Türkische Presse Europa

27.05.2009 – Visafreiheit, EU-Beitritt Türkei, ECRI-Bericht

Die Europaausgaben der türkischen Zeitungen berichten heute unter anderem über die Visaregelungen für türkische Staatsbürger. Prof. Dr. Harun Gümrükcü bezeichnet den Erlass des BMI als einen wichtigen Schritt. Dieser müsse allerdings erweitert werden. Nahezu alle Zeitungen berichten ferner über die Forderung des Arbeitsministers Olaf Scholz die ausländischen Abschlüsse anzuerkennen. Weitere Themen sind: Der Rüsselsheimer Prozess, Der 4. Deutschland-Bericht des Europarates und der EU-Beitritt der Türkei.

Mittwoch, 27.05.2009, 19:06 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 22.08.2010, 17:29 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Rüsselsheimer Prozess: Die Angeklagten schweigen
Vor dem Darmstädter Landgericht hat gestern der Prozess um die tödliche Schießerei vor einer Eisdiele in Rüsselsheim begonnen. Im vergangenen August wurden bei dem Vorfall drei Menschen getötet und eine Person schwer verletzt. In den Europaausgaben der türkischen Zeitungen findet der Prozess breiten Raum. HÜRRIYET, SABAH und MILLIYET berichten, dass die Angeklagten von ihren Schweigerecht gebraucht gemacht haben. Auch drei Zeugen hätten sich wegen laufender Verfahren in dieser Sache auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Laut MILLIYET haben die Verteidiger zu Beginn der Verhandlung zahlreiche Anträgen gestellt, die vom Vorsitzenden Richter abgelehnt wurden.

Gümrükcü: „Das Ausländergesetz ist nicht rechtmäßig“
Prof. Dr. Harun Gümrükcü, Dozent an der Akdeniz Üniversitesi und Vorsitzender des Untersuchungsausschusses für Visafreiheit in Europa, hat den Erlass des Bundesinnenministeriums vom 6. Mai zur Visaregelung für türkische Staatsbürger als einen wichtigen Schritt gelobt. Gümrükcü habe bei einer Veranstaltung des türkischen Generalkonsulats in Stuttgart erklärt, dass Deutschland die Visumspflicht eingeschränkt und zum Teil aufgehoben habe, ist in der TÜRKIYE zu lesen. In der Praxis habe sich bisher aber nichts geändert, kritisiert Gümrükcü. Die deutschen Auslandsvertretungen hielten an der unrechtmäßigen Praxis fest.

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Gümrükcü betonte zudem, dass auch das deutsche Ausländergesetz unrechtmäßig ist. „Der EuGH hat in seinem Urteil nicht über die Visabestimmungen befunden. Das Gericht hat mit Hinweis auf das bilaterale Abkommen von 1974 die Verschlechterung der rechtlichen Stellung von türkischen Staatsbürgern moniert. Die Einführung der Visumspflicht ist nur eines dieser Verschlechterungen. Auch die Novellierungen im Ausländergesetz von 1980 und 2005 sind mit dem Urteil des EuGH praktisch außer Kraft gesetzt. So sind etwa Erschwernisse bei der Familienzusammenführung und Sprachtest nicht rechtmäßig“, sagte Gümrükcü. Laut ZAMAN kritisierte Gümrükcü auch die Europäische Kommission. Die Kommission habe die Aufgabe die EU-Länder zur Durchführung des Urteils zu bewegen.

Scholz: „Wenn aus Ingenieuren Taxifahrer werden, verschwenden wir Potenzial“
Der Arbeitsminister Olaf Scholz forderte einen einheitlichen Rechtsanspruch auf Anerkennungsverfahren für alle Migranten und alle Abschlüsse, berichten die SABAH, HÜRRIYET, MILLIYET, TÜRKIYE und ZAMAN. „Die jetzige Situation ist ein Skandal“, sagte der Arbeitsminister bei einer Fachtagung zum Thema Arbeitsmarktpolitik und Integration. „Wenn aus Ingenieuren Taxifahrer werden, verschwenden wir Potenzial“, betonte der Minister. Jens Regg von der Bundesagentur für Arbeit habe über die Maßnahmen, die speziell für Migranten angeboten werden, informiert. Die Bundesagentur habe etwa türkischsprachige Broschüren herausgegeben.

„Für Deutschland beschämender ECRI-Bericht liegt vor“ (ZAMAN)
Die ZAMAN, HÜRRIYET und MILLIYET berichten, dass der Europarat den Kampf gegen Rassismus in Deutschland als unzureichend bewertet hat. In seinem 4. Deutschland-Bericht habe die Europarats-Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) unter anderem das deutsche Schulsystem und das Kopftuchverbot für Lehrerinnen kritisiert. Rassistische Angriffe auf Muslime, Türken, Schwarze und Sinti und Roma halte ebenfalls an.

Leoprechting „Den EU-Beitritt der Türkei abzulehnen ist idiotisch“
Dr. Rainhardt Freiherr von Leoprechting, Präsident der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer, hat die Ablehnung eines EU-Beitritts der Türkei scharf kritisiert. Leoprechting bezeichnete diesen Schritt laut Berichterstattung der SABAH und TÜRKIYE als idiotisch.

Ramazan Salman erhält das Bundesverdienstkreuz
Die TÜRKIYE berichtet, dass der türkischstämmige Sozialwissenschaftler und Medizinsoziologen Ramazan Salman mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Die Staatsministerin Mari Böhmer habe dem türkischstämmigen Salman die Auszeichnung bei einer Feierstunde im Kanzleramt überreicht. Böhmer habe besonders das Projekt „Mimi- Mit Migranten für Migranten“ hervorgehoben.

Vorwürfe gegen Bülent Ciftlik
Wegen eines Diebstahls von 930 Stimmen bei der Mitgliederbefragung zur Spitzenkandidatur im Jahre 2006 erlebt die Hamburger SPD erneuert eine parteiinterne Krise, berichtet die SABAH. Der Parteisprecher Bülent Ciftlik habe bei einer parteiinternen Untersuchung unterschiedliche Angaben gemacht, heißt es in Parteikreisen. Bülent Ciftlik betrachtet die Sache als abgeschlossen und weist alle Beschuldigungen von sich. „Ich bin sehr verblüfft, dass ein 2 Jahre zurückliegender Fall, der schon längst abgeschlossen ist, erneuert auf die Tagesordnung gesetzt wird„ sagte Ciftlik gegenüber der SABAH. Türkische Presse Europa

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  1. D. E. sagt:

    Gümrükcü: „Das Ausländergesetz ist nicht rechtmäßig“

    Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Harun Gümrükcü,

    sie mögen zwar recht haben, eigentlich ist für so etwas das türkische Außenministerium zuständig. So wie es aussieht, auch in nächster Zeit, denkt das türkische Außenministerium nicht daran an dieser Konstellation etwas zu ändern.

    Es sind immer wieder die einfachen türkischen Zivilisten, überwiegend die in Deutschland, die wegen dem unrechtsmäßigen Praxis der deutschen Ausländergesetze vor dem Kadi ziehen, letztendlich zum X-ten male vorm EuGH! Jedoch meint die deutsche Regierung, weder die bestehenden EU-Türkei Assosisationsverträge und Vereinbarungen als auch die viel besagten EuGH-Urteile nicht Folgeleisten zu müssen. Warum ist das so?

    Die deutsche Regierung geht davon aus, dass die türkische Regierung in Ankara sich weiterhin passiv verhält, bürgerliche Rechte und Pflichten werden nicht wahrgenommen und autokratische Eliten (überwiegend aus islamistischen Kreisen) sind nunmehr demokratisch durch Wahlen legitimiert und kontrollieren die Macht.

    Ähnliches Verhalten präsentieren auch die türkischen Konsulate und die türkische Botschaft. Anscheinend fühlt sich keiner für die belange der Auslandstürken auf EU-Territorium zuständig. Seltsamerweise regt sich ebenso bei unseren türkischen Mitbürger/innen in Deutschland kein richtiger politischer Widerstand auf gegen diese willkürliche Handhabe der Ausländergesetze.