Visagebühren
Reisende subventionieren die Kasse des Auswärtigen Amtes
Sie die Gebühren für Visa rechtswidrig weil zu hoch, finanzieren Menschen aus bestimmten Herkunftsländern die Visa für Menschen aus anderen Ländern und müssen türkische Staatsbürger überhaupt Visagebühren entrichten?
Von Tim Gerber Donnerstag, 23.09.2010, 8:29 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 08.01.2016, 14:40 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Im Jahr 2006, während der deutschen Ratspräsidentschaft in der EU, kam die Regierung Frankreichs auf die Idee, die Gebühren für Schengen-Visa von damals 35 Euro auf inzwischen 60 Euro zu erhöhen. Die bisherige Gebühr sei nicht mehr kostendeckend, behaupteten die Franzosen und der deutsche Innenminister pflichtete ihnen bei. Da auch die anderen Mitgliedsstaaten nichts gegen eine Verbesserung ihrer Einnahmen hatten, ging die Sache in Brüssel geräuschlos über die Bühne. Betroffen ist ja nur eine Minderheit, beispielsweise Familien mit Angehörigen im visumspflichtigen Ausland.
Dabei waren die dreisten Gebührenforderungen der Bundesregierung drastisch überhöht, wie hartnäckige Recherchen des Verfassers jetzt ergeben haben. Lange hatten sich die Ministerialen geweigert, die Zahlen herauszugeben, die ihrer Kalkulation von der angeblich notwendigen Erhöhung zu Grunde lagen. Die nunmehr vorliegenden Zahlen ergeben folgendes Bild: Die Ausgaben für das Visumsverfahren beliefen sich im Jahr 2007 lediglich auf 73,6 Millionen Euro. Auf jeden Visumsantrag entfielen damit Kosten von etwa 34 Euro – immer noch unterhalb der damaligen Gebühr von 35 Euro.
Im Jahr 2008 stiegen die Kosten auf etwa 90,3 Millionen Euro, die Kosten lagen mit knapp 43 Euro pro gestelltem Antrag jedoch deutlich unter den nunmehr kassierten 60 Euro. Im darauffolgenden Jahr gingen die Kosten wieder etwas zurück, aufgrund der Wirtschaftskrise sanken allerdings auch die Visumsanträge deutlich, sodass die Kosten nunmehr knapp 48 Euro pro Antrag ausmachen. Das sind immer noch 25 Prozent weniger als die Bearbeitungsgebühr.
Auf der Einnahmenseite muss man berücksichtigen, dass die Gebühren in einigen Ländern wie der Ukraine und Russland aus politischen Gründen bei 35 Euro belassen wurden. Allein die beiden genannten Länder machen bereits etwa ein viertel aller Visumsanträge aus. Außerdem sind viele Bürger dieser und weiterer Ländern, mit denen die EU ein Visumserleichterungsabkommen geschlossen hat, ganz von der Gebühr befreit. Auch wenn man dies berücksichtigt, bleibt das Visumsverfahren für den Staat einen Einnahmequelle: Zieht man die geschätzten Einnahmen ab, so ergibt sich etwa im Jahr 2007 ein Überschuss von 40 Millionen Euro, eine Umsatzrendite von über 50 Prozent. Davon kann selbst die Deutsche Bank nur träumen.
In den folgenden Jahren gingen die Erlöse zwar zurück, lagen mit 20 Millionen Euro 2008 und immerhin 8,2 Millionen Euro 2009 noch immer auf dem Niveau eines Unternehmens mit vier- bis fünfhundert Mitarbeitern. Dabei müssen Reisende aus ärmeren Ländern nun die politisch gewollten Ermäßigungen für bestimmte Länder finanzieren. Man könnte es auch so sagen: Reisende aus Weißrussland müssen die Visa ihrer ukrainischen und russischen Nachbarn finanzieren. Aktuell Meinung
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@ elimu
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