräftigen „Heuschrecken“ auf die Füße. Die Reibungen mit diesen dubiosen aber mächtigen Kreisen nahmen während der Finanzkrise weiter zu. Als Präsident kritisierte Christian Wulff die unmoralischen Fehlverhalten der Banken und Superreichen. Mit der Ernennung der türkischstämmigen Aygül Özkan zur Sozialministerin setzte Wulff als niedersächsischer Ministerpräsident ein deutliches Zeichen. Es war ein Novum, eine muslimische und türkeistämmige Ministerin in eine Landesregierung einzuberufen, was von vielen Ministerpräsidenten nachgeahmt wurde. Nach den letzten Landtagswahlen (NRW, Baden-Württemberg, Berlin) erlangten fast immer türkischstämmige Politikerinnen einen Minister- oder Staatssekretärsposten. Diese kulturelle Vielfalt in den Landesregierungen wäre heute ohne einen Christian Wulff sicherlich nicht so weit vorangeschritten – wobei der Begriff „weit vorangeschritten“ in einem Deutschland des 21. Jahrhunderts übertrieben sein dürfte. Ein Anfang ist aber gemacht. Und bei den nächsten Bundestagswahlen werden die einen oder anderen Parteien ihre türkisch-, arabisch-, griechisch-, spanisch- oder italienischstämmigen Kandidaten viel überzeugter und selbstbewusster präsentieren. Christian Wulff konnte also recht früh die demografische Entwicklung unseres vielfältigen Landes deuten und dementsprechend handeln.
Auch als Bundespräsident machte Wulff deutlich, dass er auf Vielfalt setzt. In seinen Reden und Neujahrsansprachen kamen Begrifflichkeiten wie „Vielfalt“, „Integration“, „Islam“, „Zusammenhalt“, „Gemeinschaft“, „Frieden“, „Chance“, „Gerechtigkeit“ häufig vor. Selbst in seiner kurzen Rücktrittsrede unterstrich er die Bedeutung von Vielfalt. Wulff sah und sieht in jedem Menschen, der in Deutschland lebt, einen Staatsbürger. Ein neues und modernes „Wirgefühl“ lebte auf. Die Identifikation mit Deutschland viel mit einem Bundespräsidenten Wulff einfacher als je zuvor. Wulff stellte in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit (2010) den Islam auf eine Stufe mit dem Christen- und Judentum. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde Wulff in den Augen mancher konservativ-reaktionärer, monokulturell-nationalistischer Kreise zu einer Gefahr.
Wulff kritisierte zudem den versagenden Teil der Sicherheitsbehörden und Verantwortlichen im Kampf gegen den rechtsextremistischen und antitürkischen Terrorismus und bat die Hinterbliebenen um Verzeihung. Christian Wulff vergoss im Gegensatz zu anderen Politikern und Würdenträgern keine Krokodiltränen. Diese ehrliche Anteilnahme hat man bei Landesministern oder Ministerpräsidenten vergeblich gesucht.
Auf der Gedenkveranstaltung für die Opfer des rechtsextremistischen Terrorismus in Deutschland (23.Februar 2012) wird Wulff nicht mehr sprechen. Das wird nun Bundeskanzlerin Angela Merkel übernehmen müssen. Wulff hingegen hatte den Nazi-Morden in seiner Weihnachtsansprache 2011 aus freien Stücken den Großteil seiner Rede gewidmet und „lückenlose Aufklärung“ gefordert. Bisher verläuft diese Aufklärung auffällig schleppend. Zudem lässt die Transparenz zu wünschen übrig – dieselbe fehlende Transparenz, mit der Wulff zum Rücktritt gezwungen wurde. Aktuell Meinung
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Verklären Sie diesen Schnäppchenjäger jetzt nicht ein wenig zu sehr?
Steckt man alle Politiker in eine Sack und haut drauf,man trifft immer den richtigen….
Der Mossad hat ja auch Haie abgerichtet, um die ägyptische Tourismusindustrie zu schädigen.
Wir Deutschen möchten einfach keinen so billigen Schnorrer-Präsidenten – egal was er zum Islam gesagt hat.
Krause, richtig, wir sagen: der ISLAM gehört eben NICHT zu Deutschland. Er hat in unserer Geschichte nichts zu bedeuten. Genausowenig wie der Buddhismus oder der Hinduismus. Sorry, liebe Moslems, findet euch damit einfach ab. Der Islam EXISTIERT in Deutschland, das schon eher. Aber dazugehören tut er nicht. Er ist für uns Deutsche ein FREMDKÖRPER.
Danke dem Autor und ja ich als deutscher kann dem Herrn Wulff nur zustimmen. Dabei danke ich ihm, das er uns die Augen geöffnet hat, für eine Reform. Denn es ist an der Zeit Menschen zu sehen und Deutschland ist ein Teil von Islam, wie auch die anderen Abrahamischen Religion. Von der Jüdischen Spiritualität haben wir sehr viel gelernt und werden bestimmt noch viel mehr aus dem Islam und seinen Weisheiten lernen. Vielleicht können wir dem Islam helfen und ihm einen Nährboden liefern. Somit könnte auch etwas mehr Reform in sich zu entstehen( mit dem Einverständnis der Menschen mit islamischer Spiritualität), denn im Koran steht auch einen Begriff der Emanzipation Kritik. Fazit Herr Wulff sieht nicht nur Sympatisch aus, er gibt sich auch sehr weitsichtig und innovativ ab.
@Fritz
Welchem Islam denn jetzt genau? DEN Islam gibt es doch gar nicht.
@Rechenratz
Sie werden sich damit abfinden müssen, daß der Islam zu DE gehört….man brauch sich bloß diverse Geburtsstatistiken anschauen.
Nicht das ich den Einfluß dieser Religion als schön empfinde, aber Realitäten sollte man schon anerkennen und versuchen das beste daraus zu machen.
@andres
Och, es gibt für alles eine Lösung ;-)
http://de.wikipedia.org/wiki/Pfingstbewegung#Missionarisch-diakonisches_Engagement
Lieber Herr Bas,
Ich finde Ihren Artikel befremdlich. Wo ist ihre Auseinandersetzung mit dem Kernthema Rücktrittsgrund? Der Bundespräsident hat eine einzige Aufgabe: eine repräsentative Instanz zu sein. Daher wiegt ein Amtsvergehen nunmal besonders schwer. Das taucht bei Ihnen gar nciht auf. Was machen Sie mit den Fakten (!!!) die als Bestechung, Begünstigung, Vorteilsnahme im Amt ausgelegt werden? Sie existieren für Sie gar nicht, ebenso nicht die Frage, ob andere Maßstabe für einen BP gelten müssen.
Statt dessen ziehen Sie die Verschwörungstheorie heran.Wodurch unterscheiden Sie sich mit Ihrem Artikel eigentlich vom Stammtisch? Halten Sie allen ernstes eine „ununterbrochene Berichterstattung“ für einen Rücktrittsgrund? Tut mir leid, aber über Frau Merkel findet ebenfalls eine ununterbrochene Berichterstattung statt, ebenso über Siegmar Gabriel. So dumm kann man doch nicht ernshaft formulieren wollen. Journalistische Qualität ist das Ganze wahrlich nicht. Welches persönliche Motiv verfolgen Sie eigentlich mit solchen Texten? Sind Sie berauscht vom Gedanken ein „großes Ding“ aufzudecken?
Journalismus ist nicht das Einkleiden der eigenen Gefühlswelt in einen Fachartikel.