Bundesweites Integrationsprogramm
Falsche Zahlen, Symbolpolitik und Scheinheiligkeit
Bundesinnenminister Thomas de Maizière stellt das bundesweite Integrationsprogramm vor und erntet heftige Kritik von den Grünen, der Linkspartei und vom Paritätischen Gesamtverband. Scheinheiligkeit, falsche Zahlen und Symbolpolitik lauten die Vorwürfe.
Donnerstag, 09.09.2010, 7:59 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 16.09.2010, 2:30 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Am am 8. September 2010 stellte Bundesinnenminister Thomas de Maizière in Berlin das bundesweite Integrationsprogramm vor, dass unter der Federführung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erarbeitet wurde. Experten aus Politik, Verwaltung, Praxis und Wissenschaft haben darin Vorschläge für die Integrationsförderung formuliert. Im Fokus der Arbeiten standen die Handlungsfelder sprachliche Integration, Bildung, berufliche und gesellschaftliche Integration sowie interkulturelle Öffnung und Antidiskriminierung.
Download: Das bundesweite Integrationsprogramm, dass auf die Empfehlungen von Frau Prof. Rita Süssmuth zurückgeht, kann hier heruntergeladen werden.
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Zahlen frei erfunden
Während der Vorstellung des Programms konnte Thomas de Maizière „keine Erfolgsbilanz“ ziehen. Man habe Integration „teilweise auf die leichte Schulter genommen“, musste der CDU-Politiker einräumen. Die Zahl derer, die sich nicht integrieren liege bei zehn bis 15 Prozent. Sie würden die Teilnahme an Integrationskursen verweigern, sich abschotten oder den deutschen Staat ablehnen. „Das ist im internationalen Vergleich durchaus eine Zahl, die nicht so schlecht ist“, betonte de Maizière.
„Der allergrößte Teil der Zuwanderer ist absolut integrationswillig und bemüht sich“, fügte der Innenminister zwar noch hinzu, erntete dennoch heftige Kritik vom integrationspolitischen Sprecher der Grünen, Memet Kilic. Die vom Innenminister genannten Zahlen seien „völlig frei erfunden. Nur 40 Prozent der Einwanderer haben eine Teilnahmepflicht – 60 Prozent gehen freiwillig in die Integrationskurse. Wie viele Einwanderer sich ihrer Teilnahmepflicht entziehen, wird vom BAMF nicht erfasst“, so Kilic.
Scheinheilige Integrationspolitik
Kurz nach dieser Vorstellung warf der Paritätische Wohlfahrtsverband der Bundesregierung Scheinheiligkeit in der Integrationspolitik vor. Zwar sei das Konzept inhaltlich zu begrüßen, doch müsse sich die Bundesregierung nach Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit fragen lassen, wenn sie nicht die notwendigen Mittel für die Umsetzung bereitstelle. Statt über vermeintliche Integrationsunwilligkeit und schärfere Sanktionierung zu diskutieren, bräuchte man endlich mehr Verbindlichkeit und Verlässlichkeit in der deutschen Integrationspolitik.
„Es ist scheinheilig, einerseits über die angeblich mangelnde Integrationsbereitschaft von Migranten zu klagen, wenn andererseits nicht einmal genug Geld zur Verfügung gestellt wird, damit alle, die ihre Deutschkenntnisse verbessern wollen, dies auch tun können“, kritisierte Eberhard Jüttner, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes.
Symbolpolitik
An diesem Punkt setzte auch Sevim Dagdelen’s an. Die integrationspolitische Sprecherin der Linkspartei warf der Bundesreigierung vor, „Symbolpolitik“ zu betreiben. „Die im Programm enthaltenen Empfehlungen sind leere Worte, weil sie unverbindlich sind“, so Dagdelen. Die angekündigte Aufstockung der Stundenzahl bei den Orientierungskursen im Rahmen der Integrationskurse sei unzureichend, „weil es für den dringend notwendigen Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt nicht tatsächlich“ beitrage. Daher fordere Die Linke einen Rechtsanspruch auf Integrationskursteilnahme für alle hier lebenden Migranten sowie die bedarfsgerechte Aufstockung der Mittel.
In der Tat stehen nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge trotz Aufstockung aktuell nicht ausreichend Mittel zur Verfügung, um der Nachfrage nach Integrationskursen gerecht zu werden. Berücksichtigt werden könnten derzeit nur noch Bewerber mit vorrangigem Anspruch. Politik
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