Rassismusvorwurf
Weißer spielt Schwarzen
„Ich bin nicht Rappaport“, so heißt die Inszenierung von Dieter Hallervorden. Problem für die Kritiker: Ein Schwarzer wird von einem Weißen gespielt. Rassismus sieht aber anders aus!
Von Hakan Demir Dienstag, 24.01.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 27.01.2012, 8:09 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Auf dem Inszenierungsplakat zu „Rappaport“ erkennt man sofort das breite Grinsen von Dieter Hallervorden, der den alten Weißen Nat gibt. In seiner Hand fasst er einen fast abgebrannten Joint. Neben ihm steht der schuhwichsenverschmierte weiße Schauspieler Joachim Blies, der die andere Hauptfigur Midge spielt. Er trägt ein dickes schwarzes Brillengestell mit großen ovalen Gläsern. Das Schauspiel, das am Schlosspark Theater in Berlin aufgeführt wird, handelt von zwei alten Männern, die sich im New Yorker Central Park Geschichten erzählen und über das Leben nachdenken: mehr nicht!
Also: Nichts Anstößiges? So könnte man meinen, aber die Facebook-Seite des Schlosspark Theaters kann sich vor Rassismusvorwürfen nicht retten. Von 50 Einträgen an normalen Tagen sind nun die Einträge auf 1500 angestiegen. Eine gute Öffentlichkeitsarbeit hätte dieses Ziel wohl kaum erreicht. Da musste schon unverhofft ein Rassismusvorwurf her, den weder Dieter Hallervorden noch sein Marketing- und Pressechef Harald Lachnit erahnen konnten. Zumal das Stück bereits 1987 im Schlosspark Theater zur ersten Aufführung gebracht worden war und seitdem 300-mal auf Tournee gewesen ist.
„Darf Hallervorden einen Juden spielen, obwohl er kein Jude ist?“
„In 99 Prozent der Fälle spielte ein schwarz geschminkter Weißer eine der beiden Hauptrollen. Es hat nie den geringsten Protest gegeben“, so Lachnit. Natürlich gibt es in Deutschland schwarze Schauspieler, die sich nicht schwarz anmalen müssen. Dass es hier ein Problem gibt, ist schon längst bekannt. „Es gibt kaum Schauspieler, Dramaturgen, Intendanten mit Migrationshintergrund – nix“, sagte der türkische Theaterregisseur Nurkan Erpulat der Nachrichtenagentur dpa in Düsseldorf. Aber weshalb stellt man sie nicht ein? Das ist genau die Frage, die sich einige Facebook-Nutzer stellen. Und sie ist berechtigt. Die Schlussfolgerung allerdings nicht. Zu Recht meint Hallervorden: „Denken wir die Vorwürfe zu Ende. Darf Hallervorden einen Juden spielen, obwohl er kein Jude ist?“
Tipp: Lesen Sie dazu auch die Gegenmeinung: „Alltagsrassismus 2: Alles nur Theater?„
Natürlich darf er. Er darf alles, solange er nicht einen Juden verunglimpft, ihn als Projektionsfläche für extremistische Vorurteile missbraucht. Denn nur dann würde er die Schwelle zum Rassismus überschreiten. Einem jüdischen Künstler würde man dies noch verzeihen. Ebenfalls sieht man es den deutsch-türkischen Komödianten wie Kaya Yanar und Bülent Ceylan nicht nach, wenn sie über die Gebühr gängige Klischees – vor allem der türkischen Gemeinschaft in Deutschland – aufgreifen, um sie im Licht ihrer Kunst vollends zu verhöhnen. Damit erhärten sie natürlich Vorurteile oder schaffen sogar neue. Aber da wir lachen, stößt sich niemand daran. Pathetischer drückt dieses Problem Friedrich Nietzsche aus: „Nicht durch Zorn, sondern durch Lachen tötet man.“ Getötet wird hier zwar nicht, aber man trägt zu einer unfriedlichen, vorurteilsvollen Denkrichtung bei, die Deutschland nicht gut tun kann.
Rassismus findet woanders statt
Noch geht man hierzulande zu undifferenziert mit dem Thema Rassismus um: Wo Rassismus vorliegt, ist keine Klage und wo eine Klage, da kein Rassismus.
Doch der Rassismus spielt selten auf den Brettern der Theaterbühne, selten in der apollinischen Kunst, sondern findet längst auf den facettenreichen Bühnen des Lebens statt. Ganze Gesellschaftsgruppen werden in einem sehr erfolgreichen Buch zerrissen, Menschen mit Migrationshintergrund werden – bei gleicher Qualifikation – vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Lassen wir also die Kunst Kunst sein und kümmern wir uns um die Dinge, die wirklich unser gemeinsames Zusammenleben in Deutschland gefährden. Und hierzu gehört zunächst: der alltägliche Rassismus in seinem alltäglichen Gewand. Aktuell Meinung
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Lieber Herr Demir,
Ich muss Ihnen leider widersprechen, was die Anstößigkeit der Verwendung des ‚blackface‘ angeht. Sie werden mir sicherlich zustimmen (und das haben Sie in Ihrem Artikel schon an mehreren Stellen getan), wenn ich sage, dass ‚blackface‘ dort angewendet wird, wo man Schwarze keine eigene Stimme haben lässt. Und da dies leider in unserer Gesellschaft der Normalzustand ist (man sieht in den Medien kaum Schwarze), kann ich sehr gut verstehen dass sich schwarze Deutsche verunglimpft fühlen. Sie könnten zu diesem Thema Google bemühen und sich zum Beispiel die Diskussion um Günter Wallraffs ‚blackface‘ durchlesen, der auch in guter Intention (wie er behauptet), eine ’schwarze‘ Geschichte erzählen. Dass er dazu aber nicht einen Schwarzen mit versteckter Kamera begleitet hat, sondern sich schwarz ‚angemalt‘ hat ,lässt vermuten, dass er dachte, er (als Weisser) könne einfach mal so in die Haut eines anderen schlüpfen und aus seiner Sicht erzählen. Das was Herr Wallraff getan hat, war ein Akt des Privilegs. Er (als Weisser) hat das Privileg, sich für eine bestimmte Zeit als Schwarzer zu verkleiden, kann aber jederzeit wieder weiss werden. Menschen, die das nicht können, werden Tag für Tag damit konfrontiert „anders“ zu sein, anders auszusehen, anders von der (weissen) Mehrheitsbevölkerung wahrgenommen zu werden. Die Diskriminierungserfahrungen müssen nicht erst von einem Weissen erzählt werden, um sie relevant oder schockierend zu machen. Sie sind das, was viele Menschen tagtäglich erleben.
Wenn sich also Menschen diskriminiert fühlen, weil sich ein Weisser schwarz anmalt und auf die Bühne stellt ,ist das meiner Meinung nach ein völlig berechtigtes Gefühl dass ihnen niemand absprechen sollte. Schon gar nicht auf dieser Plattform.
Hier noch was zu den Hintergründen http://black-face.com/
Haben sie die Argumentation der Blackface-Gegner verfolgt und sich über die Tradition des Blackfacings belesen, Herr Demir? Ein bisschen mehr Differenziertheit würde an dieser Stelle nicht schaden.
Das Migazin kann es wohl nicht ertragen, dass auch andere Gruppen von Rassismus sein können. Hier schafft man ja sogar, die Wulf-Debatte zu nutzen, um sich in der gewohnten Opferrolle zu suhlen.
Pingback: Alltagsrassismus: Alles nur Theater? – „Ich bin nicht Rappaport“ von Dieter Hallervorden | Migration und Integration in Deutschland | MiGAZIN
Unfassbar, wie verrückt diese Political Correctness in Deutschland geworden ist…das hier ein solcher alter Hut aufgegriffen werden muss, um den Hass auf Deutschland und die Ungerechtigkeit gegenüber Ausländern zu fördern, ist echt traurig! Wir haben genug wirklichen Rassismus in Deutschland…da muss man sich hier nicht über soetwas auslassen!!