Bezirk Berlin-Mitte
Gesundheits- und Vorsorgeverhalten Erwachsener mit Migrationshintergrund
Im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung für das Schuljahr 2006/07 führte das Bezirksamt eine Erhebung zur Gesundheit und zum Gesundheitsverhalten von Eltern der Schulanfänger durch. Die Fragen betrafen u.a. ihre eigene Gesundheit, ihr Gesundheitsverhalten und ihr Bedarf an gesundheitsbezogenen Informationen.
Von GastautorIn Montag, 30.11.2009, 8:07 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 1:23 Uhr Lesedauer: 14 Minuten |
Eine Kernaufgabe der Gesundheitsberichterstattung ist es, eine Datenbasis für die Planung und Gestaltung von Maßnahmen und Einrichtungen der gesundheitlichen Versorgung und Vorsorge zu schaffen – insbesondere im Hinblick auf besondere Risikogruppen. Im Gegensatz zur Kinder- und Jugendgesundheit, wo es dank der KiGGS-Studie 1 und der Tatsache, dass mittlerweile in einigen Kommunen die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung migrationssensibel ausgewertet werden 2, eine relativ gute Datenbasis für Maßnahmen der Gesundheitsförderung gibt, liegen wenige Daten zur Gesundheit von Erwachsenen mit Migrationshintergrund vor. 3 Migranten werden in der Regelstatistik im Gesundheitswesen meist nicht ausgewiesen 4. Einschlägige repräsentative Untersuchungen mit der bewussten Inklusion von Migranten gibt es nicht.
Auf lokaler Ebene gibt es noch ein weiteres Problem für die Gesundheitsberichterstattung. Neben dem oben angeführten Mangel an Erkenntnissen zu eventuellen Risikolagen von Migranten, stellen Razum et al. (2008) fest, dass „Gesundheitsprobleme von Menschen mit Migrationshintergrund und Zugangsbarrieren zu Gesundheitsdiensten lokal bzw. regional sehr unterschiedlich sind.“ (24). Aus diesen Gründen muss insbesondere die kommunale Gesundheitsberichterstattung auch auf eigene Erhebungen zurückgreifen, um präventionsrelevante Daten zu erhalten. Im Bezirk Mitte werden deshalb eine Reihe von unterschiedlichen Anlässen genutzt, um eigene Erhebungen durchzuführen.
Über den Autor: Jeffrey Butler, Geboren 1955, Dipl. Soziologe; Nach dem Studium der Soziologie und Germanistik in den USA (1979) drei Jahre praxis-orientierte Arbeit in der Alten- und Familienhilfe. 1982 mit Fulbright Stiftung nach Berlin – Diplom in Soziologie an der FU Berlin (1988). Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin. Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin, am Institut für Biologie, im Public-Health Projekt „Integration gesundheitsfördernder und medizinischer Maßnahmen in der Schwangerschaft“. Seit 1995 verantwortlich für die Gesundheitsberichterstattung in der Plan- und Leitstelle Tiergarten – beziehungsweise nach der Bezirksfusion im Bezirksamt Berlin-Mitte.
Vorgehensweise
Im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung für das Schuljahr 2006/07 führte das Bezirksamt eine Erhebung zur Gesundheit und zum Gesundheitsverhalten von Eltern der Schulanfänger durch. Die Fragen betrafen u.a. ihre eigene Gesundheit, ihr Gesundheitsverhalten und ihr Bedarf an gesundheitsbezogenen Informationen. Dadurch, dass ein sehr hoher Prozentsatz der bezirklichen Bevölkerung einen Migrationshintergrund hat, und dadurch, dass ein hoher Anteil der Migranten in der Zielgruppe an der Befragung teilnahm, konnten relativ repräsentative Ergebnisse für die Altersgruppe erzielt werden. Da die Fragebögen der Eltern auch mit den Ergebnissen der Schuleingangsuntersuchung verbunden werden konnten, ist es möglich, das Gesundheitsverhalten der Eltern mit dem Gesundheitsverhalten ihrer Kinder abzugleichen.
Die Fragebögen wurden von den Eltern in den Schulen bei der Schulanmeldung abgeholt –zusammen mit den sonstigen Unterlagen, die für die Schulanmeldung nötig waren. Hierunter war auch eine Einladung zur Schuleingangsuntersuchung, die z.T. erst in einigen Monaten stattfinden sollte. Die Fragebögen konnten von beiden Partnern zu Hause ausgefüllt und bei dem Termin für die Schuleingangsuntersuchung im Kinder- und Jugendgesundheitsdienst (KJGD) vom begleitenden Elternteil wieder abgegeben werden, wobei es sich bei den Befragten nicht um die leiblichen Eltern des Kindes gehandelt hat, sondern um die Erwachsenen, bei denen das Kind aufwuchs. Die Verlosung von Warengutscheinen über je 100€ von einem lokalen Kaufhaus (einmal für die Mütter und einmal für die Väter) diente dazu, die Motivation zur Teilnahme zu erhöhen.
Durch die gesonderte Verlosung für beide Elternteile und dadurch, dass nicht nur die Person, die das Kind zur Untersuchung begleitet hat, für die Untersuchung befragt werden konnte, gab es eine relativ ausgeglichene Teilnahme beider Geschlechter (587 Frauen, 503 Männer). Bei einer ähnlichen Befragung im Rahmen der Schuleingangsuntersuchung in Bielefeld 5, wo die Begleitpersonen vor Ort in den Kinder- und Jugendgesundheitsdienststellen befragt wurden, gab es hingegen eine sehr hohe Überrepräsentation von Müttern, da diese meist die angehenden Schulanfänger zur Untersuchung begleiten.
Ein erklärtes Ziel der Aktion was es, einen angemessenen Anteil der Eltern mit Migrationshintergrund für die Befragung zu gewinnen. Hierbei sollten die im Bezirk lebenden Gruppen von Menschen mit Migrationshintergrund möglichst im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten werden. Maßgeblich für die Befragung war der deutsche Fragebogen. Bei Bedarf konnten die Eltern in den Schulen auch arabische, türkische oder englische Übersetzungen des Fragebogens erhalten. Im Laufe des Befragungszeitraumes wurden auch weitere Maßnahmen angewandt, um die Teilnahme von Migranten zu erhöhen. In den bezirklichen Kindergärten wurden mehrsprachige Poster und Handouts eingesetzt. Auch in den türkischen Medien gab es Berichte über die Befragung.
Um den Datenschutz zu gewährleisten wurde im KJGD vor den Augen des abgebenden Elternteils lediglich die laufende ESU-Nummer auf dem Fragebogen eingetragen. Anschließend wurde der Fragebogen von den ausgefüllten Losen getrennt und beide kamen in versiegelte Urnen.
- u.a. RKI 2007
- z.B. Bettge/Oberwöhrmann 2008
- In diesem Zusammenhang wird auch im RKI Schwerpunktbericht „Migration und Gesundheit“ (Razum et al. 2008, S. 24ff.) darauf hingewiesen, dass die Datenlage hinsichtlich gesundheitlicher Unterschiede zwischen Migranten und der einheimlichen Bevölkerung bundesweit unbefriedigend ist.
- vgl. Butler et al. 2007
- vgl. Zeeb et al, 2004
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