Hausinterner Dolmetscherdienst
Sprachmittlung im Krankenhaus
Über 14.000 nichtdeutsche Patienten aus dem Großraum München hat das Städtische Klinikum 2008 an seinen 5 Standorten stationär versorgt. Dass diese Menschen aus 157 Nationen nicht alle über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügen und deshalb Unterstützung benötigen, liegt auf der Hand.
Von GastautorIn Montag, 04.01.2010, 8:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 2:03 Uhr Lesedauer: 14 Minuten |
1. Sprachmittlung in der Migrantenversorgung – unverzichtbar
1.1 Migrantinnen und Migranten im Städtischen Klinikum München (StKM) – eine große Patientengruppe
Über 14.000 nichtdeutsche Patientinnen und Patienten aus dem Großraum München hat das Städtische Klinikum 2008 an seinen 5 Standorten stationär versorgt. Dass diese Menschen aus 157 Nationen nicht alle über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügen und deshalb Unterstützung benötigen, liegt auf der Hand. Deshalb sorgen derzeit über 100 medizinisch-pflegerisch qualifizierte Beschäftigte des „Hausinternen Dolmetscherdienstes“ mit 35 Sprachen für eine gute Kommunikation zwischen Klinik und Patientinnen/Patienten.
Der folgende Beitrag soll keineswegs der Forderung nach einer öffentlich, durch das Gesundheitswesen zu finanzierenden, Dolmetscherleistung für Migrantinnen/Migranten widersprechen. Therapeuten wie Erkrankte brauchen für eine fachgerechte, optimale ärztliche und pflegerische Behandlung eine Kommunikationsmöglichkeit, welche vorhandene Sprachbarrieren berücksichtigt und reduziert.
Gezeigt werden soll an dem Modell des „Hausinternen Dolmetscherdienst“, dass es seit vielen Jahren einen im Klinikalltag bewährten ressourcenorientierten Lösungsansatz gibt, der ermöglicht, dem offensichtlichen Mangel professionell entgegenzutreten.
Elisabeth Wesselman, Pädagogin mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung, ist seit über 20 Jahren im Bereich stationärer medizinischer Versorgung tätig. Sie setzt sich seit 1995 intensiv Auseinander mit allen Fragen der klinischen Versorgung nichtdeutscher Patientinnen und Patienten. Seit ist sie 1996 Mitglied im Arbeitskreises „Migration und Gesundheit“ des Gesundheitsbeirates des Referats Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München und seit seit 1999 Mitglied im bundesweiten Arbeitskreis „Migration und öffentliche Gesundheit“ der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration. Seit 2005 ist sie Fachreferentin „Interkulturelle Versorgung“, Geschäftsführung der Städtischen Klinikums München GmbH, Bereich Strategie und Planung.
1.2 Zugangsbarrieren – insbesondere Sprachprobleme
Seit vielen Jahren werden für Migrantinnen/Migranten Zugangsbarrieren hinsichtlich der Inanspruchnahme gesundheitlicher Versorgung, bedingt v.a. durch sprachliche Verständigungsprobleme andere kulturelle Krankheitskonzepte und Zugehörigkeit zur sozialen Unterschicht, konstatiert. So bestätigt u.a. die österreichische Mikrozensus- Erhebung, dass die gesundheitliche Benachteiligung von Migrantinnen/Migranten zu häufigeren Krankenhausaufenthalten führt (Wimmer- Puchinger, Wolf, et al: 2006: 49).
Insbesondere bei Migrantinnen/Migranten der ersten Generation, die zunehmend stationäre Versorgung benötigen, sind eingeschränkte deutsche Sprachkenntnisse, eine hohe Analphabetenrate und nach langer Migrationsdauer auch Spracheinschränkungen in der Heimatsprache zu finden. Die 2001 getroffene Feststellung der Frauengesundheitsbeauftragten der Stadt Wien hat leider nichts an Aktualität eingebüßt: “Der Mangel an sprachlicher und kultureller Verständigung (führt zu) Informationsdefiziten bei Vorsorge, Erkennung von Krankheiten, Diagnostik, Therapie, Pflege und Rehabilitation“ (Wimmer- Puchinger, Wolf, et al., 2006: 49).
Die daraus folgenden gesundheitsökonomischen Auswirkungen können hier nur aufgelistet werden: Mehrfachuntersuchungen, Fehldiagnosen, Medikamentengabe aus Hilflosigkeit, Non-Compliance, Doktor-Shopping, Chronifizierung, erhöhte Krankschreibung/Arbeitsunfähigkeit und nicht zuletzt hohe Frustration auf Seiten der Versorger wie auch der Patientinnen und Patienten
1.3 Dolmetscher/innen – Sprach-, Informations- und Kulturmittler
Dolmetscher/innen sollen als Mittler zwischen Patient/in und Gesundheitssystem eine für beide Seiten zufriedenstellende Verständigung ermöglichen. Dies bedeutet nicht nur, dass Informationen von der einen in eine andere Sprache transferiert werden, sondern dass die Übersetzer die Inhalte für beide Seiten verständlich und kultursensibel übermitteln müssen. Sie sind demzufolge gleichzeitig Sprach- /Informations- und Kulturmittler. Häufig mit geringen medizinischen Grundkenntnissen ausgestattet, ohne kulturellen Zugang zu der naturwissenschaftlich geprägten Sichtweise von Krankheit und Gesundheit, mit unzureichenden Deutschkenntnissen versehen, sind viele Migrantinnen/Migranten in mehrfacher Hinsicht „sprachlos“. Der Vermittler bzw. Mediator braucht nicht nur Kenntnisse in beiden Sprach- und Kulturbereichen, sondern auch medizinisches Wissen, institutionelle Kenntnisse des Gesundheitssystems und ein gewisses Verhandlungsgeschick, um beide Partner in Übereinstimmung zu bringen.
Häufig greifen Kliniken bei Sprachdefiziten auf Familienangehörige ihrer Patientinnen und Patienten zurück. Dies ist häufig nicht von Vorteil. So gibt es ethisch fragwürdige Situationen, z.B. bei der Übersetzung von schwersten Erkrankungen und/oder Tabuthemen. Sehr problematisch stellt sich zuweilen in der Praxis heraus, dass Informationen von Familienangehörigen bei der Weitergabe entsprechend den Bewertungen der familiären Übersetzer verzerrt oder reduziert, bzw. auch viele medizinischen Erklärungen und Mitteilungen nicht gedolmetscht werden, weil dies nicht für notwendig erachtet wird.
Auch der Einsatz von sogenannten „Ad-hoc-Dolmetschern“, meist Klinikmitarbeiter aus dem Haus-, Transport- oder Reinigungsdienst, ist in qualitativer Hinsicht äußerst schwierig. In einer Studie wurde bei diesen Übersetzungen, spöttisch als „stille Post“ bezeichnet, eine Fehlerquote von 23%-52% bei der Übersetzung von ärztlichen Fragen festgestellt (Bischoff, Steinauer, 2007: 343).
Erfreulicherweise kommen die Forscher dieser Studie gleichzeitig zu dem Urteil, dass nach ihrer Untersuchung intern geschulte, mehrsprachige Pflegende und professionelle Dolmetscher sich am besten bewährt haben.
Sehr positive „Ansätze zur gezielten Förderung und Nutzung berufsbezogener Mehrsprachigkeit“ findet Dr. Bernd Meyer von der Universität Hamburg im Modell des Hausinternen Dolmetscherdienstes des Klinikum Schwabing (bzw. des Städtischen Klinikums München)(Meyer, 2008). „Das besondere an diesem Projekt ist“, so Meyer, „dass nicht einfach nur mehr oder weniger informell Mitarbeiter/innen mit spezifischen Sprachkenntnissen erfasst und als Dolmetscher eingesetzt werden – dies geschieht auch in anderen Krankenhäusern, wenn auch längst nicht überall dort, wo es nötig wäre. Spezifisch für das Klinikum Schwabing ist vielmehr, dass der Dolmetscherdienst institutionell systematisch eingebunden und entwickelt wurde. So gibt es in Schwabing Maßnahmen zur Qualitätssicherung, ein „screening“ potentieller Dolmetscherinnen, Fortbildungen, eine Dokumentation der Dolmetschereinsätze, Patienteninformationen über den Dienst und eine Koordinationsstelle“. Gesellschaft
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