Migrantenkinder mögen Fast Food und süße Snacks – Wenn Integration der Gesundheit schadet

Reis, Bulgur (gekochter, getrockneter Weizen), Brot, Joghurt, reichlich Gemüse, wenig Fleisch, kaum Alkohol und Zucker - der traditionelle türkische Speisezettel kommt den Empfehlungen für eine gesunde Ernährung recht nahe. Wenn Türken auswandern, ändern sie aber häufig ihre Essgewohnheiten. Damit passen sie sich jedoch nicht nur an das Angebot und die Gebräuche ihrer neuen Heimat an, sondern auch an die dort grassierenden Gesundheitsprobleme: Mit der Umstellung auf eine fett-, salz- und zuckerreichere Ernährung geht ein erhöhtes Risiko für Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes einher.

Von Dienstag, 04.08.2009, 6:39 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 31.10.2011, 19:49 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Solche Veränderungen des Lebensstils und deren Folgen bei Einwanderern in ausgewählten Ländern Europas hat ein gesamteuropäisches Wissenschaftlerteam um die Biochemikerin und Ernährungswissenschaftlerin Santosh Khokhar von der britischen Universität Leeds anhand der vorhandenen Literatur untersucht. Vor allem die zweite und dritte Generation der Migranten, so das Fazit, greift anstatt zu Obst, Gemüse, Nüssen und Getreide lieber zu Fertigprodukten und Fast Food, süßen Snacks, Softdrinks und ähnlichen westlichen Errungenschaften mit hoher Kaloriendichte, einem Übermaß an Fett, Zucker und Salz.

Diese Tendenz zeige sich bei allen untersuchten ethnischen Gruppen, schreibt Khokhar in der Zeitschrift „Nutrition Reviews“, und zählt die Gruppen auf, die in den jeweiligen Ländern den Hauptanteil der ausländischen Wohnbevölkerung ausmachen: Türken in Deutschland und Dänemark, Asiaten in Großbritannien, Surinamesen in den Niederlanden, Nordafrikaner in Frankreich, Rumänen in Italien oder Lateinamerikaner in Spanien. Zu dieser Aufzählung wäre zu ergänzen, dass sie kein Gesamtbild der Bevölkerung mit Migrationshintergrund vermittelt. Denn eingebürgerte Zuwanderer und ihre Nachkommen werden in den nationalen Statistiken meist nicht gesondert aufgeführt.

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Eine gewisse Umstellung der Kost wird allein durch das Angebot an Nahrungsmitteln und die Möglichkeiten der Zubereitung im Einwanderungsland erzwungen. Dabei liegt auf der Hand, dass die Ankömmlinge Pommes frites, Chips, gezuckerte Frühstücksprodukte und Süßigkeiten, die jederzeit überall erhältlich sind, rasch annehmen. Grundnahrungsmittel wie Reis, Mais, Nudeln, Chapatis oder andere Fladenbrote sowie Kochbananen behaupten ihren Platz auf dem Speisezettel dagegen am längsten. Beide Tendenzen werden dadurch begünstigt, dass Zuwanderer sich bevorzugt in Städten niederlassen: Einerseits gibt es an jeder Straßenecke schnelle Snacks für zwischendurch, andererseits sind aber auch Läden mit ausländischen Spezialitäten dichter gestreut. Wie bei der alteingesessenen Bevölkerung entscheidet aber auch bei den Zuwanderern das verfügbare Einkommen, die Arbeitszeiten und der Bildungsstand darüber, wie weit sie den industriell gefertigten Verführungen erliegen, die im Vergleich zu Frischprodukten, zumal importierten, oft preisgünstiger sind. Auch der Glaube, religiöse Ernährungsvorschriften und überlieferte Vorstellungen beeinflussen die Wahl.

Trotz eindeutiger Tendenz ergeben die von Khokhar gesichteten Studien ein vielfältiges Bild. So konsumieren junge Südasiaten in England am liebsten Chips, Sandwiches, Pizza und Gebäck, während die Elterngeneration vom indischen Subkontinent beim gewohnten Mix aus Reis und verschiedenen Currys bleibt. Ebenso halten Chinesen auch nach langjährigem Aufenthalt im Land von Fish ’n‘ Chips an ihrer ursprünglichen Küche fest.

Generell gilt zwar: Je integrierter in punkto Ernährung, desto mehr gleichen sich die Erkrankungsmuster der Immigranten jenen der angestammten Bevölkerung an. Gleichzeitig liegt aber bei den Zuwanderern die Rate der durch Ernährung und Bewegungsmangel bedingten Erkrankungen wie auch die Sterblichkeit höher als bei den Einheimischen – und auch höher als in den jeweiligen Herkunftsländern üblich. Dennoch wirkt sich die Umstellung auf westlich geprägte Verzehrgewohnheiten bei den unterschiedlichen ethnischen Gruppen unterschiedlich auf die Gesundheit aus. Südasiaten oder Jamaikaner sind beispielsweise drei Mal anfälliger für Diabetes als die durchschnittliche britische Bevölkerung. Warum, bleibt bislang unklar. Möglicherweise spielen genetische Faktoren mit. Bei Südasiaten wurden jedenfalls höhere Blutzucker- und Insulinwerte nach Einnahme einer Mahlzeit gemessen als bei anderen Gruppen, was auf eine erhöhte Neigung zu Insulinresistenz hinweist. Dadurch steigt auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Es liegt für Bangladeschis am höchsten, betrachtet man nur die Gruppe der Immigranten aus Südasien in Großbritannien, das höchste Risiko für Bluthochdruck, Gefäßverengungen und Herzinfarkte insgesamt haben dort jedoch die schwarzen Einwanderer aus der Karibik. Ähnlich verhält es sich anderen Untersuchungen zufolge mit Personen aus Polen, dem Iran oder der Türkei in Schweden.

Mehr Forschung und bessere Daten seien nötig, schließt Santosh Khokhar, um die unterschiedlichen Ernährungsweisen und deren Auswirkungen auf die Gesundheit genau zu erfassen. In einem Artikel in der Zeitschrift „Food Chemistry“ dreht die Wissenschaftlerin den Spieß um und schlägt vor, die Spezialitäten, die von den Einwanderern nach Europa gebracht wurden und sich mittlerweile großer Beliebtheit erfreuen, europaweit mit standardisierte Messmethoden zu untersuchen. Damit man endlich weiß, welche und wie viel Fette, Nährstoffe, Nahrungsfasern und andere Bestandteilen, die für die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen von Bedeutung sind, beispielsweise in türkischem Dürüm oder Kebab enthalten sind.

Literatur/Links: Nutrition Reviews (2009), Vol. 66(4): 203-215; Food Chemistry (2009), Vol. 113: 816-824; Quelle: Berlin-Institu für Bevölkerung und Entwicklung

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  1. Pingback: Fact - Fiction » Blog Archive » Die ZEIT will einen Asylbetrüger loswerden. Was ist passiert?

  2. municipal sagt:

    Wer wäre denn so freundlich, die Namen der vielfältigen SÜSSEN Köstlichkeiten der türkischen Bäckerkunst aufzuzählen, aus denen der flüssige Zucker nur so heraustrieft ?

  3. Schneter sagt:

    „Pommes frites, Chips, gezuckerte Frühstücksprodukte und Süßigkeiten, Sandwiches, Pizza … “

    Ich bin auf dem Land aufgewachsen. Dort gab es kein McDonalds, keine Fertig-Pizza, keinen Döner-Stand. Bei uns gab es Äpfel vom Baum, frisches Gemüse und Salat direkt vom Feld, Fleisch vom Bauern. Seit wann sind diese oben genannten ungesunden süßen, fettigen Sachen traditionelle deutsche Küche?

    Die traditionelle türkische Küche ist keinen Deut besser / gesünder als die deutsche oder jede andere traditionelle europäische Küche.

    Das man hierzulande, Einheimische wie Zuwanderer, allerdings in Sachen Essen dem Amerikaner nacheifert, und sich lieber klebrige, aus einer homogenen, knochenlosen Masse bestehende Hühnerstücke und fett-triefende Kartroffelsplitter, angereichert mit undefinierbaren synthetischen Aramostoffen und einer Legion vielversprechender, übelschmeckender Fertigsoßen abgibt, als einfach in einen Apfel zu beissen oder was vernünftiges zu kochen und in Ruhe zu essen, steht auf einem anderen Blatt.

  4. Gesundheit sagt:

    @Schneter, kann dir da nur beipflichten. Ich halte auch nichts von diesen ungesunden Produkten. Ich ernähre mich Gesund, mache Sport und erfreue mich bester Gesundheit. Kann auch überhaupt nicht verstehen das man sich das Zeug freiwillig reinstopft und irgendwelche Krankheiten bekommt. Entweder weiß man nicht was dort enthalten ist oder man hat keine Zeit oder Möglichkeit sich selbst zu bekochen. Mehr Möglichkeiten fallen mir gerade nicht ein. Und wenn Migranten dieses essen, dann kann es doch nicht als ein deutsches „Problem“ abgestempelt werden.

  5. Ali Bey sagt:

    @Schneter,

    Natürlich ist die ungesunde Fastfood-Kultur keine deutsche Erfindung, sondern eine Amerikanische und gibt es überall auch in der Türkei essen immer mehr Jugendliche bei McDoof und Co.
    Und zu der türkischen Küche muss man anmerken, dass die Süßspeisen bei uns auch nicht gerade gesundheitsförderlich sind.

    • Peter Habersaat sagt:

      „Und zu der türkischen Küche muss man anmerken, dass die Süßspeisen bei uns auch nicht gerade gesundheitsförderlich sind.“

      Sind aber schwer lecker..

  6. Schneter sagt:

    @Ali Bey
    „Und zu der türkischen Küche muss man anmerken, dass die Süßspeisen bei uns auch nicht gerade gesundheitsförderlich sind.“

    Ja, das stimmt, aber das ist überall so. Und ich halte das auch nicht für schlimm, wenn man zum Nachtisch mal was Süßes ist oder sich mit Kuchen vollstopft. Aber dieses (amerikanische) Fast-Food ist ein Fluch. Die Leute werden davon fett und krank. Die türkische Küche selbst halte ich schon für sehr gesund und vollwertig.

  7. Bogo sagt:

    Was man sich heute noch auf den Tisch stellen kann ist sowieso Gentechnisch verändert oder Pestizid verseucht.
    Der Bauer hilft da auch nichts, als ob der mir sagt, was er seinen Tieren zu futtern gibt und womit er sein Obst und Gemüse versetzt, außerdem fehlt den meisten Leuten, dass nötige Kleingeld für so einen Schnick Schnack wie Bioprodukte..
    Mein Sohn ißt auch am liebsten Fast Food, also mache ich es ihm selbst, mit ordentlich Salat drinn. Gesünder wird es dadurch auch nicht, aber beruhigt ein wenig das Gewissen und ab und an, darf ich ihm den Burger auch im Vollkornbrötchen servieren oder die Pizza mit Thunfisch,Champions und Mais, ;-)
    Das Berufstätige, nach einer 8 Stundenschicht, nicht mehr die Power haben, sich für Stunden an den Herd zu stellen, ist dann mal noch ein ganz anderes Thema.
    Wenn die Kinder genügend Sport treiben, sollte Fast Food eigentlich kein Problem sein.
    Da ist die Vereinskultur bei zugewanderten männlichen Wesen, schon ausgeprägt.
    Leider verhält es sich aber ganz anders bei den Frauen und Mädchen und das nicht nur im islamischen Kulturkreis. Sehr viele eingewanderte Frauen, waren und sind niemals in einem Sportverein.

    @municipal
    Google sei Dank. :-)
    Türkische Süßspeisen
    http://www.mymerhaba.com/T%C3%BCrkische-S%C3%BCssspeisen-in-der-Turkei-1478.html

    Rezepte
    http://www.foodnews.ch/cooking/20_rezepte/Rezepte_Laender_Tuerkei.html
    (ganz unten)

  8. elimu sagt:

    Na ja.. gesundes in der Türkei zu finden, bedeutet die verschiedensten Regionen auszukundschaften.
    Die Ägäis ist eher für die gesunden Sachen bekannt, da dort eher „leicht“ gekocht wird. Dort sind eher Fisch und Gemüse die Hauptnahrungsbestandteile. Hinzu kommen natürlich die Oliven-Plantagen… Reichlich viel Olivenöl und die verschiedensten Gemüse- und Pflanzensorten. ( die ursprünglichen Rezepte sind wohl auch den Griechen zu verdanken :) )

    Die anderen südlicheren Regionen legen viel Wert auf rotes Fleisch. Daher kommen ja auch die Kebap -Spezialitäten.

  9. Pingback: Integration macht fett : TRANSATLANTIC FORUM

  10. Boli sagt:

    Jeder ist seines Glückes Schmied. Auch beim Essen. Niemand wird gezwungen Junk Food zu essen. Das mit den usprünglichen Rezepten stimmt durchaus. Nur selbst die Griechen essen heute viel zu viel Fleisch und Süsses. Und fett zu werden hat neben der falschen Ernährung durchaus auch damit zu tun ob man religiöse Fastenzeiten ernst nimmt, bzw. einhält oder nicht. Denn zum Beispiel ist es bei den Orthodoxen Christen so das man gut 3 mal im Jahr für insgesamt ca. gut 10 Wochen fastet. Das heißt an Ostern 6 Wochen, 1. – 15. August und knapp 3 Wochen vom im Dezember keine Milch und sonstige tierische Nebenprodukte, kein Olivenöl. Erlaubt sind Obst und Gemüse, Reis, Nudeln, Brot, am Sonntag Fisch und als ölige Ausnahme Oliven.
    Wie ist das eigentlich bei den Muslimen weil ich habe hier widersprüchliche Dinge gelesen. Man soll bei Ramadan zwar über den Tag nicht Essen und Trinken (was ich bezogen aufs trinken auch nicht für gesund halte), nur habe ich schon öfters gehört das das dann einige zum Anlass nehmen nach Sonnenuntergang aufzutischen was das Zeug hält. Das kann doch auch nicht Sinn der Sache sein oder. Laut einem Fernsehbericht ist das eigentlich auch mehr leichte Kost, Reis, Datteln, Wasser, Obst und Gemüse usw. . Weil gestern habe ich erst gelesen das ein deutscher Hersteller von Halalwurst (ja das gibts) bestätigt hat, das besonders in der Zeit des Ramadan der Absatz dieser Produkte besonders hoch ist.

    • Markus Hill sagt:

      Meines Erachtens nimmt man eine unzutreffende Vergleichsgrundlage. McDonalds ist zu vergleichen mit Döner-Bude oder deutscher Frittenbude. Sind die Sachen in der Döner-Bude im Schnitt gesünder wie bei McDonalds?
      Daran vielleicht anzuschliessen: Werden viele deutsche Kinder eher fett durch McDonalds, Döner-Bude oder deutsch Fritten-Bude?
      (Unterschied: Thai/Chinesich/Japanisch – auch oft bei Fast-Food-Schnellküchen immer noch nicht so fett, ausser Ente.:-)