Das Gemeinsame betonen
Der Gott der kleinen Dinge
Die allermeisten Menschen definieren sich nicht allein über ihre Religion. Doch in der fortlaufenden Debatte um den Islam, die mit viel Lust am Krawall und beißender Polemik geführt wird und in den vergangenen Wochen im deutschen Feuilleton eine weitere Runde gedreht hat, spielt das keine große Rolle.
Von GastautorIn Freitag, 19.02.2010, 8:07 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 17:14 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Vor allem die sogenannten Islamkritiker konstruieren zwei Wirgruppen, die sich angeblich unversöhnlich gegenüberstünden: Auf der einen Seite die scheinbar „aufgeklärte“ und viel zu „tolerante“ Aufnahmegesellschaft, auf der anderen die „rückständigen“ Muslime, die mit weiteren negativen Zuschreibungen wie „Demokratieferne“, „Intoleranz“ und einem „übersteigerten Ehrbegriff“ belegt werden.
Dieses Wahrnehmungsmuster birgt ein hohes Konfliktpotenzial. In letzter Konsequenz führt es zum Ausschluss alles „Anderen“ und „Fremden“, wie man an der Vielzahl von Verboten sehen kann, die von entschiedenen Islamgegnern vorgeschlagen werden, vom Kopftuch- und Minarettverbot bis zum Verbot der Burka oder gleich des Korans, wie der niederländische Rechtspopulist Geert Wilder es fordert. Doch auch wenn man einmal von solchen Extrempositionen absieht, befördert schon allein die Logik des Lagerdenkens die Vorurteilsbildung gegenüber der jeweils anderen Gruppe. Das lässt sich derzeit an zahlreichen kleinen Alltagskonflikten ablesen – zum Beispiel an Schulen, in denen nichtmuslimische Lehrkräfte mit muslimischen Schülern und Eltern aneinandergeraten. Selbst bei banalsten Fragen, die fehlende Hausaufgaben oder schlichtes Zuspätkommen im Unterricht betreffen, finden sie manchmal nicht zum konstruktiven Dialog. Aus dem Schützengraben heraus lässt sich aber kein gedeihliches gesellschaftliches Miteinander gestalten: Es gibt nur noch Fronten.
Wenn wir alle Probleme in unserer Gesellschaft ausschließlich durch die Brille der Religionszugehörigkeit betrachten, machen wir uns das Leben nur unnötig schwer. Skepsis ist daher angesagt, wenn alle Konflikte mit dem Islam erklärt werden – oder wenn sie mit dem Islam gelöst werden sollen.
Michael Kiefer ist Publizist und Islamwissenschaftler. Er lebt und arbeitet in Düsseldorf und Erfurt. Mit seiner Kollegin Irka-Christin Mohr veröffentlichte er jüngst ein Buch zum „Islamunterricht an staatlichen Schulen“, das im Verlag transcript (Bielefeld 2009) erschienen ist.
Das gilt auch für eine Politik, die nach einer akademischen Ausbildung für Imame verlangt, damit diese dann als Integrationslotsen, Seelsorger oder Familienberater die Mitglieder ihrer Gemeinden auf Kurs bringen sollen. Denn die allermeisten Probleme, mit denen muslimische Zuwanderer in ihrem Alltag zu kämpfen haben, sind nicht religiöser Natur. Das ist empirisch belegt und oft gesagt worden, wird aber gern überhört.
Wenn wir die Integration der Zuwanderer erfolgreich gestalten wollen, ist deshalb eine entschiedene Deislamisierung der Debatte angesagt. Und auch in der alltäglichen Integrationsarbeit – also in Schulen, in Kindergärten und in der Jugendhilfe – sollte die Religion keine große Rolle spielen. Vielmehr sollte es darum gehen, nach der größtmöglichen Schnittmenge der gemeinsamen Interessen zu suchen, und auf dieser Grundlage praktische Kompromisse auszuhandeln.
Menschen aller religiösen und weltanschaulichen Orientierungen gemein ist, dass sie sich gleiche Chancen am Arbeitsmarkt, eine gute Ausbildung für ihre Kinder und lebenswerte Wohnquartiere wünschen – einen Zebrastreifen etwa, damit ihre Kinder die Straße sicher überqueren können.
Es gilt, das Gemeinsame zu betonen. In einer Gesellschaft, die sich durch eine kaum zu überblickende Vielfalt an Lebensentwürfen auszeichnet, ist das nicht immer ein leichtes Unterfangen. Die meisten Einrichtungen, auf denen Bildungsarbeit und das Gemeinwesen in den Kommunen ruht, werden der Vielfalt einer Zuwanderungsgesellschaft nur wenig gerecht. Das gilt für die großen Sozialverbände wie die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die Deutsche Caritas, den Paritätischen Gesamtverband, das Deutsche Rote Kreuz, das Diakonische Werk der evangelischen Kirche und die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Sie spiegeln das weltanschauliche und religiöse Spektrum der Bundesrepublik der Fünfziger- und Sechzigerjahre wider. Eine auf solcherart konfessionellen Säulen ruhende Wohlfahrt, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern teilweise sogar religiöse Vorschriften für die private Lebensführung auferlegt, kann aber nicht gerade als Garant für Pluralität und Offenheit gelten. Meinung
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Da stell ich mir aber die Frage, wieso denn Migranten nichts aufgebaut haben, das zum Beispiel der Arbeit von AWO oder Diakonie das Wasser reichen könnte.
Hallo Thomas,
AWO und die Diakonie werden durch Steuergelder; speziell die Diakonie hauptsächlich aus Kirchensteuern finanziert.
Wie auch Sie wissen (ich gehe davon aus) : „Ohne Moos nichts los“!
Haben Sie sich schon mal die Frage gestellt, wie viel Sie( bzw. Ihre Angehörigen) jeden Monat an Kirchensteuer bezahlen und was Sie damit unterstützen?
Moslems, Buddhisten und Hindus sind von der Kirchensteuer ausgeschlossen; mit anderen Worten dem Subsidaritätsprinzip in Deutschland gehören nur Menschen, die der evangelischen, der römisch-katholischen Kirche bzw. der jüdischen Synagoge angemeldet sind!
Ferner sollten Sie auch berücksichtigen, dass jegliche Öffentlichkeitsarbeit betreffende Unternehmungen von Moslems sofort unter Verfassungsschutz beobachtet bzw. unter der christlichen Mehrheit abgeblockt wird.. Deshalb bleiben viele moslemische Gemeinden untersich in ihrer Arbeit.
In Städten und Gemeinden werden Migrationslotsen ausgebildet, damit die Migranten dahin geführt werden wo die Deutschen sind. Jedoch, sind die Deutschen wirklich da wo sie sich sehen?
Die Aussage von Herrn Kiefer „…von Zuwanderern an Zuwanderer“ finde ich sehr gut; denn nur wer die gleichen Erfahrungen mit seinem Klientel hat, kann ihnen neues Wissen in Form von Beratung entsprechend weitergeben.
Migrationslotsen sind überflüssig! Wir brauchen Kulturdolmetscher und ein gerechtes Steuersystem, damit alle in diesem Land in Gleichberechtigung miteinander leben können.
LG
Hüli
Eine Frage an den Autor: Wenn sie vorschlagen, dass Thema nicht immer nur durch die Religionsbrille zu sehen, was sollen wir dann eigentlich mit den Moscheegemeinden anfangen? Oder liege ich falsch mit meinem Eindruck, dass die meisten MSOs doch Moscheevereine, also religiöse Vereinigungen sind.
Gruß Dora
Wenn wir alle Probleme in unserer Gesellschaft ausschließlich durch die Brille der Religionszugehörigkeit betrachten, machen wir uns das Leben nur unnötig schwer. Skepsis ist daher angesagt, wenn alle Konflikte mit dem Islam erklärt werden – oder wenn sie mit dem Islam gelöst werden sollen.
Eine wahre Feststellung. Nur sagen Sie das mal den Machern der „Islamkonferenz“ und denen die vor kurzem als Störenfriede ausgeschlossen wurden. Das sind nämlich genau die Leute die eben bei Integration nicht dauernd über den Islam reden möchten sondern über Integration an sich.
Ich denke, gerade die Ausgeschlossenen haben alles durch die Religionsbrille gesehen und die Probleme kulturalisiert.
Deutschland hat eine ziemlich religionsarme, religionsferne Kultur. Für Migranten, denen Religion (Glaube, Religionsausübung) wirklich wichtig sind, ein zentraler Teil ihres Lebens und ihres Selbstverständnisses, sind das schwierige Umstände.
Wie können sie sich in eine solche Gesellschaft integrieren – und zugleich ihre religiösen Bedürfnisse befriedigen, ihrem Glauben treu bleiben?
Michael Kiefer hat nicht unrecht mit seiner Darstellung: Die meisten Probleme und Konflikte haben eigentlich mit Religion nichts zu tun. Aber ein religiöser Mensch wird sie immer auch religiös betrachten.
Wenn man davon ausgeht, dass die Säkularisierung (als Entfernen der Religion aus dem eigenen Leben) gut ist und uns und die Welt besser macht, dann kann man politisch darauf drängen, die Muslime zu Ent-Islamisieren. Das versucht ja auch die Deutsche Islam Konferenz. Dann geht es – letztlich – um Assimilation.
Was aber, wenn man – wie ich selber – Religion für etwas von Grund auf Menschliches, etwas für das gute und sinnvolle Leben Notwendiges hält?
Was, wenn man – wie ich – annimmt, dass die Säkularisierung die Vergöttlichung nur auf anderes verschiebt – auf das Ego, auf das Geld, auf den Erfolg, auf den Genuss?
Der Mangel an intensiver Religion in Deutschland ist meines Erachtens wirklich ein Mangel. Die vielen intensiv Gläubigen unter den Muslimen haben darum meines Erachtens recht, wenn sie Integration mit dem islamischen Blick auf den Alltag verbinden wollen.
@Loewe
Die meisten Probleme und Konflikte haben eigentlich mit Religion nichts zu tun. Aber ein religiöser Mensch wird sie immer auch religiös betrachten.
Betreffs des ersten Satzes trifft das eben auf den streng religiösen Teil der Muslime nicht zu. Da ist es eben GERADE die Religion die die Probleme und Konflikte hervorruft.
Beispiele:
– religös motivierte Kleidungsvorschriften die vom Kopftuch bis zur Burka reichen können.
– Halalessen. Dagegen ist an sich nichts zu sagen SO LANGE die, die so essen möchten dies für sich tun und nicht versuchen im öffentlichen Raum Supermärkte und Restaurants für sich religiös maßzuschneidern und damit wiederum Nichtmuslime diskriminieren weil sie ihnen zumuten nur noch Halalfleisch vorgesetzt zu bekommen.
– es gibt muslimische Strömungen in Deutschland die unter anderem auch einer muslimischen Frau verbieten fremden Männern die Hand zu geben und die Hunde wie Schweine als unreine Lebewesen ansehen. Das führt in Großbritannien mittlerweile so weit das Polizeihunde „Schuhe“ anhaben und pakistanische Taxifahrer (in den USA) blinde Menschen mit Blindenhund nicht befördern wollen.
– die fünf auch noch zeitlich vorgeschriebenen muslimischen Gebete über den Tag sind für eine wirtschaftende Gesellschaft nicht wirklich förderlich und bringen wie schon verfolgt werden konnte in den verschiedensten öffentlichen Einrichtungen usw. immer wieder Probleme mit sich. Abstruses Beispiel hierzu war ein Busfahrer in London der einfach mal rechts ran gefahren ist und sämtliche Fahrgäste ohne ein Wort der Erklärung sitzen ließ und sein Gebet verrichtete. Das geht so nicht und solches Verhalten hat sehr wohl mit Religion zu tun.
Oder wollen Sie auch abstreiten das es nichts mit Religion zu tun hat wenn immer zum Freitagsgebet von Muslimen bestimmte Straßen und Viertel in Paris regelrecht belagert werden und sogar diese Straßen mit Sperren zugemacht werden das ja kein Ungläubiger durch kann??
Finden Sie es in Ordnung wenn am Ramadan Nichtmuslime wie in Schulen in Berlin und anderen Städten Europas schon geschehen unter psychischen Druck gesetzt werden doch bitteschön auch das Essen und Trinken zu unterlassen.
Religion und tägliches Leben können sehr wohl harmonieren, doch streng muslimisches Verhalten widerspricht der europäischen Lebensweise und ist so nicht förderlich irgendetwas in Harmonie zu halten. Es wird als Provokation verstanden weil es zu sehr in das öffentliche Blickfeld getragen wird und schlimmstenfalls Menschen die gar nichts damit zu tun haben mit hinein zieht.
Und zum zweiten Satz: Ich betrachte die Dinge auch wieder religiös im christlich-orthodoxem Sinne. Nur stosse ich mit meiner Religiösität im Gegensatz zu gläubigen Muslimen eben nicht mit der Gesellschaft zusammen.
Denn meine Fastenregeln mögen auch streng sein jedoch sorge ich schlicht dafür, das ich zwar diese Regeln einhalten kann jedoch damit niemanden belästige oder ihm Vorwürfe mache das er es nicht tut. Das christlich-orthodoxe Fasten ist vegan bis auf den Samstag wo Fisch erlaubt ist. Das heißt 40 Tage lang kein Fleisch, Butter, Milch, pflanzliche und tierische Fette außer eben Samstags Fisch. Ich hungere und dürste aber nicht den ganzen Tag vor mich hin sondern übe mich verteilt über den Tag in Mäßigung was mich körperlich wie psychisch nicht belastet und Anderen nicht schadet. Im Christentum gibt es auch Tagesgebete. Nur ich habe eine relative zeitliche Freiheit und ich tue es freiwillig, Morgens, Mittags und Abends aber eben nicht 5mal am Tag was schlicht einem Arbeitsrythmus in Europa völlig konträr steht. Selbst in einem orthodoxem Gebetsbuch steht das die 5 – 6maligen Gebetszeiten für einen normalen Alltag nicht förderlich sind und deshalb 3mal gut integrierbar sind. Mönche und Priester dagegen haben durch ihren strengen Arbeits- und Gebetsrythmus die Möglichkeit und im Falle der Mönche auch die Pflicht dazu.
Und Kleidungsregeln brauche ich auch nicht.
Wer also behauptet das die Religion im Falle der Muslime kaum Konflikte und Probleme bereitet lügt schlicht. Diese Religion ruft in GANZ Europa Konflikte hervor. Das kann ich unter anderem behaupten, da es in Deutschland immerhin ca. 1,5 Millionen Orthodoxe Christen gibt und ich habe bisher von noch keinem Fall gehört das Orthodoxe Christen mit dem säkularen Anspruch Europas in Konflikt geraten sind.
Das heißt nicht das Christen nicht auch Kritik ausgesetzt sind aber die Muslime haben mit Abstand die rigidesten religiösen Regeln und das läßt sie so unangenehm hervorragen aus der Masse.
Michael Kiefer fordert von der muslimischen Community sich zu integrieren… Und das in einer Form, welche Muslime für dumm verkauft: MSO habe ausgedient, klartext, muslimische Organisationen wollen wir nicht akzeptieren, gründet doch eine demokratische Shura, an dessen wir Bassam Tibi setzen.
Kommen sie Herr Kiefer, das kauft Ihnen keiner ab. Zuerst sollten Sie und Ihresgleichen die multireligiöse und multikulturelle Realität hierzulande als gleichwertige Partner anerkennen. Desweiteren sollten Sie aufhören Muslime rumkommendieren zu wollen. Und genau an diesem Punkt scheitert Deutschland. Viele Islamwissenschaftler glauben durch eine preußische Aufklärung von Oben könne man Muslime Deutschland-tauglich machen. Stattdessen sollte man von den Engländern was abschauen.
Ich glaube Michael Kiefer hat die Tage vergessen, als er die These von einem angeblichen islamischen Antisemitismus verbreitete und Islamkritiker damit versorgte.
Wer ist also Michael Kiefer? Doch nur ein […] Islamwissenschaftler???
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