Leipzig

Rassistische Einlasskontrollen sind Teil des Leipziger Nachtlebens

Testing zeigt: In leipziger Discos sind nur die Lichter bunt. Das Antidiskriminierungsbüro Sachsen und der StudentInnenRat haben herausgefunden, dass sechs von elf Discobetreiber bei Einlasskontrollen aus rasstischen Gründen diskrimieren. Betroffene verklagen sechs Clubs.

Freitag, 10.02.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 16.02.2012, 8:24 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Im Oktober 2011 testeten das Antidiskriminierungsbüro Sachsen (ADB) und der StudentInnenRat der Universität Leipzig verschiedene Leipziger Diskotheken auf rassistische Diskriminierung. Die Frage lautete: Haben „nicht-deutsch“ aussehende Gäste die gleichen Chancen in die Disko zu kommen wie weiße Deutsche? Die Antwort war erschütternd. In mehr als der Hälfte der Fälle (sechs von elf Clubs) wurde den nicht-deutschen Testern der Eintritt verweigert, während die mehrheitsdeutschen Vergleichspersonen durchgewunken wurden.

„Dieses Ergebnis bestätigt leider meinen Eindruck.“ sagt Abdulaziz Bachouri, Referent für ausländische Studierende im StudentInnenRat der Universität Leipzig (StuRa). Immer wieder berichten ihm Studierende von rassistischen Behandlungen durch das Sicherheitspersonal verschiedener Clubs. Auch Herr Bachouri selbst hat solche Erfahrungen machen müssen: „Es ist verletzend und du fühlst dich wie ein Mensch zweiter Klasse. Du fragst dich, ob du in Leipzig wirklich willkommen bist.“

___STEADY_PAYWALL___

Im Anschluss an das Testing suchten ADB und StuRa das Gespräch mit den Verantwortlichen der Clubs. Daniel Bartel, Leiter der Beratungsstelle des ADB Sachsen: „Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich. Einige Clubs verweigern die Diskussion oder rechtfertigen ihre Praxis. Andere übernehmen Verantwortung und teilen das Ziel diskriminierungsfreier Einlasskontrollen. So stellen wir auf der heutigen Pressekonferenz zweierlei vor: Fünf praxisnahe Schritte, die es Clubs erleichtern, nicht zu diskriminieren und sieben Klagen wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG).“

Fünf Schritte für eine nachhaltige Veränderung
Die fünf Schritte umfassen eine nachvollziehbare Information der Gäste über ihre Rechte und Pflichten, ein geregeltes Verfahren für Beschwerdefälle, die Schulung der Mitarbeitenden, die Zusammenarbeit mit unabhängigen Beratungsstellen und eine Anpassung der Hausordnung.

Daniel Bartel: „Diese Maßnahmen sind leicht umsetzbar und nützen sowohl den Gästen als auch den Clubs. Wir hoffen, dass sie ein positiver Qualitätsstandard werden und zu einer nachhaltigen Veränderung beitragen.“ Mit einem Club, der Moritzbastei, wurde bereits eine Kooperation vereinbart, mit anderen gibt es aktuell Gespräche.

Sieben Klagen nach dem AGG
Die Klagen nach dem AGG betreffen sechs Leipziger Diskotheken: das Alpenmax, den City Club, das L1, das Nachtcafé, das Nightfever und VelVet. Nachdem mehrere Versuche, eine konstruktive Lösung zu finden scheiterten, sahen die von der Diskriminierung Betroffenen keinen anderen Weg mehr, als ihr Recht auf Gleichbehandlung vor Gericht durchzusetzen. Sie klagen auf Unterlassung der Diskriminierung und auf Schadensersatz.

„Die Betroffenen bedauern, dass dieser Schritt notwendig wurde. Es hat Angebote für eine außergerichtliche Lösung gegeben, bei denen die Betroffenen sogar auf ihre Schadensersatzansprüche verzichtet hätten“, kommentiert Jakob Simon, der Anwalt der Kläger und ergänzt: „Gleichzeitig ist es wichtig, eine Grenze zu ziehen und deutlich zu machen, dass es ein Recht auf Gleichbehandlung gibt, dem sich auch das Hausrecht unterordnet. Deshalb rufen wir das Leipziger Amtsgerichts an, das Diskriminierungsverbot durchsetzen.“ Die Klagen wurden am 08.02.2012 eingereicht und werden voraussichtlich im Frühjahr 2012 verhandelt werden.

In einem ähnlich gelagerten Fall hatte das Oberlandesgericht Stuttgart einen Discobetreiber zu einer Entschädigungszahlung in Höhe von 900 € verurteilt. Die Türsteher hatten an der Diskotür einen Besucher wegen seiner Hautfarbe abgewiesen.

Unterstützung und Aufruf
Doch zuvor müssen die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten gestemmt werden. Gerichtliche Auseinandersetzungen kosten Geld. Für viele Betroffene ist das eine große Hürde, wenn sie gezwungen sind, ihr Recht zu erstreiten. Deshalb hat das ADB einen Rechtsfond eingerichtet. „Der Fond unterstützt Klangende, indem er sie finanziell entlastet. Bitte spenden Sie.“, erläutert D. Bartel.

Die fünf Schritte auf dem Weg zu diskriminierungsfreien Einlasskontrollen wurden als Aufruf zusammengefasst. Der StudentInnenRat der Universität Leipzig und das ADB Sachsen bitten Einzelpersonen und Organisationen, den Aufruf zu unterzeichnen und laden die Verantwortlichen auf Seiten der Clubs ein, sich an einer geplanten Positivkampagne „Einlass für Alle“ zu beteiligen. (pm/hs) Gesellschaft Leitartikel

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Bierdurst sagt:

    @Tai Fei

    Gibt’s doch: „Türkische Kulturvereine“ Ich hab da noch nie einen Deutschen drinsitzen sehen […]

  2. Tai Fei sagt:

    Sugus sagt:
    10. Februar 2012 um 21:30
    „@ Tai Fei
    Türken-Discos gibts seit Jahrzehnten und kein Deutscher regt sich drüber auf.“
    Bierdurst sagt:
    11. Februar 2012 um 02:09
    @Tai Fei
    „Gibt’s doch: “Türkische Kulturvereine” Ich hab da noch nie einen Deutschen drinsitzen sehen […]“

    Ich weiß dass es solche Clubs gibt und das da auch so gut wie nie ein Deutscher drin ist. Lest bitte noch mal den Artikel und dann mein Posting. Ihr begreift mal wieder nicht den Inhalt. Siehe auch Posting hier zum Muslimischer Mitfahrerzentrale.

  3. HamburgerJ sagt:

    Das Gleichbehandlungsgesetz ist in seiner vorliegenden Form eine Schande für den deutschen Rechtsstaats (Beweislastumkehr) und ein Armutszeugnis für die Freiheitsrechte der Bundesrepublik. Es ist ein weiterer Sargnagel für die stetige Gesellschaftstransformationen für mehr Bürokratie, Überwachung und Kontrolle.
    Es geht niemanden etwas an, ob ein Clubbetreiber bestimmte Personengruppen nicht hereinlassen will. Die Auswahl der Gäste ist seine höchstpersönliche Entscheidung.
    In Hamburg gab es auch „Asien-Community-Partys“, bei denen Asiaten bevorzugten Eintritt erhielten, schriftlich angekündigt.
    Hat sich da nur ein einziger der Gutmenschen-Heuchler beschwert?
    Genau diese Doppelzüngigkeit der üblichen Verdächtigen regt mich noch am Meisten auf.

    Es gibt genügend Kneipen, Clubs und Discos, es ist doch völlig lächerlich, sich da irgendwo reinklagen zu wollen. Die Drangsaliserung muss endlich ein Ende haben. Als Alternativlos für die Clubbetreiber empfehle ich, öffentlich die klagenden Personen zu benennen, denn die machen sich sicherlich sehr beliebt in der Stadt, und auf der anderen Seite nur noch auf Einladung Leute hereinzulassen.

    Ich fordere die Regierung auf, endlich dieses unsägliche Dutzend-Seiten-Gesetz stillzulegen und in der EU Druck zu machen, solchen Überwachungswahnsinn aus allen Leitlinien zu verbannen.

  4. Mathis sagt:

    Bleibt also festzuhalten:Private Clubs dürfen sich ihre Gäste aussuchen.Das trifft auf alle zu:Russen,Deutsche Türken,Chinesen…
    Und niemand hat´s bislang gestört, oder doch?Das habe ich den Beiträgen nicht entnehmen können.

  5. Fikret sagt:

    Es ist ein Phänomen,dass Rechsradikalismus besonders stark im Ost-
    deutschland zu finden ist.

  6. Tai Fei sagt:

    Fikret sagt:
    15. Februar 2012 um 10:26
    „Es ist ein Phänomen,dass Rechsradikalismus besonders stark im Ost-
    deutschland zu finden ist“

    Das ist zwar eine sehr verallgemeinernde Aussage, lässt sich aber auf folgende Ursachen zurückführen:
    1. Wirtschaftlich
    Die Anzahl der Arbeitslosen, Niedriglöhner usw. usf. ist in Ostdeutschland überdurchschnittlich hoch. Die entsprechende Angst vor einem wirtschaftlichen und sozialen Abstieg ist daher ungemein präsent.
    2. Politisch/Sozial
    Hier kommen wohl im Wesentlichen zwei Probleme zum Tragen. In der DDR war der Ausländeranteil selbst in Ballungszentren verschwindend gering. Fast alle Gastarbeiter waren kaserniert, sprich in abgeschotteten Wohnkomplexen untergebracht. Eine öffentliche Diskussion zu entsprechenden Problematiken war daher obsolet und auch nicht erwünscht.
    Zweites Problem ist der Zusammenbruch der DDR. Das oktroyierte DDR-Wertesystem war damit von heute auf morgen hinfällig. Jegliche progressive Ausrichtungen wurden damit negiert. Was folgte war eine radikale Opposition diesen Werten gegenüber, was ja auch politisch gewollt war und ist.

    Allerdings sollte man das nicht so allein stehen lassen. Gerade der Aufbau rechtsradikaler Strukturen ist auf immensen Westimport zurückzuführen. Diese waren in der DDR ja praktisch kaum vorhanden. Auch die permanente Rechtslastigkeit einiger Landesverwaltungen (als Sachse fällt mir das leider besonders auf) ist auf massiven Import aus dem Westen DEs zurück zuführen. Bei den unteren Ebenen kommt dann der „gesunde“ Opportunismus zum Tragen, der in der DDR schon einen zentralen Faktor darstellte und heute, mit Verweis auf Ursache 1., hauptsächlich wirtschaftlich begründet ist.

  7. Demokrat sagt:

    Es hat zu DDR Zeiten NIEMANDEN interessiert, ob wir Leipziger in die Discos kamen oder nicht, ob wir im eigenen Land durch ausländische Studenten, die mit Westgeld wedelten und höhnisch grinsend an uns vorbei den Einlass passierten, diskriminiert und verhöhnt worden oder nicht, doch heute steht so etwas (warum auch immer?!?) auf Seite 1 der Zeitung und die Diskothekenbetreiber werden sogar verklagt, Wahnsinn! Da kann ein in der DDR aufgewachsener Mensch nur mit dem Kopf schütteln!!! Man wird durch das Lesen solcher reißerischen Storys, die alte Erinnerungen wieder ans Tageslicht befördern und das die armen Betroffenen nun sogar Schadenersatz haben wollen, zum 2. Mal verhöhnt.