Muslime

Diskurse im Kiez führen

Am vergangenen Mittwochabend, den 24.02. fand in Berlin in den Räumen der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) die Veranstaltung "(K)eine Angst vor dem Islam? Wie wir übereinander und miteinander reden sollten" statt. Zwar versprach der Titel ein konstruktives Streitgespräch, doch wie so oft in letzter Zeit, endete die Podiumsdiskussion in einer hitzigen und oberflächlich geführten Debatte.

Von Gülseren Ölcüm, Maik Baumgärtner Freitag, 26.02.2010, 8:03 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 2:29 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Teilnehmer der Diskussionsrunde waren Ayten Kilicarslan, Vorstandsmitglied Aktionsbündnis muslimischer Frauen in Deutschland, Köln, Ali Ertan Toprak, Alevitische Gemeinde Deutschland, Köln, Dr. Haci-Halil Uslucan, Universität Magdeburg, Claudia Dantschke, Zentrum Demokratische Kultur, Berlin, Dr. Erhard Körting, Senator für Inneres und Sport, Berlin und Dr. Herbert Landolin Müller, Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg. Moderiert wurde das Podium von Dr. Johannes Kandel von der FES, Berlin.

Bereits eine halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung füllte sich der Vorraum des großen Konferenzsaals der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin mit Gästen. Um den Tisch, auf dem die Teilnehmerlisten auslagen, sammelten sich überraschend viele Menschen. Als die Veranstaltung dann gegen 18:30 Uhr begann, war der Raum bis auf den letzten Platz gefüllt. Einige fanden nur noch auf den Treppen Platz.

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Um das Publikum auf die Diskussion einzustimmen und die unterschiedlichen Meinungen zum Thema widerzuspiegeln, stellte Dr. Johannes Kandel dem Publikum einige „bewusst provokante“ Fragen. Die erste Frage nach einem „angstbesetzten Feindbild des Islams“ in Deutschland wurde von vielen Anwesenden durch symbolisches Aufstehen bejaht. Andere schüttelten ungläubig mit dem Kopf. Sie konnten ihrem Unmut Luft machen, als es um die Frage der „Bedrohung der freiheitlich demokratischen Grundordnung“ durch die Muslime ging.

Schon während der Eröffnungskommentare der Podiumsteilnehmer wurde deutlich, dass hier empirische Forschung, Emotionen und Vorurteile aufeinanderprallten.

Zu Anfang waren sich noch alle Podiumsteilnehmer einig, dass es „Ängste und Konflikte“ gibt, sowohl auf Seite der Muslime als auch unter den Teilen der Gesellschaft, die hauptsächlich von einem medial geprägten „Gefühl der Angst“ gegenüber dem Islam angetrieben werden. Hierbei wurde jedoch auch richtig erkannt, dass die ganze Thematik zu einer Pauschalisierungsdebatte verkommen ist, die durch „Randgruppen auf beiden Seiten dominiert wird.“

In den vergangenen Wochen fand in den Feuilletons bundesweit eine regelrechte Schlacht der Zitate und Studien statt. Es wurde verharmlost und übertrieben und zu jeder These, so scheint es, gibt es mittlerweile eine Studie. Daher hatte auch jeder der Teilnehmer eigene Zahlen parat um seinen Standpunkt zu untermauern.

So stellte die Arabistin Claudia Dantschke die neuesten Ergebnisse der Universität Bielefeld zur Entwicklung von menschenfeindlichen Vorurteilen in Deutschland („Deutsche Zustände“ Folge 8, Suhrkamp Verlag, 2010) vor. Demnach sind 52,5% der Befragten Bundesbürger der Meinung, der Islam sei eine „Religion der Intoleranz“. Dr. Haci-Halil Uslucan merkte an, dass „mangelnde Bildung“ und „Ausschluss aus der gesellschaftlichen Partizipation“ dazu beitragen, dass sich antidemokratische Einstellungen bei Jugendlichen festigen – dies betrifft alle Jugendlichen und nicht nur solche mit Migrationsgeschichte. Laut Dr. Uslucan spielt für 60% der Muslime in Deutschland die Religion im Alltag keine große Rolle. Lediglich 10% identifizieren sich über ihre Religion. Des weiteren machte er darauf aufmerksam, dass grundsätzlich zu klären sei, über welche Muslime man denn eigentlich diskutiert. Er mahnte auch an, dass man in der Auseinandersetzung mit dem Thema nicht vergessen dürfe, über die sogenannte „Mehrheitsgesellschaft“ zu sprechen, von der immerhin 30% der Meinung sind, dass Muslimen die Einwanderung nach Deutschland verboten werden sollte. Aus solchen Vorurteilen entstehen Ängste innerhalb der muslimischen Gemeinde: Rund 40% fühlen sich durch antimuslimische Einstellungen bedroht. Gesellschaft

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  1. Boli sagt:

    Des weiteren machte er darauf aufmerksam, dass grundsätzlich zu klären sei, über welche Muslime man denn eigentlich diskutiert.

    Der Mann hat recht. Nur wann wird endlich Ordnung in den Laden gebracht? Es wäre immens wichtig eine klare Aufschlüsselung zu bringen. Weil so kann es nicht weiter gehen.

    Er mahnte auch an, dass man in der Auseinandersetzung mit dem Thema nicht vergessen dürfe, über die sogenannte “Mehrheitsgesellschaft” zu sprechen, von der immerhin 30% der Meinung sind, dass Muslimen die Einwanderung nach Deutschland verboten werden sollte.

    Traurig aber wahr. Dies ist ein Resultat dieser Unordnung. Keiner blickt mehr durch und dann haben wir den Salat.