Einbürgerung

Bilkay Öney macht’s vor – SPD-Länder unter Druck

Baden-Württemberg stellt per Erlass auf eine einbürgerungsfreundliche Verwaltungspraxis im Staatsangehörigkeitsrecht um. Damit möchte Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD), die die politische Teilhabe von Migranten stärken.

Mittwoch, 08.02.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 14.02.2012, 8:26 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Wenn es um Einbürgerung geht, zeigt sich die SPD gerne migrantenfreundlichen. Insbesondere SPD-geführte Länder starten Einbürgerungskampagnen und werben auf Plakaten für die deutsche Staatsbürgerschaft. Auch in puncto Doppelpass zeigen sich die Sozialdemokraten gerne als die größten Befürworter. In der Praxis hinken sie ihren Versprechungen aber meist hinterher.

Nicht so die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD). Mit einer Reihe von Erlassen gestaltet sie die Verwaltungspraxis im Staatsangehörigkeitsrecht einbürgerungsfreundlicher. „Entsprechend dem Koalitionsvertrag sollen Einbürgerungen erleichtert und die Verfahren insgesamt vereinfacht und beschleunigt werden. Das setzen wir nun schrittweise um“, sagte Ministerin Öney am Dienstag (07.02.2012) in Stuttgart.

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Doppelpass erleichtert
Neben der Abschaffung des Gesprächsleitfadens in Einbürgerungsverfahren sind auch Fälle betroffen, die zur Hinnahme von Mehrstaatigkeit führen können. So bewertet das Land künftig Entlassungsbedingungen aus der bisherigen Staatsbürgerschaft öfter als bisher als unzumutbar. „Wir verzichten zum Beispiel bei irakischen Staatsangehörigen mittlerweile auf die Durchführung der langen und schwierigen Verfahren zur Entlassung aus der irakischen Staatsangehörigkeit“, so Öney.

Doppelpass = hohe Einbürgerungsquoten © MiG

Doppelpass = hohe Einbürgerungsquoten © MiG

In dieselbe Richtung geht eine Erleichterung für junge ausländische Wehrpflichtige. Viele ausländische Staaten verlangen grundsätzlich, dass ihre Staatsbürger den Wehrdienst ableisten, bevor sie diese aus der ausländischen Staatsbürgerschaft entlassen. Öney: „Kommt eine Zurückstellung vom Wehrdienst nicht in Betracht, muten wir Ausländern ab der zweiten Generation diese Entlassungsbedingung nicht mehr zu.“ Die Einbürgerung sei dann auch ohne Entlassung aus der bisherigen Staatsangehörigkeit möglich. Damit trage das Ministerium dem hohen Maß an Integration von hier geborenen oder aufgewachsenen Ausländern ab der zweiten Generation Rechnung. Von der neuen Praxis sollen aber nicht nur junge Einbürgerungsbewerber profitieren.

Erleichterung für ältere Personen
Das deutsche Einbürgerungsrecht verlangt von den Bewerbern grundsätzlich ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache in mündlicher und schriftlicher Form. Für langjährig in Deutschland lebende Ältere, die in der Regel bereits aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, ergeben sich allerdings andere Integrationserfordernisse als für Erwerbspersonen. Deshalb soll diesem Personenkreis im Rahmen der Ermessenseinbürgerungen eine schriftliche Sprachprüfung nicht mehr zugemutet werden.

Einbürgerungsbewerber, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und seit zwölf Jahren rechtmäßig im Inland leben, müssen für die Ermessenseinbürgerung keine schriftlichen Sprachkenntnisse mehr nachweisen. „Es reicht aus, wenn sich solche Menschen ohne nennenswerte Probleme in deutscher Sprache mündlich verständigen können“, sagte Ministerin Öney.

Verfahrensbeschleunigung bei anerkannten Flüchtlingen
Eine weitere Änderung soll das Einbürgerungsverfahren von anerkannten Flüchtlingen beschleunigen. Bisher war in Baden-Württemberg vorgegeben, dass die Einbürgerungsbehörden grundsätzlich bei allen Einbürgerungsverfahren anerkannter Flüchtlinge und Asylberechtigter beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) anfragen, ob die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft noch Bestand hat. Hintergrund der oft zeitaufwendigen Prüfung ist, dass nur anerkannte Flüchtlinge immer unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit eingebürgert werden können, Personen ohne Flüchtlingseigenschaft dagegen nicht ohne Weiteres.

In Abstimmung mit dem Bundesministerium des Innern müssen nun die Einbürgerungsbehörden beim BAMF nur noch dann anfragen, wenn nicht bereits aus anderen Gründen Mehrstaatigkeit hinzunehmen ist. „Wir gehen davon aus, dass hierdurch eine Beschleunigung der Einbürgerungsverfahren von anerkannten Flüchtlingen erzielt wird“, erklärte die Sozialdemokratin abschließend.

Wo Türken den Doppelpass bekommen und wo nicht © MiG

Wo Türken den Doppelpass bekommen und wo nicht © MiG

Unterschiedliche Verwaltungspraxis nicht neu
Ob Öneys Vorstoß in anderen SPD-Ländern Schule macht, bleibt abzuwarten. Dabei sind unterschiedliche Verwaltungspraktiken nicht einmal neu und führen in den Ländern zu ganz unterschiedlichen Einbürgerungsquoten. Im Saarland beispielsweise beträgt die Doppelpassquote unter Türkeistämmigen gut 69 Prozent, in Bayern hingegen nur 3,7 Prozent, obwohl die einschlägigen Rechtsvorschriften in allen Bundesländern gleichermaßen gelten. In Baden-Württemberg lag die Doppelpassquote der türkeistämmigen Bevölkerung bisher bei vergleichsweise niedrigen 10 Prozent (Bundesdurchschnitt: knapp 28 Prozent). Überraschend niedrig fällt diese Quote auch in den SPD-geführten Ländern Berlin und Bremen aus (11 bzw. 13 Prozent).

Mit dem Vorstoß Öneys dürfte aber der Beweis erbracht sein, dass eine freundliche Einbürgerungspraxis weder Gesetzesänderungen auf Bundesbene braucht noch die dafür erforderliche Mehrheit im Bundestag. Im Lichte dessen sind nun die SPD-geführten Ländern unter Zugzwang, wenn sie ihrer ohnehin angekratzten Einbürgerungsrhetorik künftig ein auch bisschen Glaubwürdigkeit einhauchen wollen. (es) Leitartikel Politik

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  1. Zerrin Konyalioglu sagt:

    @Sugus, warum machen Sie dann trotzdem die Loyalitätsfrage zum Gegenstand der Staatsbürgerschaft? Wie sollen sich Einwanderer in DEU heimisch fühlen, wenn man ihnen feindselig begegnet?

  2. Sugus sagt:

    @ Zerrin Konyalioglu
    Wieso machen Sie aus der Frage der Staatsbürgerschaft eine Feindseligkeitsfrage? Von mir aus können Ausländer auch längere Zeit hier leben und ich respektiere sie, ohne daß sie eingebürgert werden müssen.
    Wer aber unbedingt eingebürgert werden will, muß meinem Land und meinem Volk gegenüber loyal sein. Das ist doch wohl das Mindeste. Alles andere führt in den Bürgerkrieg.

  3. Mustafa sagt:

    @alle die gegen die doppelte Staatsbürgerschaft sind
    die ewige Ungleich-Behandlung und Benachteiligung der Türken in Deutschland sollte endlich beendet werden.
    Selbst Russlanddeutsche die eigentlich ja ethnische Deutsche sein sollen und den Pass direkt bei der Einreise bekommen haben meistens noch den russischen Pass. Rumänen, Bulgaren, Polen demnächst noch Kroaten, alle dürfen einen Doppelpass haben. Wo bleibt deren Loyalität und Entscheidung zu Deutschland. Wenn dann gleiche Rechte für alle.

  4. Stavros sagt:

    Warum soll es für türkische Staatsbürger diese Sonderrechte bezüglich doppelter Staatsbürgerschaft geben? Seit wann gehört die Türkei zur EU? Wir haben auch noch andere Migranten als Türken und Muslime!!

  5. Sarah Tustra sagt:

    Hier wird die deutsche Identität verramscht…
    Migranten bürgern Migranten ein.
    Deutsche, die sich dagegen auch nur aussprechen werden als Rassisten im eigenen Land verfolgt.
    Das führt in den Bürgerkrieg.

  6. Sugus sagt:

    @ Mustafa
    Prinzipiell gebe ich Ihnen recht, daher wäre eine konsequente Einstaatlichkeit anzustreben und auch nichtdeutsche EU-Bürger und Aussiedler sollten sich für eines entscheiden müssen.
    Was deren zur Zeit praktizierte Doppelstaatlichkeit aber harmloser macht als das Szenario „Doppelpass für alle Türken“ (und deshalb auch von den Deutschen eher akzeptiert wird) ist folgendes
    – ich habe noch nie gehört, daß Putin von in Deutschland eingebürgerten Russen verlangt, daß sie trotzdem noch gegenüber Rußland loyal sein sollen (Erdogan hat das aber getan)
    – ich habe noch nie gehört, daß es eine russische Religionsbehörde gibt, die ganz Deutschland flächendeckend mit orthodoxen Kirchen zupflastern will
    – bei vielen Nationalitäten ist es die mangelnde Masse, die doppelte Staatsbürgerschaften ungefährlich macht. Es ist für politische Entscheidungen in Deutschland ohne Belang, ob es 5000 Deutsch-Iren gibt oder 2000 Deutsch-Norweger oder 3000 Deutsch-Tschechen oder 10000 Deutsch-Rumänen. Aber 3 Millionen Türkeistämmige als potentielle fünfte Kolonne Ankaras, dazu mit importierten Konflikten (Kurden/Türken), das überschreitet die Schmerzgrenze.

  7. Undercover0815 sagt:

    In der EU grassiert die wohlfahrtsstaatbedingte Schuldenkrise und hier freut man sich, dass die Einwanderung in den Sozialstaat erleichtert wird.

    Wo soll das finanziell und ökonomisch hinführen? Soll sich Arbeiten und Wirtschaften durch immer höhere Steuern immer weniger Rentieren und sukzessive auswandern?

  8. Rechenratz sagt:

    Undercover, ich hatte einst eine Bekannte, die hatte das „Helfersyndrom“. Sie musste immer und jedem helfen, egal, ob das für sie Nachteile hatte oder nicht. Irgendwann wurde sie dann in die Psychatrie eingeliefert…

    so ähnlich verhalten sich die multikulti-liebenden Gutmenschen in Deutschland auch: am liebsten würden sie der ganzen Welt helfen, und allen 3 Milliarden hungernden Menschen Asyl geben. Dass das nicht geht, wissen diese Gutbürger im Unterbewußten, und dennoch versuchen sie zeitlebens, die Einreisebedinungen nach Deutschland erleichtern. So, dass jeder bleiben kann.

  9. Dieter Lieberwirth sagt:

    Was will man auch von einer türkischen Ministerin mit deutschen Paß oder sogar Doppelpaß erwarten? Die doppelte Staatsbürgerschaft sollte die Ausnahme sein, sie will sie zur Regel machen. Sie vertritt die Interessen der Ausländer, nicht der Deutschen. Ich will beim Doppelpaß gar nicht von Loyalität zu Deutschland sprechen, die ist bei den meisten neu Eingebürgerten kein Thema. Ausländer mit deutschen Paß sind uns gegenüber immer im Vorteil, eine klare Ungleichbehandllung.
    Die deutsche Staatsbürgerschaft wird zur Ramschartikel. Den Grünen liegt nichts an der Erhaltung unseres Volkes, Staates und unserer Kultur. Sie wollen die Deutschen heterogenisieren, durch Ausländer verdünnen.
    Die Wähler wollten das offensichtlich so.

  10. andres sagt:

    Nerviges Thema!
    In der Integrationsdebatte hat man in DE wohl nur die Wahl zwischen 2 Ideologien….den Konservativen, die nicht akzeptieren können daß jemand mit ausländischen Wurzeln auch Deutscher sein kann….und den linken Gutmenschen, die viele Probleme erst verursacht haben, durch die „alle Ausländer sind gut und kommt alle zu uns-Mentalität“
    Bitte mal einen gesunden Mittelweg finden und dabei an Ausländer UND Einheimische denken!!!.