Törens liberale Kolumne

Tal der Wölfe Palästina

Serkan Tören zur Absetzung des Films Tal der Wölfe Palästina: "Es geht mir weder um eine Bewertung des Verhältnisses Israels zur Türkei, noch um den tragischen Fall der Mavi Marmara oder darum, die Meinungsfreiheit mit zweierlei Maß zu messen."

Von Mittwoch, 26.01.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 28.01.2011, 2:30 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Ein neuer Actionfilm aus der Türkei sorgt in Deutschland für Empörung. „Tal der Wölfe – Palästina“ nimmt die Erstürmung der Gaza-Hilfsflotte im Mai 2010 durch die israelische Armee zum Ausgangspunkt seiner Handlung. Damals waren neun türkische Aktivisten ums Leben gekommen. Die teils mit Islamisten, teils deutschen und anderen ausländischen Politikern besetzte Flotte hatte versucht, die israelische Seeblockade des Gaza- Streifens zu durchbrechen.

Im Film beschließt die Hauptfigur, eine Art türkischer James Bond, die israelischen Verantwortlichen des Einsatzes zur Strecke zu bringen. Sein Gegenspieler ist ein grausamer israelischer Offizier, der auch vor Mord an palästinensischen Kindern nicht zurückschreckt. Offizieller Kinostart in Deutschland sollte der 27. Januar sein – der nationale Gedenktag an die Opfer.

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Einen solchen Film ausgerechnet an diesem wichtigen Gedenktag in Deutschland zu starten ist an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten. Dies ist besonders rücksichtslos gegenüber den Gefühlen der Opfer. Aus meiner Sicht bedient der Film antisemitisches Gedankengut. Die Meinungsfreiheit ist eines der wertvollsten Güter unserer Gesellschaft. Sie gilt auch für pauschale, aggressive und geschmacklose Darstellungen. Die Grenze ist aber dort erreicht, wo es nicht mehr um eine Diskussion, sondern um bloße Diffamierung und Ausgrenzung geht. Das dürfen wir insbesondere bei diesem Thema nicht zulassen. Die Konsequenzen für unsere Gesellschaft wären fatal.

Der Holocaust gehört zum kollektiven Gedächtnis Deutschlands dazu und ist Teil der Identität und des Selbstverständnisses dieser Gesellschaft. 60 Jahre nach Kriegsende und 50 Jahre nach dem ersten Arbeitskräfteabkommen ist es ein besonderes Unterfangen, die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands und die Shoah den nachwachsenden Generationen und insbesondere den Einwanderern nahe zu bringen. Gerade auf Jugendliche wirkt der Film extrem sozial desorientierend. Hier geht es schlichtweg um Provokation und die Vertiefung von Gräben.

Es geht mir weder um eine Bewertung des Verhältnisses Israels zur Türkei, noch um den tragischen Fall der Mavi Marmara oder darum, die Meinungsfreiheit mit zweierlei Maß zu messen. Die entscheidende Frage ist für mich, wie eine Erinnerungskultur in der Einwanderungsgesellschaft Deutschland auszusehen hat.

Die besondere Verantwortung für die Geschichte unseres Landes ist kein nationales Eigentum, sondern gilt für alle in Deutschland lebenden Bürgerinnen und Bürger. Aus meiner Sicht eben auch für Migrantinnen und Migranten.

Gerade bei jungen Einwanderern ist oft noch eine kritische Haltung zum Holocaust und zum Staate Israel zu beobachten. Ich möchte junge Migranten dazu ermutigen und auffordern, sich mit der Geschichte Deutschlands auseinanderzusetzen. Das ist für unsere Einwanderungsgesellschaft Pflicht und Chance zugleich, wertvolle Lehren zur Verhinderung von Diskriminierung, Rassismus und Ausgrenzung zu ziehen.

Dies ist eine große Herausforderung, der ich mich gerade als türkischstämmiger Deutscher und als liberaler Politiker stelle. Und genau das ist meine Motivation, mich klar gegen die Ausstrahlung des Filmes zu stellen. Gefordert sind die Kinobetreiber und die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft. Aktuell Meinung

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  1. @Manfred O.:

    Die Forscher gelangen zum Ergebnis, dass über die Islamfeindlichkeit hinaus auch Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit zugenommen haben.

    siehe: http://library.fes.de/pdf-files/do/07504.pdf

    Abgesehen davon: Ist Islamfeindlichkeit annehmbarer und erträglicher als Fremdenfeindlichkeit oder Antisemitismus!?

    Und seien Sie bitte – mit Verlaub – nicht naiv: Diejenigen, die Islamkritik und Islamfeindlichkeit propagieren und forcieren, bereiten den Weg für Phobien und Feindlichkeiten gegen andere (ethnische, religiöse) Gruppen vor.

    Einem jüdischen Freund sagte ich mal in Bezug zur fortschreitenden Islamfeindlichkeit scherzeshalber: Na, da kannst du dich als Jude mal bequem zurücklehnen.

    Seine Antwort werde ich nie vergessen, die da lautete: Wenn das Thema Islam „überwunden“ wurde, was denkst du, an welcher Tür eines Gotteshauses diese Menschen anklopfen werden!?

    Ich bin für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Islam, der offensichtlich nicht nur Friedliches in die Welt ausstrahlt. Es sollte aber verantwortungsvoll, umsichtig und im Hinblick auf die möglichen Konsequenzen weitsichtig geführt werden. Denunziative, pauschalisierende und stigmatisierende Beiträge gehören mitnichten dazu.

  2. Sciencia et Potencia sagt:

    Herr Tören,

    […] Denken sie wirklich, dass auch nur 1% der Türken hinter ihnen steht?

    Dass der Film an einem Gedenktag gezeigt werden wollte, war wohl ein PR-Streich, der auch funktioniert hat. Die FSK wusste das schon seit Monaten und hätte dies auch intern klären können. Aber nein, Deutschland braucht eben NOCH eine Diskussion.

    Hier ein Video über die Doppelmoral der westlichen Welt:

    […]

  3. Manfred O. sagt:

    @ Kamuran Sezer

    Ihr jüdischer Freund sagte das? Meine jüdischen Freunde sagen ganz etwas anderes. WER hat nun frecht ?

    Fragen Sie einmal Menschen jüdischen Glaubens z.B. in Dänemark, welche Gründe( und Personengruppen) sie dazu bewegen,das Land zu verlassen.
    Oder in den Niederlanden, wo man Ihnen mittlerweile anrät, dieses besser in Erwägung zu ziehen, weil sie in Zukunft nicht mehr in Frieden dort leben könnten.

    Und eine Ablehnung des Islam (sie nennen das Islamfeindlichkeit) ist auf Grund seiner diversen,negativen Erscheinungsformen,weltweit, z.B. die ungeklärte Position in Sachen Gleichberechtigung von Mann und Frau (lesen Sie dazu die islamische Charta des ZMD), oder die sehr zweifelhafte Trennung von Staat und Religion, durchaus richtig und notwendig.

    Zum letzten Abschnitt Ihres Beitrages:

    Sorry, aber es ist die mangelnde Fähigkeit bzw.der mangelnde Wille zur Selbstkritik, die mich da stört. Man ist immer Opfer, Schuld sind immer die bösen Kritiker (wenn es sich um Personen mit gleichem Herkunfts-bzw. Migrationshintergrund handelt = Nestbeschmutzer), man ist beleidigt,pauschal verurteilt,stigmatisiert, kurzgesagt OPFER .

    Aber in den so oft beschworenen DIALOGEN rückt man keinen Deut ab von seinen Positionen (hier sind insbesondere die Verbände zu nennen).

    Die islamischen – insbesondere die türkisch-islamischen Verbände helfen nicht bei der Integration der Menschen, die sie angeblich vertreten, nein, sie behindern sie, sie versuchen zu konservieren, und den „Ali-Normal-Muslim“ unter ihre Fittiche zu bekommen. Damit sie ihn bei Gelegenheit als Demonstrationsmasse nutzen können. Für ihre religiösen UND POLITISCHEN Zwecke.

  4. Inglerious Bastards, 1972 sagt:

    Was ist dann bitte mit den Romantikklassikern?

    „Inglerious Bastards“

    „1972“

    FSK, schäm dich! Bei soviel Leid der Palästinenser solche Filme zu zeigen.

  5. Sakir Kula sagt:

    Als Silvesters Stallone alias Rambo als Einzelkämpfer durch Vietnam zahlreiche „böse Vietamesen“ umbrachte, haben sie ihn im Westen als Held dargestellt. Obwohl jeder weiß, wer der Kriegstreiber war! Die USA und seine Mittäter, der Westen. Als Arnold Schwarzenegger in Eraser arabisch islamische Terroristen jagte und tötete, welche die Welt mit einer Atombombe bedrohten, war er der Held auf Erden. Nun bringen die Muslime einige Tatsachen in Israel ans Tageslicht, stellen die USA im allgemeinen mit der Wirklichkeit konfrontiert, schon protestiert die westliche Welt. Und verbietet diese Filme. Um bloß nicht Israel zu verärgern. Weil die jüdischen Lobbygruppen viel zu viel Macht haben in der westlichen Welt. Und wegen eines Verbrechen in Nazideutschland aus der Vergangenheit. Deshalb hat Israel ja einen Freifahrtsschein durch den Westen erhalten. Und darf munter weiter unschuldige Menschen töten. Vor allem muslimische Menschen. Aber nicht mit uns. Wir werden uns nicht den Mund verbieten lassen und werden alles offenlegen und die Menschen in Deutschland aufklären. Die Propaganda und die Doppelmoral beherrscht die westliche Welt immernoch am besten. In Israel werden tausenden unschuldige Menschen umgebracht, die Welt und der Westen schaut nur zu! Wird Kuweit von Irak besetzt, so eilt die westliche Welt zur Hilfe. Erdöl! Saudi Arabien wird mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht, aber der Westen treibt Handel mit Saudi Arabien und alles andere interessiert niemanden. Der Iran baut angebliche eine Atombombe, schon werden Angriffspläne geschmiedet. Tatsache ist, dass der Iran sich vom Westen nich ausschlachten lassen will. Deshalb wird Iran als Achse des Bösen bezeichnet. Der westliche Kapitalismus ist ja in Sachen Menschenrechtsverletzung Nr.1. Die Tage, wo die Muslime in Deutschland der Propaganda der westlichen Medien glauben, ist vorbei! Ich lasse mir nicht den Mund verbieten, auch wenn am anderen Ende Israel zur Debatte steht. Ich stehe sehr wohl für Völkerverständigung. Man erwartet es auch von den Muslimen! Zu Recht! Gerne! Aber warum darf der Westen mit Doppelmoral an die Sache rangehen, während angeblich die Muslime sich in den Westen nicht integrieren wollen, Terroristen sind, ungebildet und islamische Gottesstaaten gründen wollen!

    Mit freundlichen Grüßen
    Sakir Kula

  6. MüllerSchorsch sagt:

    „Und verbietet diese Filme.“

    Sehen Sie was Sie angerichtet haben, Herr Senol? KEIN MENSCH UND KEIN GERICHT HAT DIESEN FILM VERBOTEN! Aber die Leute interessiert es in ihrer Raserei einfach nicht. Vielleicht werden Sie sich ihrer journalistischen Verantwortung als Herausgeber und Chefredakteur von Migazin.de bewusst und berichten demnächst etwas differenzierter über die Dinge.

  7. @Manfred O.:

    Sie sind lustig! In meinem letzten Absatz fordere ich eine „kritische Auseinandersetzung mit dem Islam, der offensichtlich nicht nur Friedliches in die Welt ausstrahlt“.

    Und sie antworten mir, dass die muslimischen Einwanderer sich zu „beleidigten Opfern“ stilisieren, denen es an „Fähigkeit zur Selbstkritik“ mangelt.

    Ihre Antwort hinterlässt eher den Eindruck, dass die Fähigkeit zur konstruktiven Anschlussdiskussion wenig ausgeprägt ist. Ich kann das aber nachvollziehen…

    Rechtspopulismus funktioniert nur auf Grundlage von sozialen Konstruktionen, in diesen z.B. muslimische Verbände als Handlanger ausländischer Interessen konstruiert werden, die den „Ali-Normal-Muslim“ für ihre politischen und religiösen Zwecke vereinnahmen wollen.

    Dieser konstruktivistische Ansatz der Rechtspopulisten ist aber gut, weil sie auf diese Weise berechenbar werden: Kurzfristig erlangt er Deutungshoheit über das Thema, langfristig münden ihre Wortführer in die gesellschaftspolitische Marginalität ein, weil die demokratische Zivilgesellschaft in Deutschland auf lange Sicht besser funktioniert als viele anzunehmen scheinen.

    Eindrucksvolles Beispiel ist dabei weniger Sarrazin sondern viel mehr Necla Kelek, die vom politischen Establishment über Jahre hofiert wurde und nun feststellen muss, dass sie es in eine Situation geführt hat, die es peinlich berührt.

    Sie wird von der Friedrich-Naumann-Stiftung als zeitgenössische Vertreterin moderner Aufklärung mit dem Freiheitspreis 2010 gepriesen, um sodann festzustellen, dass sie in ihrer Dankesrede Postulate aufstellt, die den Grundsätzen der Stiftung widersprechen. Ein anderes schönes Beispiel in diesem Zusammenhang ist die FDP in Hessen (Stichwort: Neujahresrede) oder der so genannte „Muslim-Test“ in Baden-Würrtemberg.

    Dieser Teil des Establishment ist Opfer seiner eigenen Vorurteile gegenüber „Muslime“ und „Ausländer“, wodurch sie Geister beschwören, die sie nicht nur loswerden sondern auch ihre eigene Daseinsberechtigung attackieren.

    „WER hat nun frecht ? (sic!)“

    Wissen Sie was, ich gebe Ihnen in allen Ihren Ausführungen Recht!

    Die Demokraten und Pädagogen unter den LeserInnen werden es verstehen, warum ich dies tue.

  8. Johannes Kruyskamp sagt:

    Wo waren alle Kritiker dieses Filmes als israelische Soldaten das Massaker auf der „Mavi Marmara“ begingen ? Wo waren sie als diese Soldaten binnen weniger Tage 1400 Menschen in Gaza ermordeten ?
    Die Erinnerung an Verbrechen die im vergangenen Jahrhundert begangen wurden ist richtig, aber viel wichtiger ist es sich gegen die Verbrechen zu wenden die in der Gegenwart tagtäglich begangen werden.
    Der Antisemitismus-Vorwurf gegen jeden Kritiker der israelischen Verbrechen wird inzwischen so inflationär eingesetzt dass er kaum noch Wirkung zeigt.

  9. TurkishGuy sagt:

    Aus Herrn Tören spricht ein karrieregeiler Jungpolitiker, nicht einer der Sinn für Anstand und Gerechtigkeit hat.
    Wenn Herr Tören die Opfer des NS-Regimes dazu mißbraucht um das Gemetzel der israelischen Soldaten zu verharmlosen ist das nur erbärmlich.
    Wenn rassistische Verleumdungen, als Islamkritik deklariert, in den Massenmedien verbreitet wirden, redet man von Meinungsfreiheit.
    Wenn Filme wie „Midnigt Express“ oder „Nicht ohne meine Tochter“ die beide auf Lügen basieren und Muslime dämonisieren gesendet werden, wird von der Freiheit der Kunst gesprochen.
    Aber wenn Israel- oder Amerikakritik geübt wird, ist das was ganz Anderes.
    Herr Tören sie sollten das Buch“Die Holocaust-Industrie“ von Norman G. Finkelstein lesen, und nicht nur an ihre persönliche Karriere denken.

  10. bogo70 sagt:

    Beim MiGAZIN entwickelt sich die Diskussion in eine Richtung, die mir grad nicht zusagt. Die Diskussion zu dem Film „Tal der Wölfe“ ist bezeichnend für den Punkt, wo sich Nationalisten einig sind. Plötzlich verstehen sich unsere Rechten mit nationalistischen Türken ausgezeichnet, man ist einer Meinung. Ich bin natürlich gegen ein Verbot, allein schon weil wir täglich mehr islamfeindliches Material aus Amerika zu sehen bekommen als aus der Türkei antisemitisches. Ich habe es bisher vermieden solche Filme anzusehen, mein Mann sieht es sich meist allein an, davon gibt es ja auch die Serie in der Türkei. Auch jetzt werde ich mir den Film nicht ansehen, weil ich einfach nicht auf solche Aktionfilme stehe, aber den Antisemitismus darin werde ich mir von meinem Mann beschreiben lassen, wenn er ihn denn erkennen kann. Ich denke aber, er kann es und der Film wird wahrscheinlich eher den Nationalismus unter den Türken beförderern, als deren Antisemitismus und das meine ich wirklich so, denn auch die Serie weist darauf hin, dass mit zunehmendem Kapitalismus, der Nationalismus bzw. Patriotismus und rechtskonservative Einstellungen wachsen, ähnlich wie in Deutschland. Also, wenn ein Verbot, dann alle nationalistischen Werke, egal woher.