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Verzockt und Verjubelt

Spielsucht unter Migranten auf dem Vormarsch

Spielsucht unter Migranten ist in den letzten Jahren zu einem ernsthaften Problem geworden, doch viele Politiker versagen bei diesem Thema und fordern sogar einen Ausbau des Glücksspiels. In den Communities herrscht seltsame Ruhe.

Von Montag, 10.10.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 26.10.2022, 18:29 Uhr Lesedauer: 7 Minuten  |  

Wer einmal einen Blick in die Migrantenviertel dieser Republik wirft, wird neben den vielen Dönerbuden und Gemüseläden seit einiger Zeit immer mehr bunt beleuchtete Wettstuben und Spielhallen vorfinden, die seit einigen Jahren wie Pilze aus dem Boden schießen.

Da wo bisher Leerstände die Flucht des Handels aus diesen Stadtteilen traurig dokumentierten, finden sich mittlerweile ganz neue Mieter mit so fantasievollen Namen wie „Little Las Vegas“ oder „Bet 2000“ wieder, die Abend für Abend hunderte, vorwiegend türkisch-, kurdisch-, und arabischstämmige Männer im jungen und mittleren Alter in ihren Bann ziehen.

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Kein Wunder, die Zeiten, in denen man in grau-hässlichen Räumlichkeiten seine Tippscheine einreichen konnte, sind längst vorbei. Heute ist ein Wettbüro neben Zockereiverwaltung gleichzeitig türkisches Café und Freizeitzentrum mit riesigen Flachbildschirmen und gratis Pay-TV in einem, wo man seine Wettscheinchen gleich noch live im TV vergleichen kann. Nicht selten hängen auch Jugendliche in diesen Läden ab, kontrolliert wird hier selten.

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Ein verlockender Gedanke: wenig Einsatz am Anfang, viel Kohle am Ende
Die Betreiber solcher Wettstuben locken mit Gewinnen im sechsstelligen Bereich, wenn man schon wenige Euro einsetzt. Leider bleibt es bei einigen Hobbyzockern nicht bei den wenigen Euro an Einsatz, sie setzen mehr ein. Zu verlockend ist der Gedanke, mit wenig Geld ganz viel Geld zu machen, besonders wenn Bares zuhause knapp ist, weil man gerade arbeitslos ist oder weil hohe Schulden die persönliche Situation verschärfen.

Erdal (Name geändert) ist mittleren Alters und hat eine fünfköpfige Familie zu versorgen, ist seit einigen Jahren arbeitssuchend und lebt von dem, was Hartz IV und Kindergeld zusammenbringen. Seit vielen Jahren besucht er regelmäßig das „Megawett-Center“ in der Ahlener Innenstadt, in dem locker 100 Leute Platz haben.

„Was soll ich auch sonst machen?“ antwortet er mir, als ich ihn darauf anspreche. „Für mich ist das hier wie Geld verdienen. Einmal hatte ich 1.000 Euro gewonnen, mit gerade mal 2 Euro Einsatz. Das war richtig toll“, schwärmt mir Erdal vor. Auf meine Frage, ob seine Familie etwas von dem Geld hatte, gibt er mir nur zögerlich Auskunft.

Erdal „investiert“ in Tippscheine und sitzt bald im Dunkeln
Hinterher erfahre ich, dass er diese 1.000 Euro zum Teil in weitere Wetten „investiert“ bzw. die Spielautomaten in der benachbarten Spielhalle sinnlos gefüttert hat. Nebenbei bekomme ich noch mit, dass wohl demnächst zuhause der Strom abgestellt wird, wenn nicht bis kommende Woche die Rechnung bezahlt wird.

Solche Fälle wie Erdal gibt es viele. Innerhalb der türkischen Community redet man nicht gerne über diese Problematik, denn sie berührt ein lange tabuisiertes Thema, die krankhafte Spielsucht unter Migranten. Verniedlichend wird gerade unter den jungen Leuten von einem „Hobby“ gesprochen, dem man genauso nachgeht, wie das Fußballspielen in der Kreisliga, in der Hoffnung vielleicht bald das „schnelle Geld“ zu machen.

Interessanterweise scheint gerade in einer muslimisch geprägten Gesellschaft das Thema „Spielsucht“ ein ernsthaftes Problem darzustellen. Suchtexperten schätzen den Anteil von Migranten an der Gesamtzahl von c.a. 500 000 der akut gefährdeten Personen bzw. süchtigen Personen in Deutschland auf etwa 40 Prozent – ein hoher Wert.

Das Thema scheint aber weder bei den zahlreichen Migrantenselbstorganisationen, noch bei der Politik eine prominente Rolle zu spielen.

Gesundheitsministerium lobt die Arbeit der Suchtberatungsstellen
Auf meine Anfrage an das NRW-Gesundheitsministerium, wie man denn auf die zunehmende soziale Verelendung ganzer Stadtviertel durch Spielhallen und Wettbüros im Rahmen der Suchtpolitik reagiere, kam lediglich ein Verweis auf die Arbeit der Suchberatungsstellen wie die „Landesfachstelle Glücksspielsucht“ und die Beratungsstellen der Kirchen, die ja alle hervorragende Arbeit machen würden.

Gewiss, dass diese Stellen hervorragende Arbeit leisten, mag stimmen, ob sie mit ihren Angeboten an die Migrantencommunities herankommen, ist aber eine andere Frage. Viele Betroffene, die sich selbst auch nicht als „süchtig“ sehen, dürften von der Existenz dieser Stellen nicht einmal ahnen. Das wäre etwas anderes, wenn die örtlichen Migrantenselbstorganisationen und Vereine (auch Moscheegemeinden und Sportvereine) da mit der lokalen Suchtberatung zusammenarbeiten würden, gerade zum Zwecke der Aufklärung.

Die Politik übrigens darf sich nicht nur darauf verlassen, dass die Suchtberatung vor Ort so toll funktioniert, denn der Gang zur Beratungsstelle erfolgt meistens, wenn es schon (fast) zu spät ist. Gerade Gesundheitspolitiker müssten ein gesteigertes Interesse daran haben, dass sich dieser Umstand schleunigst ändert. Leider ist davon öffentlich wenig zu vernehmen.

Glücksspiel-Lobby leistet ganze Arbeit in den Parlamenten
Im Gegensatz dazu meldet sich die Glücksspiel-Lobby lautstark zu Wort. Während der Staat durch die Veranstaltung von Lottospielen und auch Sportwetten für sich ein Monopol beansprucht, fühlen sich private Anbieter dadurch massiv benachteiligt.

Der Grund: Während der Staat am Glücksspiel selbst verdient und diese Gelder z.B. auch in Jugend- und Sportförderung rein steckt, landen die Einnahmen der Privaten bei den Betreibern selbst. Oftmals auch ohne einen Cent Steuern zu zahlen, weil die Firmen ihren Hauptsitz auf so idyllischen Fleckchen wie „Isle of Man“ oder „Jersey“ haben, wo Steuern allerhöchstens im Fremdwörterlexikon auftauchen.

Derzeit laufen mehrere Gerichtsverhandlungen auf Landes- und europäischer Ebene, in denen staatliche Stellen die unliebsame private Konkurrenz deshalb ganz verbieten möchten. Auch weil angeblich zu wenig auf die Gefahren der Spielsucht hingewiesen wird.

Die Fans der totalen Liberalisierung des Glücksspiels in Deutschland fordern dagegen eine völlige Freigabe von Sportwetten und Co. Vorreiter darin ist die schwarz-gelbe Landesregierung in Schleswig-Holstein, die mit ihrem jüngsten Gesetzesentwurf zur völligen Liberalisierung von Glücksspielen aus dem platten Land zwischen den Meeren eine Art „nordisches Las Vegas“ machen möchte.

Nur zu blöd, dass jüngst herauskam, dass sich führende Politiker der Kieler Regierungsparteien von der Glücksspiellobby zu einer „Fachkonferenz“ auf der Promi-Insel Sylt, zu „wichtigen Gesprächen“ einladen ließen. Bananenrepublik lässt grüßen.

Derzeit streiten die anderen Bundesländer noch darum, wie man künftig mit dem Glücksspiel umgehen soll. Dabei gibt es Überlegungen, in Deutschland spezielle Lizenzen für Sportwettenanbieter zu vergeben. Auch in NRW steht die Diskussion um die gesetzliche Ordnung des Glücksspiels und der Sportwetten auf der Agenda. Ende offen. Gesellschaft Leitartikel

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  1. Non-EU-Alien sagt:

    …traurig aber wahr…

  2. Kosmopolit sagt:

    http://www.istanbulpost.net/09/09/01/stille.htm
    Was ist denn schon dabei?
    Spielsucht unter Türken
    Das sind Erbschaften, die kein Mensch braucht.

  3. AHA sagt:

    Diese scheiss Dinger sprießen an jeder Ecke aus dem Boden. Ich halte auch nichts davon auch wenn ich kein Migrant bin.

  4. Ben sagt:

    Als erwachsener Mensch sollte man in Deutschland eigentlich selber bestimmen dürfen, wofür man Geld ausgibt. Vom letzten Geld was der Dispo hergibt, kann man ja auch Lottospielen bis der Arzt kommt… – geht niemanden was an.

    Der Staat soll/darf/muss sich darum kümmern, daß Minderjährige nicht zocken und man in den Wettbüros nicht besch… wird – das war`s dann aber auch !

  5. Ali sagt:

    Lieber Ben,
    bei aller Sympathie für den liberalen Bürgergedanken kann ich nicht darüber hinweg sehen, dass eine zunehmende Ausweitung von Glücksspielen in unseren sozialen Brennpunkten dieser Republik zu einer sozialen Katastrophe führt, deren Folgekosten für diese Gesellschaft unüberschaubar wären. Ich finde es deshalb nur logisch, dass der Staat die Ausbreitung von Wettbuden eindämmt und zudem verstärkt in die Aufklärung investiert.

    Obschon ein totales Verbot toll wäre, würden schon Auflagen bei der Errichtung solcher Buden (nicht im Umkreis von Schulen und Wohnvierteln; totale Transparenz der Einnahmen, Versteuerung von Einnahmen in Deutschland etc.) von selbst dafür sorgen, dass ein großer Teil dicht macht. Augen zu machen und den liberalen Traum träumen ist fahrlässig! Süchtige Menschen haben nun mal nicht die Wahl zu zocken oder nicht, denn sie sind krank und benötigen Hilfe.

  6. vanHelsing sagt:

    @ Ali

    Wissen Sie, wo gespielt und gezockt wird?
    In den Hinterzimmern türkisch/kurdisch/libanisischer (u.s.w.)
    sog. „Kulturvereine“. Erst vor wenigen Wochen fand in Düsseldorf wieder erfolfreich eine Razzia statt.

  7. Sebastian sagt:

    Es stimmt sicher, dass Spielsucht für kleine Teile der Bevölkerung ein Problem ist, aber wenn man die Wettbüros einfach verbieten möchte, hilft das gar nicht. Die Leute wetten dann einfach in der Illegalität und verstecken ihre Sucht noch mehr.
    Ein geordneter, Konzessions-gesteuerter und regulierter Wettbüro Markt wäre für alle das beste!

  8. Robert Burton sagt:

    Das beste Medikament gegen Spielsucht wäre wohl ARBEIT !
    Aber solange sich Erdal & Co darauf verlassen können,dass der Staat (also auch ich) die Stromrechnung bezahlen (die armen Kinderlein müssten ja sonst frieren),geht die Zockerei munter weiter.
    Im Kleinen wie im Großen : Gewinne werden privatisiert,Verluste sozialisiert.
    Es ist eine Frage von Anstand und Ehrgefühl,dass man seine Kinder durch eigener Hände Arbeit ernährt.Und genau daran mangelt es offensichtlich vor Allem in moslemischen Einwandererkreisen.

  9. Erich sagt:

    „Interessanterweise scheint gerade in einer muslimisch geprägten Gesellschaft das Thema „Spielsucht“ ein ernsthaftes Problem darzustellen.“

    Wenn Sarrazin so etwas feststellen würde, gäbe es einen Aufruhr in der Republik. :o)

  10. Hisham sagt:

    Das Problem liegt doch anders: Viele junge türkischstämmige Männer glauben, dass sie durch die Zockerei zu Geld kommen können und vernachlässigen deshalb Schule und Ausbildung.

    Wer einen guten Schulabschluss und einen geregelten Job hat, wird viel weniger in Versuchung kommen, zu zocken.

    Was tut z.B. Kenan Kolat von der Türkischen Gemeinde dagegen? Warum macht er das Problem nicht öffentlich? Warum schweigt das Zentrum für Türkeistudien? Ohne Ehrlichkeit in der türkischen Community wird das Problem nur schlimmer.