Critical und Incorrect

Von Warnern und Verharmlosern – Experten und die Bildungselite

Inzwischen müssen sich Verteidiger von Islam und Muslimen gar für ihr „Gutmenschentum“ rechtfertigen, während es zum guten Ton zu gehören scheint, Vorbehalte gegenüber Islam und Muslime zu hegen.

Von Donnerstag, 30.06.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 04.07.2011, 1:54 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

„Europa ist nicht mehr Europa, es ist Eurabien, eine Kolonie des Islam, wo die islamische Invasion nicht nur physisch voranschreitet, sondern auch auf geistiger und kultureller Ebene. Unterwürfigkeit gegenüber den Invasoren hat die Demokratie vergiftet, mit offensichtlichen Konsequenzen für die Gedankenfreiheit, und für das Konzept der Freiheit selbst,“ schreibt die Granddame der italienischen Intellektuellen aus New York Oriana Fallaci 2005. Allgemein gilt die Regel, dass rassistische Einstellungen mit zunehmender Bildung abnehmen. Dies trifft auf Antisemitismus und Islamfeindlichkeit nicht zu. Inzwischen müssen sich Verteidiger von Islam und Muslimen gar für ihr „Gutmenschentum“ rechtfertigen, während es zum guten Ton zu gehören scheint, Vorbehalte gegenüber Islam und Muslime zu hegen.

In diesem Zusammenhang werfen die Auszeichnungen für den Publizisten Henryk M. Broder ein Licht auf den intellektuellen Zustand der Republik. Während die Entscheidung für die Verleihung des Ludwig-Börne-Preises an Broder die Tat eines Einzelnen war, Helmut Markwort, [inzwischen ehem.] Chefredakteur des Focus, wird er als Sachverständiger für Antisemitismus am 16. Juni 2008 in einen Parlamentarischen Ausschuss des Bundestages geladen. Dort wendet er eine so verallgemeinernde Definition von Antisemitismus an, dass dieser wirklich droht, irrelevant zu werden, weil er überhaupt nicht mehr greifbar wird. Die Verleihung des Hildegard-von-Bingen-Preises durch die Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz, in deren Kuratorium neben den anderen alten Preisträgern aus dem journalistischen Milieu auch wieder Helmut Markwort sitzt, und die Begründung des Kuratoriums lenkt erneut das Augenmerk darauf, wie eine gebildete Schicht den Umgang mit einzelnen Themen einschätzt.

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Laut dpa-Meldung vom 13.September 2008 anlässlich der Verleihung in Mainz erhielt er den Preis aus folgendem Grund: „weil er mit Scharfsinn und Humor analysiert, Klartext redet und schreibt, heiße Eisen anpackt und auf seine unverfälschte Art direkt und ausgesprochen deutlich seine Beobachtungen und Kommentare verfass[t]“, heißt es in einer Mitteilung des Kuratoriums, das den Preis vergibt. Die Palette seiner Themen sei breit und umfasse beispielsweise die Juden in Deutschland, den modernen Antisemitismus sowie die bürgerlichen Freiheiten der westlichen Welt und einen fundamentalistischen Islam. Broder sei „ein Beobachter und Kommentator von Gnaden. Nie langweilig, oft hochvergnüglich und immer erhellend.“

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus “Antise- mitismus und Islam- ophobie – ein Ver- gleich” von Sabine Schiffer und Con- stantin Wagnerr.

Damit sind dann auch die Warnungen vor einer „Islamisierung“ und der „Lust am Einknicken“ vor Islam und Muslimen gemeint sowie seine antiiranische Kriegspropaganda, worauf auch seine Dankesrede subtile Hinweise bietet. Auch die Übernahme antisemitischer Motive und Topoi in den antiislamischen Diskurs sowie seine Nazi-Verbalia werden damit für legitim und mehrheitsfähig erklärt. So auch anlässlich des 70sten Jahrestages der Reichspogromnacht am 9. November 2008 in Nürnberg, wo er stehende Ovationen dafür erhält, dass er es den Menschen erlaubt, wieder jemanden zu hassen: unter dem Vorwand des Schutzes für die Juden und Israel, müssten Iran und Islam bekämpft werden – dass die Warnung vor einem „atomaren Holocaust“ nicht den üblichen Aufschrei von der Verharmlosung des Nationalsozialismus hervorruft, ist bezeichnend und besorgniserregend.

Seine verallgemeinernde Fallsammlung muslimischer Verfehlungen dürfen er sowie der ehemalige FAZ-Redakteur Udo Ulfkotte & Co. auf allen gesellschaftlichen Ebenen verbreiten. Und hier liegt ein wichtiger Unterschied im Vergleich zum heutigen Umgang mit Antisemitismus. Letzterer ist von offizieller Seite verpönt, wie dies Matti Bunzl detailliert am Beispiel Österreichs herausarbeitet. Im 19. Jahrhundert war dies jedoch nicht der Fall – und gerade die Adelung der Thematik durch das sogenannte Bildungsbürgertum gab der antisemitischen Agitation im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Aufwind und vermeintliche Legitimation. Mit fast gleichem Namen wie damals versammeln sich heute auch ehemalige Ingenieure, Lehrer und viele andere unter dem Label „Bewegung“ [vgl.buergerbewegung.de] gegen den als gefährlich ausgemachten „Staat im Staate“. Aktuell Meinung

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  1. bla sagt:

    Henryk Broder ist wirklich vergnüglich zu lesen und zu hören. Manche Meinung kann man für seltsam halten, aber er äußert Sie mit mehr Witz als Fr. Schiffer.

    Der Sinn des Migazins erschließt sich für mich nicht so richtig und die Kritik an dem polnischen Migranten Broder auch nicht. „Ziel und Zweck von MiGAZIN ist die Förderung der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Partizipation von Migrant(inn)en in der Aufnahmegesellschaft.“ Warum gilt das vorzugsweise für Muslime und nicht für andere Menschen mit Migrationshintergrund wie Broder?

    Noch ein Wort zum Islam: Ich verstehe nicht, wie man sich mit dieser Religion beschäftigen kann, mit der Gestalt des Propheten Muhammad, mit dem Koran und dem Abrogationsprinzip, den Hadithen und der daraus abgeleiteten Scharia, sowie der Geschichte des real existierenden Islam bis heute und danach denken kann, dass der Islam nicht zu kritisieren ist.
    Egal in welchen theologischen Richtungen des Islams man sucht, man findet immer genügend, das sich als Anschauung nicht mit dem Grundgesetz unseres Staates vereinbaren lässt, in den Migranten nett und freundlich aufgenommen werden sollen.
    Es ist leichter mit Hindus, Animisten, Buddhisten, Atheisten, Christen. Da braucht es noch mehr Kommunikation an muslimische Migranten, dass Sie verstehen, dass es nicht in Ordnung ist, wenn man Tiere in Deutschland schächtet, auch wenn es ihrem Glauben entspricht. Leider wissen Sie, dass es illegal ist, aber es finden sich immer ein paar Bauern, die das ihnen ermöglichen gegen ein Entgelt. Da wünsche ich mir eine Aufklärung vom MiGAZIN, dass mein muslimischer Schwager, den ich sehr schätze, dass auch versteht.

  2. BiKer sagt:

    @ bla

    das schächten nach muslimischem ritual ist nicht verboten. das bundesverfassungsgericht hat es einem muslimischen metzger ausdrücklich erlaubt. also: immer ball flachhalten!

  3. Leila Irvanipour sagt:

    @Leo Brux

    „Wo ist also hier das Problem? Was hätte Frau Dr. Schiffer da Falsches geschrieben?“

    Es ist kein Problem, sondern Frau Dr. Schiffer startet ihre Ausführungen mit Behauptungen, die nicht die Realität abbilden. Niemand „muss“ sich rechtfertigen (bei wem überhaupt?) und es gehört schon gar nicht zum guten Ton der Bildungselite Vorbehalte gegenüber Islam und vor allem Muslime zu hegen. Ich verweise dazu noch einmal auf die Doku zum Feuilletonstreit von Heymat. Von taz bis Faz wird der „Fundamentalismus der Aufklärung“ angegriffen.

    Desweiteren ist die nachfolgende Behauptung von Frau Dr.Schiffer völlig aus der Luft gegriffen: „Allgemein gilt die Regel, dass rassistische Einstellungen mit zunehmender Bildung abnehmen. Dies trifft auf Antisemitismus und Islamfeindlichkeit nicht zu“

    Alle mir bekannten Studien belegen, dass mit zunehmender Bildung Antisemitismus und Islamfeindlichkeit abnehmen. Als Beispiel die FES Studie: „Die Abwertung der anderen“ S.95 ff
    http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_11/FES-Studie%2BDie%2BAbwertung%2Bder%2BAnderen.pdf

    Ich habe den Verdacht, dass Frau Dr.Schiffer einfach mal so eine Behauptung in den Raum stellt, die sie nicht belegen kann, aber sie als hilfreich für ihre Argumentationsführung betrachtet. Meinetwegen als Gegenpolemik zu Broder, dann sollte sie aber nicht als Wissenschaftlerin auftreten, sondern ins komische Fach wechseln.

    Leo Brux: „Faktum ist, dass man heute etwas darf, was früher als Volksverhetzung strafbar gewesen wäre: die medien-öffentliche Verhetzung einer Minderheit in Deutschland. “

    Nein, es ist eben kein Faktum, da Blasphemie (§ 166 StGB) und Volksverhetzung (§ 130 StGB) weiterhin strafbar sind. Es steht jedem frei, Anzeige zu erstatten oder eine Beschwerde beim Deutschen Presserat einzulegen Dem wird auch nachgekommen, z.B Muslim_Markten gegen taz.
    http://www.muslim-markt.de/Aktion/Sonstige/aktiongegentaz.htm
    Es ist allerdings häufig so, dass die Anzeigen oder Beschwerden nicht den gewünschten Erfolg haben, da das recht der freien Meinungsäußerung in einer Demokratie einen hohen Stellenwert haben müssen, solange sie nicht „den öffentlichen Frieden stören.“ Hier bringe ich der Staatsanwaltschaft und den Gerichten so viel Vertrauen entgegen, dass sie den Einzelfall besser beurteilen können als der interessierte Laie.

    • Leo Brux sagt:

      Leila Irvanipour,
      Sie würden also gewisse Aussagen zum Beispiel von Geert Wilders nicht als Volksverhetzung bezeichnen.
      Mein Maßstab ist, was man über Juden sagen darf – und was nicht.
      Was würde passieren, wenn jemand in den Medien über Juden so sprechen würde, wie es viele heute tun, wenn sie über Muslime sprechen? – Volksverhetzung. Antisemitismus. Das wären die berechtigten Vorwürfe.

      Das Problem ist wohl: Wenn die Hetze auf eine Minderheit eine Massenerscheinung und normal geworden ist, kann man juristisch nichts mehr dagegen tun. Dann würde es den öffentlichen Frieden mehr stören, die Hetze zu unterbinden, als sie laufen zu lassen. Den Zustand haben wir heute erreicht.

      In einem anderen Punkt muss ich Ihnen recht geben:
      Unter den Leuten, die man als höher gebildet bezeichnet, sind auch Islamfeindschaft und Antisemitismus deutlich geringer ausgeprägt.
      Bei der Sarrazin-Debatte hatte man gelegentlich einen anderen Eindruck, aber statistisch gesehen ist es so, wie Sie sagen.

      Was das „Rechtfertigen“ anbelangt, reden wir wohl aneinander vorbei.

  4. genau lesen sagt:

    vielleicht macht es keinen Sinn, einen Buchauszug hier abzudrucken, Blitzleser wie @LeilaIrvanipour und @bla sind offensichtlich nicht in der Lage, das überhaupt zu erkennen

  5. A.Bundy sagt:

    @Cengiz
    „Und zu Theo van Gogh: Der zumindest hat ja seine Strafe schon mal verdient, oder?“

    Sie widern mich an, sie Unmensch!

  6. Pete sagt:

    Zitat Cengiz:
    „Und zu Theo van Gogh: Der zumindest hat ja seine Strafe schon mal verdient, oder?“

    Aha?

    Derjenige dem ich diese Strafe hier ebenfalls wünsche – das schreibe ich lieber nicht.

    Interessant wer sich hier nach eigenem Bekunden bei den „Grünen“ herumtreibt (so jemand wie Cengiz). Da wird es doch HÖCHSTE Zeit das jede/r andere über dieses „Migazin“, die „Grünen“ und ihre neuen Mitglieder (Cengiz) informiert und aufgeklärt wird.
    Schade, dass solche Schmierblätter wie das hier wohl noch von der Regierung unterstützt werden. (Wohl ohne weiteres Mitwissen)

    MfG

  7. Neanderthaler sagt:

    Wenn hier eine so große Ansammlung von Wissen herscht, warum führen wir diese Diskussionen überhaupt noch? Ist doch alles gesagt. Die einen behaupten das Licht würde aus teilchen bestehen und die anderen sagen dass das Licht besteht aus Wellen. Und trotzdem weis niemand warum zufällig der Planet Erde die perfekten Bedingungen für das Leben aufweist. Ach stimmt ja die M Theorie, welche besagt, dass wir in einer Simulation leben und Opfer unserer Gedanken sind.Genetisch ist jeder Mensch gleich. Wie jede Blume eine Blune ist oder ein Hund ein Hund. Aber wer bischen was über die Evultion gelesen hat, der weis, dass jeder heutige Mensch die perfekte Mutation seiner Vorfahren ist, deswegen hat er ja bis heute überlebt, also die Gene. Ich würde es schade finden, wenn es nur Sonnenmlume auf der Welt geben würde und nur Männer. Ich glaube, dann würden wir uns jeden Tag bekriegen. Sieht doch mal die Veilfal als Reichtum an. Seit doch nicht so beschrenkt in eurem schwarz-weißen Denkprozess. Ihr werdet das Licht nicht eindeutig zuordnen können !!