Integrationspolitik

Union wie in den Siebzigern

Die Integrationspolitik der Union ist voller Widersprüche. Das wurde am Mittwoch erneut deutlich. Auf der Tagesordnung standen Bildungs- und Familienpolitik. Argumentiert wurde wie in den Siebzigern - Integrationspolitik spielte keine Rolle.

Donnerstag, 26.01.2012, 8:58 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 01.02.2012, 8:32 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Integrationspolitik der Unionsparteien ist nicht frei von Widersprüchen. Auf der einen Seite werden frühkindliche Bildung, höhere Schulabschlüsse und Berufsqualifikationen gefordert, auf der anderen Seite werden Zugangsbarrieren oder Anreize geschaffen, die die Integrationspolitik auf den Kopf stellen. So verhält es sich jedenfalls im Bereich der Hochschul- und Familienpolitik.

Seit 2005 haben in Deutschland sieben CDU-regierte Bundesländer Studiengebühren eingeführt und fünf wieder abgeschafft. Entweder wurde die CDU abgewählt oder sie musste sich juristischen Argumenten oder dem Druck der Opposition beugen. Davon lässt sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion aber nicht beirren, wie am Mittwoch (25.01.2012) deutlich wurde. In einem öffentlichen Fachgespräch im Ausschuss für Bildung diskutierten Experten darüber, welche Folgen Studiengebühren haben.

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Union Beratungsresistent
Dabei lieferte Marcel Helbig vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung das wohl beste Argument für die Studiengebühren. Wie eine Studie des WZB ergeben habe, hätten Studiengebühren keinen Einfluss auf die Studienneigung. Das gelte auch für nicht-akademische Haushalte.

Für die Unionspolitiker Albert Rupprecht und Monika Grütters war die Sache damit auch schon erledigt. „Studiengebühren halten nicht vom Studium ab“, erklärten die beiden Unionspolitiker. Gegenmeinungen interessierten nicht.

Davon gab es aber reichlich. Matthias Anbuhl vom Deutschen Gewerkschaftsbund erklärte etwa, dass die Frage der Studienfinanzierung bei der Entscheidung für oder gegen ein Studium eine wichtige Rolle spiele. So sagten 69 Prozent derer, die auf ein Studium verzichteten, dass die Finanzierung ein entscheidendes Kriterium gewesen sei. Auch Christoph Heine vom HIS Hochschul-Informations-System betonte, dass die Kosten einen hohen Einfluss auf die Studienentscheidung hätten. Zwei unterschiedlichen Studien des HIS zufolge sei die Studierbereitschaft aufgrund von Gebühren gesunken.

Migranten besonders betroffen
Studiengebühren wirkten abschreckend und seien sozial selektiv, betonte auch Bernhard Börsel vom Deutschen Studentenwerk. Christiane Konegen-Grenier vom Institut der deutschen Wirtschaft bemängelte ebenfalls, dass das aktuelle System Studierende aus hochschulfernen und einkommensschwachen Schichten nicht ausreichend unterstütze.

Und das trifft vor allem Migranten. Es ist bekannt, dass insbesondere Studierende mit Migrationshintergrund aufgrund der Einkommensverhältnisse der Eltern ungleich stärker auf BAföG und Nebenjob angewiesen sind. Erhebungen zufolge ist der Anteil der Studierenden mit Migrationshintergrund aus einkommensschwächeren Familien mit 34 Prozent fast dreimal so hoch wie bei den Studierenden ohne Migrationshintergrund (13 Prozent).

Frühkindliche Förderung oder Familienpolitik?
Das scheint Unionspolitiker aber nicht sonderlich zu interessieren. Wenn in Kürze der 5. Integrationsgipfel stattfindet, werden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), von Migranten erneut Bildung fordern und betonen, wie wichtig insbesondere die frühkindliche Förderung ist. In die Pflicht werden vor allem die Eltern genommen, die ihre Kinder möglichst früh in eine Kindertagesstätte geben sollen.

Aber auch diese integrationspolitische Forderung wurde am Mittwoch ad absurdum geführt. Vor dem Familienausschuss erklärte Familienministerin Kristina Schröder (CDU), dass sie an der Einführung des umstrittenen Betreuungsgeldes im Jahr 2013 festhält.

Nach Aussage der Ministerin werde das Gesetz noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht. Danach sollen Eltern, die keinen Betreuungsplatz für ihr Kind in Anspruch nehmen, ab 2013 zunächst 100 Euro monatlich für das zweite Lebensjahr des Kindes erhalten, ab 2014 dann 150 Euro für das zweite und dritte Lebensjahr des Kindes. Mit dem Betreuungsgeld würde den Eltern die Wahl gelassen, ob ihr Kind in einer Kindertagesstätte betreut werden soll oder ob sie dies selbst daheim tun wollen. (bk)
Leitartikel Politik

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  1. Achherje sagt:

    Ich habe mir vond em Artikel mehr erwartet, als ich die Überschrift las. Man kann nun enttäuscht sein, erfreut sein, oder aber Thema verfehlt hineininterpretieren. Nich böse sein, nur so ein Gedanke, der wohl viele ereilt, welche sich mit dem Thema Integration beschäftigen.

    Nur einige Fragen und Ausführungen:

    Welche Partei, welche Organisation ist bei diesem Thema (Integration) frei von Widersprüchen? Und nicht doch irgendwie voller Widersprüche? Das ist doch das Problem? Jeder versteht das Woirt irgendwie ander, eine allgemein gültige Definition fehlt ohnehin (wo man endlich mal wüsste, über was wir denn überhaupt spreche; selbst Herr Kolat weiß nicht wirklich, was man überhaupt möchte)?

    Die Politik hat nicht nur die Integrationspolitik verschlafen, sondern jegliche Politik, welche sich mit „fruchtbarer“ Zuwanderungspolitik beschäftigt?

    Es kann doch nicht sein, dass man alles einwandern lässt, bevor man einen Großteil mal überhaupt „integriert“ hat, was auch imemr dieses Wort bedeuten mag? Egal wie man Migrantion sieht, wie man Integration definiert: Für mich geht es vor allem um den inneren Frieden (aller) und die innere Sicherheit (betreffend alle).

    Und, genau hier liegt einiges im Argen – auch wenn wir die Migrantionsgeschichte betrachten.

    Wenn ich jetzt Ausführungen machen sollte, würde dies Stunden dauern und Bücher füllen, deshalb kurz und prägnant:

    Wenige Migranten dürfen das große Ganze zerstören. Wenige Migranten sorgen für Wut, Abneidung, Ausgrenzung, Hass, Rassismus und letztendlich Gewalt. Aich die jüngste rechtsradikalen Enthüllungen und der unterbliebene Aufschrei inenrhalb der Bevölkerung (nicht nur der Bios) und der Zuspruch zu Sarrazins Thesenbuch zeugt meiner Meinung nach für diese Theorie – welche nur meine ist (nicht die eines anderen sein muss).

    Ich höre nun auf mit meinen Ausführungen, da es sonst (wenn überhaupt) eh keiner lesen möchte. In der Kürze liegt die … ?

    Wir sollten uns alle – egal ob Migrant, Ausländer, Bio … Gedanken machen, dass wir die Geschichte nie und nimemr zurückdrehen können, keine Fehler, keine Versäumnisse, sondern nach vorne schauen müssen … und a) nicht dieselben Fehler wiederholen, die Fehler nicht fortführen … und einen logischen Weg zu finden versuchen (was kann es mehr sein), dass sich eine positive Entwicklung einstellen darf. Bevor es endgültig zu spät zu sein scheint.

    Wenn wir nun, in dieser Phase, parteiisch werden – in Resignation verfallen … dann haben die Extremisten jedweder Couleur gewonnen. Und dann, und dann geht es mal richtig ab. Dann: Innerer Frieden, innere Sicherheit und Integrationsgedanken adee … (auf Nichtschwäbisch: Vergesst es dann …).

    Beste Grüße …

    achherje …

  2. Achherje sagt:

    Man entschuldige die Schreibfehler, bin selbst erschrocken, als ich es nochmals gelesen habe … man versteht aber wohl, was ich meine, zum Ausdruck bringen wollte … denke ich mal so …

  3. Yilmaz sagt:

    Bevor ich auswandere, werd ich noch einmal wählen gehen und zwar die PiratenPartei !!!

  4. Migrationshintergund sagt:

    Ich kann es verstehen, wenn die BRD keine Minderheitspolitik betreibt. Ich bspw. bin Arbeiterkind und bin dennoch für Studiengebühren. Keine deutsche Universität ist wirklich international konkurrenzfähig. Schaut man sich die amerikanischen und englischen Hochschulen an, sieht man, dass exzellente Bildung bares Geld kostet. An meiner deutschen Universität wurde der Service nach der Einführung von Studiengebühren sehr verbessert. Die Bibliotheken und Säle wurden renoviert, es gab längere Bibliotheksöffnungszeiten etc. – alles Faktoren, welche die Studiensituation ungemein verbessern. Aus diesem Grund sehe ich in der Aufhebung der Studiengebühren einen Rückschritt.

    Um auch die einkommensschwächeren Schichten aufzufangen, muss das deutsche Stipendiumnetz weiter ausgebaut werden. Heute vergeben viele Universitäten Stipendien für Studiengebühren. Ferner führte das Land Baden-Württemberg bspw. die Geschwisterregelung ein, die bei kinderreichen Familien zu einem Studiengebührenerlass führt. Mit solchen Maßnahmen könnte man Studenten aus einkommensschwächeren Schichten unterstützen, ohne auf einen besseren Service für die Gesamtheit verzichten zu müssen.

  5. Pragmatikerin sagt:

    @ Yilmaz

    Sie schrieben: …..“werd ich noch einmal wählen gehen und zwar die PiratenPartei !!!“

    Sehr vernünftig, bei der letzten Bundestagswahl habe ich diese Partei auch gewählt. Ob diese aber Integration von Orientalen besser verstehen und durchsetzen können als die etablierten Parteien, wage ich zu bezweifeln ;-)

    Pragmatikerin