Rechtsterrorismus

Entnazifizierung 2.0

Nach den Mordanschlägen durch Rechtsextreme wird gefordert, den Kampf gegen Rechts aufzunehmen und auszuweiten. Dies wird nicht ausreichen, ist Kamuran Sezer überzeugt. Vielmehr muss die deutsche Gesellschaft hinterfragt und auf den Prüfstand gestellt werden. Teil 1.

Von Kamuran Sezer Mittwoch, 16.11.2011, 7:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 16.11.2011, 1:59 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Es ist ein ungeheuerlicher Akt, der die Öffentlichkeit und Politik erschüttert hat und das Misstrauen insbesondere der türkischen Bevölkerung gegenüber der deutschen Mehrheitsgesellschaft nach den Anschlägen in Mölln (1992) und Sollingen (1993) vom Neuen entfacht hat.

Drei Rechtsextreme haben sich vor über zehn Jahren in den Untergrund abgeseilt und haben mit neonazistischem Unterstützernetz mindestens zehn Menschen gezielt hingerichtet. Es waren gezielte Hinrichtungen – anders kann man die Taten bisher nicht bezeichnen.

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Alleine dieser Umstand ist ein Skandal unermesslichen Ausmaßes und ein riesiger Imageschaden für Deutschland, das aufgrund seiner Geschichte im empfindlichen Blickfeld der internationalen Gemeinschaft steht.

Nun haben sich in den vergangenen Tagen die Hinweise verdichtet, dass der deutsche Verfassungsschutz in dieser Sache im besten Fall versagt und im schlimmsten Fall verwickelt war. Dies ist die größte anzunehmende Katastrophe für einen Rechtsstaat – insbesondere für den Deutschen. Wieso?

Die Machtübernahmen durch die Nationalsozialisten in der Weimarer Republik und die Einrichtung einer nationalsozialistischen Diktatur erforderte und führte zu einer Verankerung ihrer Hassideologie in die institutionellen Strukturen der damaligen Gesellschaft, die auch im Nachkriegsdeutschland und darüber hinaus wirkte – trotz der so genannten Entnazifizierung der damaligen Gesellschaft.

Nun wäre es überzogen, trotz dieser ungeheuerlichen Akte und nach gegenwärtiger Informationslage dem Verfassungsschutz oder sonst einem anderen rechtsstaatlichen Organ eine Nähe zum Nationalsozialismus zu unterstellen. Es wäre jedoch weder neu noch überraschend, wenn der Verfassungsschutz und andere rechtsstaatliche Organe heute noch die eigene Geschichte und historische Rolle im Nationalsozialismus verdrängen.

Eine zur Amtszeit von Joschka Fischer eingesetzte Historikerkommission zeigte auf, wie sehr das Außenministerium in die Verbrechen der Nazidiktatur verwickelt war. Erst 2010 wurden die Ergebnisse an den ehemaligen Außenminister übergeben, der über die Studie erschüttert war.

In den 1990er Jahre, also nach mehr als 50 Jahren nach der NS-Diktatur, wurde aufgearbeitet, welche Rolle die Industriebetriebe und Banken im Nationalsozialismus gespielt haben. Fast jedes Unternehmen und jede Bank beschäftigten unzählige Historiker, die aufklären sollten. Und Erschreckendes wurde zutage gefördert. Nicht nur Zwangsarbeit – Banken, Versicherungen und Industrieunternehmen haben sich am Leid der Menschen bereichert, Eigentümer, Policen und Erspartes einbehalten.

Wenn nun – wie erwartet – eine Kommission eingerichtet wird, die untersuchen soll, ob und inwiefern der Verfassungsschutz und sonstige rechtsstaatliche Organe versagt haben oder gar verwickelt gewesen sein sollen, dann dürfen nicht nur diese Fragen im Vordergrund stehen:

  • Wurden die drei Rechtsextremen durch den Verfassungsschutz oder einem anderen rechtsstaatlichen Organ unterstützt oder begünstigt – sei es durch bewusstes Ignorieren? Es darf nicht übersehen werden, dass die Morde mit innertürkischen Konflikten aber nicht mit rechtsextremen Motiven in Verbindung gebracht wurden?
  • Wie haben sich diese Rechtsextremen finanziert, ihren Lebensunterhalt bestritten?
  • Wie haben sie ihre Taten geplant? Die Blutspur der Täter über viele Jahre und quer durch die Republik drängt auch zur Frage, ob die Täter die föderalen Strukturen genutzt haben, um Ermittlungsarbeiten zu erschweren und Spuren zu verwischen? Wenn ja, waren diese drei Täter überhaupt in der Lage solches strukturelle Wissen strategisch zu durchdenken und anzuwenden?
  • Wieso haben die Ermittler rechtsmotivierte Taten ausgeschlossen? Gab es nur akute Hinweise darüber, dass die Taten aus innertürkischen Konflikten resultierten? Wurden rechtsradikale Motive bewusst ausgeschlossen, um den Ruf Deutschlands im Ausland nicht zu schaden?

Nicht nur diese Fragen sind relevant und akut! Der Verfassungsschutz und andere Organe müssen auch die Frage aushalten und beantworten, ob in ihrem Inneren Sympathieträger und Unterstützer für die rechtsextreme Hassideologie existieren? Und wenn ja, wie konnten sie Eingang in diese Institution finden?

Vor allem sollte der Verfassungsschutz diese schrecklichen und traurigen Ereignisse auch dazu nutzen, um ihre Rolle und Geschichte im Nationalsozialismus aufzuarbeiten und zu hinterfragen. Doch damit sind die Konsequenzen aus den zehn Hinrichtungen längst nicht am Ende!

Lesen im zweiten Teil von “Entnazifizierung 2.0”: Die multiethnische und -religiöse Gesellschaft heute ist ein Tatbestand. Man muss sie nicht mögen, man kann sie ablehnen oder sie ignorieren. Sie kann aber nicht mehr rückgängig gemacht werden! Und wenn – dann nur durch ausgrenzen, abschieben oder töten! Aktuell

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  1. Temper sagt:

    Diese Taten haben mit Deutschland nichts zu tun. Die heilige Schrift der Deutschen, das Grundgesetz, kennt keinen Terror, nur Selbstverteidigung ist erlaubt. Und dieses Trio hat mit Deutschland nichts zu tun, die nennen sich nur Deutsche und ziehen damit ein ganzes Land in den Dreck.
    Demnach muss man auch nichts Hinterfragen oder auf den Prüfstand stellen. Was wir brauchen ist mehr Bildung und Sozialarbeiter und vorallem mehr Chancengleichheit. Aus der Region wo die herkommen ist man ziemlich abgehängt und Perspektivlos.

  2. MoBo sagt:

    @ temper: „Diese Taten haben mit Deutschland nichts zu tun. Die heilige Schrift der Deutschen, das Grundgesetz, kennt keinen Terror, nur Selbstverteidigung ist erlaubt. Und dieses Trio hat mit Deutschland nichts zu tun, die nennen sich nur Deutsche und ziehen damit ein ganzes Land in den Dreck.“

    komisch, wenn Muslime sich mit genau denselben Argumenten vom Islamismus distanzieren glaubt ihnen aber keiner.

  3. H.Germann sagt:

    @Kamuran Sezer

    Selten habe ich einen so hetzerischen, aus übelst angehäuften Suggestivfragen bestehenden Text gelesen.

    Das Sie und Ihresgleichen hier auf MIGAZIN den Mord und Tod einer ganzen Reihe von Menschen dazu mißbrauchen, Ihr „Süppchen“ gegen den deutschen Staat, seine Verfassungsorgane, und die deutsche Mehrheitsgesellschaft zu kochen, kann man sich nur damit erklären,
    das Sie die Gelegenheit nutzen, deutsche Verfassungsorgane,die Personen und Organisationen wie Sie oder die türkisch-islamischen Verbände BERECHTIGT „auf dem Kiecker“ haben, zu diskreditieren und möglichst handlungsunfähig zu machen.

    Wird Ihnen aber nicht gelingen. Versprochen.

    Was die „multiethnische und -religiöse Gesellschaft“ (ich lege Wert auf die Feststellung, das wir eine multiethnische, aber keine religiöse Gesellschaft haben, das hätten Sie wohl gerne) angeht, lassen Sie sich gesagt sein, das diese Gesellschaft eine demokratische ist, und ihre Gesetze auch demokratisch verändern kann.

    Und daher kann man die multikulturelle Gesellschaft auch verändern, durch Gesetze, die übrigens dann für JEDEN gelten, der in diesem Land lebt.

    Ohne Ausnahme.

    Es bleibt dabei: Probleme (und nicht gerade wenige) gibt es zum größten Teil mit einem nicht kleinen Teil unserer Bevölkerung mit islamischer Religionszugehörigkeit. Wer dies bestreitet. lügt oder beschönigt.

    Die Probleme gilt es, zu lösen, in unser aller Interesse.

    Durch Gesetze und deren Anwendung und Durchsetzung.
    Ohne Ausnahmen für irgendwelche Kulturen oder Religionen.
    Durch klare Benennung und Ansprache, auch im Dialog.

    Und wer sich auf Dauer hier nicht integrieren will, für den gilt das, was
    Sigmar Gabriel erst kürzlich auf einer Sitzung eines SPD Ortsverbandes klar gesagt hat:

    „Wer in der 2. oder 3. Generation hier Türke oder Araber bleiben will und nicht Deutscher ,der hat sich in der Wahl seines Wohnsitzes geirrt..“

    Wer das trotzdem will, der wird von uns ausgegrenzt, genau wie wir Neo-Nazis selbstverständlich ausgrenzen, und, wenn möglich, abgeschoben.

    Aber NICHT körperlich angegriffen oder getötet.

    Merken Sie sich das, Herr Kamuran !

    P.S. Dieser Beitrag wurde von mir aus Sicherheitsgründen
    dokumentiert.

  4. delphin sagt:

    „Entnazifizierung 2.0 “

    Krasse Überschrift… frage mich nur, warum die halbe Welt in das Land der Nazis strömt, um Arbeit anzunehmen oder die Hand aufzuhalten. Sind die alle lebensmüde oder Masochisten? Oder böswillig fehlinformiert durch Lügenpropaganda der deutschen Auslandspresse? Hoffen wir nur, dass hier kein böser Effekt dabei entsteht: wenn einem Volk dauerhaft irgendwas eingeredet wird, dass es dann eines Tages nicht wirklich so wird.

  5. Sinan A. sagt:

    Wenn man alle Internet-Kommentatoren, die sich jetzt einschlägig äußern – wie zum Beispiel dieser Tempelritter hier – in einer Datenbank sammeln würde, hätte man für die nächste Zelle die richtige Spur.

    Die DVD hat gezeigt, die Nazis sind längst in der Moderne angekommen. Das ist die gleiche Kundschaft. Der Mörder von morgen ist unter den jüngeren Kommentatoren im Netz zu finden.

  6. Zensus sagt:

    „Lesen im zweiten Teil von “Entnazifizierung 2.0”: Die multiethnische und -religiöse Gesellschaft heute ist ein Tatbestand. Man muss sie nicht mögen, man kann sie ablehnen oder sie ignorieren. Sie kann aber nicht mehr rückgängig gemacht werden! Und wenn – dann nur durch ausgrenzen, abschieben oder töten!“
    Herr Sezer sollte zur Kenntnis nehmen, daß Deutschland ein demokratischer Staat ist. Wenn in einer Demokratie die Gesetze dahingehend demokratisch geändert werden, daß sich eine geänderte gesellschaftliche Entwicklung ergibt, dann muß man das nicht mögen, aber als Demokrat anerkennen. Andernfalls gehört man nicht in einen demokratischen Rechtsstaat. Alles kann rückgängig gemacht werden.

  7. M.Liberalos sagt:

    @H.Germann

    leider muss ich mich immer wieder schämen, in einer derart fremdenfeindlichen Gesellschaft zu leben, wie es die Deutsche ist. Ihre Antwort, Hr.Germann (sicher ein bewusstes Pseudonym für Ihre stramme deutsch-nationale Haltung) ist dafür exemplarisch. Auf die durchaus klugen Einlassungen von Herrn Sezer (vor allem in Bezug auf die unerträglichen Unterlassungen und Schlampereien im Laufe der Ermittlungen insbesondere durch den Verfassungsschutz und die furchtbaren Vorab-Verdächtigungen der türkischen Opfer in Richtung Kriminalisierung), fallen Ihnen nur tumbe Beschuldigungen a la Sarrazin ein, um unsere muslimischen Mitbürger in den Dreck zu ziehen. Leider sind diese Unbelehrbaren wie Sie in unserer Gesellschaft nur zu ertragen, denn verändern werden sich diese nicht einmal durch kluge “Gesetze“.
    Ich bin übrigens Deutscher seit vielen Generationen und hoffe das wir irgendwann in “einer“ friedlichen Welt leben.

  8. Michael Klein sagt:

    @H. Germann!
    Sie verunreinigen mit Ihrer üblen Hetzerei nicht nur diesen Blog, sondern auch unser Deutschland! Sie sollten sich in Grund und Boden schämen, sofern Sie dazu überhaupt in der Lage sind, was ich stark bezweifel! Pfui Teufel!!!!!!!!!!!

  9. H.Germann sagt:

    @ M.Liberalos @ Michael Klein

    Ich vermisse in Ihren Beiträgen eigentlich Gegenargumente,
    Widerlegungen, Substanz, anstatt der üblichen,Beschimpfung.

  10. Michael Klein sagt:

    Was haben denn Sie für Gegenargumente außer rechtslstigem Stammtischniveau und braunem Abfall? Nichts, aber auch gar nichts!