Hessen

Jeder Vierte hat Wurzeln im Ausland

Fast jeder Vierte der rund sechs Millionen Hessen hat einen Migrationshintergrund. Wirtschaftsminister Dieter Posch und Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn (beide FDP) legten eine Studie vor, wonach 23,4 % der im Land lebenden Menschen entweder Ausländer sind oder Deutsche mit mindestens einem ausländischem Elternteil.

Donnerstag, 30.04.2009, 7:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Studie „Die Ausbildungs- und die Arbeitsmarktsituation der hessischen Bevölkerung mit Migrationshintergrund“ [pdf] wurde vom Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung in Auftrag gegeben. „Damit gibt es zum ersten Mal in Hessen eine Studie, die den Fokus auf die Lage von Ausbildung und Erwerbstätigkeit der hessischen Bevölkerung mit Migrationshintergrund legt“ erläuterte Wirtschaftsminister Dieter Posch anlässlich der Vorstellung der Studie.

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„Für die hessische Integrationspolitik bilden aktuelle Auswertungen des Mikrozensus eine wertvolle empirische Grundlage. Erst seit der Mikrozensuserhebung im Jahr 2005 wird das Kriterium „Migrationshintergrund“ statistisch erfasst. Die amtliche Statistik unterschied bis zu diesem Zeitpunkt lediglich in „Deutsche“ und „Ausländer“. Eine Fokussierung auf den Ausländerstatus ist jedoch nicht mehr zielführend, da ein großer Personenkreis, der potentiell Integrationsunterstützung bedarf, dadurch nicht erfasst wird wie z. B. eingebürgerte Personen, durch Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft erwerbende Kinder ausländischer Eltern oder Spätaussiedler“, sagte Integrations- und Justizminister Jörg-Uwe Hahn.

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Die vorliegende Studie erfülle die in der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP getroffene Festlegung, „schnellstmöglich eine umfassende Analyse in Bezug auf das Bildungsverhalten und die Arbeitsmarktsituation der Migranten zu erstellen“. Mögliche weitere Studien können hierauf aufbauen. Die Ergebnisse seien nun von allen betroffenen Ressorts auszuwerten und für die weitere Ausgestaltung ihrer integrationspolitischen Maßnahmen zu nutzen, erläuterten Hahn und Posch.

Die wesentlichen Ergebnisse der Studie fasste Posch zusammen:

  • In Hessen leben ca. 1,4 Mio. Personen mit Migrationshintergrund (23,4 % der Gesamtbevölkerung). Dieser Migrantenanteil ist der zweithöchste der deutschen Flächenländer (nach Baden-Württemberg).
  • Hinsichtlich der räumlichen Verteilung zeigt sich ein deutliches Süd-Nord-Gefälle: Der Migrantenanteil beträgt im Regierungsbezirk Darmstadt 27 %, im Regierungsbezirk Gießen 20 % und im Regierungsbezirk Kassel knapp 16 %.
  • Personen mit Migrationshintergrund sind hinsichtlich Ausbildungsniveau und Erwerbsbeteiligung schlechter gestellt als Menschen ohne Migrationshintergrund. Hierbei gibt es allerdings deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen, zwischen den Geschlechtern und zwischen den Altersklassen.
  • Das Niveau der beruflichen Bildung von Migranten bleibt deutlich zurück. Etwa 38 % der 25- bis unter 65-jährigen Migranten besitzen keinen beruflichen Ausbildungsabschluss – bei Personen ohne Migrationshintergrund liegt der Anteil nur bei 13 %. Vor allem Ausländer mit eigener Migrationserfahrung tragen hierzu bei. Eingebürgerte Deutsche mit eigener Migrationserfahrung sind hingegen besser gestellt.
  • Die Erwerbslosenquote der 25- bis unter 65-jährigen ist mehr als doppelt so hoch wie die der Personen ohne Migrationshintergrund.
  • Positiv ist vor diesem Hintergrund die relativ hohe Selbständigenquote zu werten, die das Niveau der Personen ohne Migrationshintergrund im Falle der Frauen sogar leicht übertrifft.

Posch betonte, dass das Augenmerk auch auf die Tatsache gelenkt werden müsse, dass jeder dritte hessische Jugendliche unter 15 Jahren zu der Gruppe der Migranten ohne Migrationserfahrung gehöre, und damit zu den Kindern von eingebürgerten Spätaussiedlern und Ausländern. Das Durchschnittsalter dieser Bevölkerungsgruppe betrage gerade einmal 14,1 Jahre. Angesichts des demographischen Wandels bilde gerade diese Migrantengruppe einen wichtigen Faktor für die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft. „Ganz klar zeigt sich, dass qualifizierte Ausbildung und gelungene Integration zusammengehören“, so Posch.

Der Wirtschaftsminister erläuterte, dass sich die Ergebnisse der Studie ebenfalls im Ergebnis einer Betriebsbefragung für die Rhein-Main-Region widerspiegele. Demnach verfügen fast 40 % der beschäftigten Migranten im Rhein-Main-Gebiet über keine Berufausbildung. Als Einstellungshemmnis rangieren mangelhafte Deutschkenntnisse über alle Beschäftigtengruppen einschließlich der Auszubildenden hinweg ganz oben. Als weiteres Hemmnis werden vor allem im Bereich der qualifizierten Stellen fachliche und soziale Kompetenz genannt.

Aus dem Bericht über die Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation der hessischen Bevölkerung mit Migrationshintergrund gelte es nun einen Handlungsleitfaden für die politische Vorgehensweise der nächsten Jahre abzuleiten die zu einer Verbesserung der Situation führten, erklärten Hahn und Posch. Generell gelte, dass integrationspolitische Maßnahmen einer zielgruppenspezifischen Ausgestaltung bedürften.

„Verschiedene Bausteine müssen hier ineinander greifen: Das Wirtschaftsministerium wird seine Maßnahmen im Rahmen der Qualifizierungsoffensive noch stärker auf den Fokus Integration ausrichten. Außerdem wird mit der landesweiten Strategie Olov, die der Verbesserung des Übergangs von der Schule in den Beruf dient, stärker als bisher die Arbeit mit Migranteneltern in den Blick genommen. Nicht zuletzt werden gegenwärtig die bestehenden Ausbildungsplatzförderungsprogramme mit Blick auf den Integrationsaspekt überprüft“, so Posch.

Hahn betonte, dass in der Koordinierung und Bündelung aller Integrationsmaßnahmen die besondere Funktion des Hessischen Integrationsministeriums liege. Darüber hinaus sei es Aufgabe des Integrationsministers die zentralen Leitlinien weiterzuentwickeln und innovative Handlungsmöglichkeiten zu konzipieren.

“Dies sichert eine Integrationspolitik „aus einem Guss“, die der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung des Integrationsprozesses gerecht wird. Es muss uns in den nächsten Jahren gelingen, die verschiedenen Kulturen als Bereicherung für unsere Gesellschaft im Bewusstsein zu verankern. Gerade für ein weltoffenes Land wie Hessen, das auch global als wirtschaftlicher Akteur wahrgenommen werden will, bildet gesellschaftliche Vielfalt einen enormen Standortvorteil. Für die Vorteile dieser Vielfalt müssen wir bewusst auch in der Öffentlichkeit werben. Wir müssen noch stärker als bisher für eine interkulturelle Öffnung von Behörden und sozialen Einrichtungen sorgen. Und wir dürfen nicht nachlassen, die Vorbildfunktion der vielen erfolgreichen Migrantinnen und Migranten in unserem Land zu stärken“, appellierte Hahn abschließend. Gesellschaft Studien

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