Schwarz-gelbe Pläne
Beeinträchtigung des Kindeswohls wegen mangelnder Deutschkenntnisse der Eltern?
„Droht wegen mangelnder Deutschkenntnisse der Eltern eine Beeinträchtigung des Kindeswohls, soll“ nach dem Willen der schwarz-gelben Regierungskoalition „zukünftig schon aus diesem Grund eine Verpflichtung zur Teilnahme am Integrationskurs möglich sein.“ So jedenfalls die Pläne der CDU/CSU und FDP im Koalitionsvertrag.
Von Ekrem Şenol Montag, 23.11.2009, 8:11 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 06.02.2011, 23:58 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Dieser unscheinbare Satz 1 bekommt Brisanz, wenn man sich die Bedeutung des Begriffs „Kindeswohl“ bewusst macht. Es handelt sich um einen unbestimmten Begriff aus dem Familienrecht und knüpft an das körperliche, geistige und seelische Wohl des Kindes. Sobald das Kindeswohl beeinträchtigt ist, ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind in Obhut zu nehmen und das Familiengericht anzurufen, die die erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat – Ultima Ratio ist der Entzug des elterlichen Sorgerechts.
Allerdings liegt nicht bei jeder Entwicklungsbeeinträchtigung oder elterlichen Verletzung der Interessen eines Kindes oder Einschränkung seiner/ihrer Entwicklungsmöglichkeiten eine Beeinträchtigung vor; gemeint sind Fälle, die erheblich sind. Wann dies vorliegt, hat die Rechtsprechung seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum 1. Januar 1900 in unzähligen Entscheidungen mühselig konkretisiert.
Bis heute ist jedoch kein einziger Fall bekannt geworden, in der eine Beeinträchtigung des Kindeswohls wegen mangelnder Deutschkenntnisse der Eltern angenommen wurde. Wieso also diese Formulierung? Zumal eine Verpflichtung zur Teilnahme am Integrationskurs wegen mangelnder Deutschkenntnisse für Eltern bereits vorhanden ist: Kann „sich der Ausländer als Inhaber der Personensorge für ein in Deutschland lebendes minderjähriges Kind nicht auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen“, ist er „besonders integrationsbedürftig“ und muss einen Integrationskurs besuchen 2.
Offensichtlich ist der Druck, der hier aufgebaut werden soll, nicht groß genug. Hier soll neben den bereits bestehenden aufenthaltsrechtlichen und finanziellen Sanktionen ein weiteres – wesentlich härteres – Druckmittel aufgebaut werden. Im Lichte der juristischen Bedeutung des Begriffes wird den natürlichen Sachwaltern des Kindeswohls – den Eltern – klar mit einem Eingriff in das Elternrecht gedroht.
Unklar ist dabei, wer die Kindeswohlbeeinträchtigung feststellen soll. Die Ausländerbehörde oder das Jugendamt, die von der hellhörigen Nachbarin alarmiert wurde, weil die nichtdeutschen Nachbarn sich zu Hause mit ihren Kindern nicht in deutscher Sprache unterhalten? Dies natürlich unabhängig von der Tatsache, dass ein Integrationskursabsolvent sprachlich noch lange nicht so weit ist, seinem Kind richtiges Deutsch beizubringen – eine linguistische Katastrophe.
Geht es nicht um die gesprochene Sprache in den eigenen vier Wänden als vielmehr darum, sich um die Belange des Kindes außerhalb der Wohnung kümmern zu können, stellt sich auch hier die Frage, ob die in einem Integrationskurs erworbenen Sprachkenntnisse ausreichen, um beispielsweise an einem Elternabend teilzunehmen. Denn laut Koalitionsvertrag werden die Integrationskurse „auf das primäre Ziel ausgerichtet, die Teilnehmer in den Arbeitsmarkt zu integrieren“ 3, und nicht etwa für das Meistern einer alltäglichen Situation beim Kinderarzt oder eben bei einem Elternabend in der Schule.
Nun könnte man weiter behaupten, die Integration der Eltern in den Arbeitsmarkt diene aufgrund der finanziellen Besserstellung der Eltern auch indirekt dem Kindeswohl. Dem stünde aber der Gedanke entgegen, die Grundsicherung des Staates für Arbeitslose wäre so bemessen, dass das Wohl des Kindes gefährdet ist. Die Ungereimtheit und Unstimmigkeit, mit der das Thema Integration von CDU/CSU und FDP gehandhabt wird, ist nicht zu übersehen.
- Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, S. 76
- § 44a Abs. 1 Nr. 3 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 der IntV
- Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, S. 76
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@ Ekrem Senol
Es wurde doch immer von Seiten der Migranten (Verbände) beklagt, der deutsche Staat sei selbst Schuld an der mangelhaften Integration, weil er sich nie gekümmert hätte, und davon ausgegangen sei, das diese Migranten wieder zurückgehen (mal ganz abgesehen davon, das sie ab der 2.Generation fast alle hier geboren wurden).
Und jetzt ist man endlich soweit, nicht mehr dabei zusehen zu wollen, das die Probleme in (nicht kleinen Teilen) jeder weiteren Generation weitergehen.
Zitat
Integration muss verbindlicher gestaltet werden. Wir werden mit Neuzuwanderern Integrationsverträge abschließen. Darin wird festgelegt, was sie an Unterstützung und Hilfe erwarten können. Darin wird aber auch dargelegt, was wir von den Zuwanderern erwarten.
………
Jeder, der auf Dauer hier leben und arbeiten will, muss Ja sagen zu unserem Land. Das setzt eine gemeinsame Wertebasis voraus. Dazu gehört das Beherrschen der deutschen Sprache, aber auch die Bereitschaft zur Teilhabe an der Gesellschaft.
…….
In der Tat gibt es in bestimmten Vierteln großer Städte Parallelgesellschaften. Es gibt auch die erheblichen Defizite bei der Beherrschung der deutschen Sprache und den Nachholbedarf bei den Bildungsleistungen.
Zitat Ende
http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1246895337375.shtml
Und der neue Innenminister De Maiziere sagt klar:
Zitat
„Ein zweites großes Thema wird die Gleichberechtigung von Mann und Frau, von Jungen und Mädchen sein“, so der Minister. In diesem Bereich gebe es „noch enorme Probleme“. Die „Humanität einer Gesellschaft“ habe aber viel mit der gleichberechtigten Stellung der Frau zu tun. „Eine Abwertung von Frauen passt nicht zu unserem Grundgesetz.“
Zitat Ende
http://www.welt.de/politik/deutschland/article5283536/De-Maiziere-Islam-willkommen-Islamismus-nicht.html
Desweiteren soll es möglichst schnell eine Ausbildung von Imamen für den Religionsunterricht geben, sagt Frau Böhmer:
Zitat
Deshalb ist es wichtig, dass islamischer Religionsunterricht an deutschen Schulen stattfindet – dann aber in deutscher Sprache, nach unseren Regeln, möglichst mit in Deutschland ausgebildeten Lehrern.
Zitat Ende
Damit die Kinder möglichst bald aus „den Fängen“ der Verbände = Korankurse herauskommen. Ich höre schon jetzt den Aufschrei der Herren dort.
Lassen wir bitte den Koran da vielleicht aussen vor.:-)
Interessant erscheint mir, dass man jetzt in dem Sprachschulungsbereich andere, neue Wege gehen möchte. Einen Versuch ist es wert. Es scheint wohl der Kindeswohlgedanke im Vordergrund zu stehen, ober aber man will diesen aus pragmatischen Gründen hierfür (Spracherwert bei bei „Problemtürken-Gruppe“) instrumentalisieren. Die Idee, nun einmal von verschiedenen Seiten Druck aufzubauen ist zumindest prüfenswert. Man ist gespannt darauf, ob dieser Kurs wohl auch konsequent eingeschlagen wird, oder durch Verbands-„Gejammere“ (oft die Vertreter der Problemverusacher) und Betroffenheitsrethorik wieder sehr viel von den Vorschlägen verwässert wird. Handwerkliche Mängel (saubere Rechtsgrundlage sollte gegeben sein bzw. sehr genau geprüft werden) sind auszugleichen, aber die politische Signalwirkung bzw. die klare „Ansage“ klingt zumindest weniger nach Stagnation andere angekündigt angekündigte Massnahmen. Allein für die offene Diskussion herrscht zumindest wieder einmal ein „frischer“ Wind.:-)
@ Markus Hill
GENAU diese „Wattebäuschchendiagnostik“ ist verantwortlich dafür, da wir Teile ganzer Jahrgänge von Migranten (wie ich befürchte) irreperabel für unser Gemeinwesen verloren haben.
Und es sei ausdrücklich gesagt: Das „aussen vor lassen des Korans“ ist mit eines der Grundübel !
Ich befürchte, dass bei diesem Thema insbesondere die CDU doppelte Maßstäbe anlegt. Einerseits mahnte man vor einigen Jahren noch die Türkei an, die kurdischsprechende Minderheit nicht zwangszutürkisieren, also kurdischsprachige Schulen und TV-Sender zuzulassen – umgekehrt hat man jedoch tendenziell ein Problem damit, wenn Minderheiten in Deutschland ihre Erstsprache pflegen. Das aber nur nebenbei, vielleicht überzeichne ich auch etwas.
Sicher ist Sprache der Schlüssel zur Bildung schlechthin. Die Alternative zum Deutsch lernen wären unterschiedliche Schulen mit Sprachschwerpunkt. Das wäre meiner Haltung nach aber weniger integrierend als mehr separierend.
Ich teile auch die Kritik um die Begriffe „Kindeswohl“ und insbesondere „Integration“, die erst einmal schwammig und daher, nunja – „flexibel“ – sind. Daher ist wohl noch völlig offen, was denn nun kommt. Man darf spekulieren.
Ich nehme nach allem, was ich von der CDU weiß(Die wollen ja auch die Deutsche Sprache ins Grundgesetz schreiben) an, dass die Regelungen nach „§ 44a Abs. 1 Nr. 3 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 der IntV“ auch auf Deutsche auszuweiten, möglicherweise mit erhöhten Anforderungen an die Sprachkenntnisse.
Warum erinnert mich diese Idee nur so an bestimmte Maßnahmen von Kolonialvölkern? Dabei fallen mir Zwangsinternate zur Aberziehung der Muttersprache ein, z.B. in Kanada…..
NDM: die Idee der Ausweitung auf Deutsche hat zwar was, aber das würde man sicher vor allem auf die „Deutschen zweiter Klasse“, nämlich die Eingebürgerten beziehen wollen.
@ Anne
Kolonisierte Völker haben von Fremden andere Sprachen aufgezwungen bekommen, dort, wo sie schon immer lebten.
Türken kamen vor wenigen Jahrzehnten freiwillig in ein anderes Land, Deutschland. Wenn sich hier jemand kolonisiert fühlen darf, dann der Deutsche, der auf dem Amt neben deutschen Wegweisern plötzlich türkischsprachige sieht.
Danke für die Info!
Ich bin wirklich platt. Das schwere Wort „Kindeswohl“ in kausalem Zusammenhang mit „Deutschkenntnissen“, das ist schon ein starkes Stück. Das muß man erst mal verdauen. Was diese Leute sich anmaßen, unerträglich.
1. Wenn die Eltern nach einem Integrationskurs immer noch kaum Deutsch sprechen und gleichzeitig ihre Unfähigkeit das Kindeswohl gefährden soll – muss dann das Jugendamt das Kind nicht überlegen, es aus der Familie nehmen?
2. So gut lernen die Eltern Deutsch im Integrationskurs sicher nicht, dass sie ihrem Kind zu Hause sprachrichtiges Deutsch beibringen können — falls sie dummerweise Deutsch mit ihm sprächen. Sollte man die Eltern nicht eher ermutigen, mit den Kindern konsequent in der Muttersprache zu sprechen, aber parallel dazu Kinderkrippe, Ganztagskindergarten, Ganztagsschule zu nutzen, damit das Kind dort richtig Deutsch lernt?
3. Folgt aus der Befürchtung, es gehe bei der Unfähigkeit der Eltern, hinreichend Deutsch zu sprechen, um das Kindeswohl, nicht eher, dass der Staat verpflichtet wäre, hinreichend Plätze in Kinderkrippen, Ganztagskindergärten, Ganztagsschulen mit entsprechender Qualität anzubieten?
4. Konterkarriert also das Betreuungsgeld (die 150 Euro „Herdprämie für den Omaimport“) nicht das implizite Anliegen?
Siehe BlogIG: http://initiativgruppe.wordpress.com/2009/11/28/sinnlos-schwingt-die-keule/
Ich hoffe, die grosse Koalition setzt ihre Plaene durch. Das waere wirklich ein guter Schritt Richtung gelingender Integration.
Das dieses Thema durchaus mehrere Seiten hat, zeigt beispielweise die Initiative der Städte Mönchengladbach und Hamm, die sich zunehmend um die Gewinnung von Pflegeeltern mit Migrationshintergrund bemühen.
http://www.moses-online.de/artikel/tuerkische-pflegeeltern-deutsche-kinder