Demokratie braucht JEDE Stimme

Kommunales Wahlrecht für ALLE!

„Es gibt in unserem Land immer noch Millionen von Menschen, die bereits seit Jahrzehnten Teil dieser Gesellschaft sind und dennoch rigoros von politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen werden. Dies ist für eine moderne und gut funktionierende Demokratie in keiner Weise zu rechtfertigen“, erklärt Corrado Di Benedetto, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen, bei der Eröffnung der Kampagne „Demokratie braucht JEDE Stimme - Kommunales Wahlrecht für ALLE!“.

Montag, 09.03.2009, 5:33 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 12.08.2010, 7:13 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Immerhin lebten von den 6, 75 Millionen Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland fast die Hälfte länger als 15 Jahre hier. Und 4,45 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner aus Drittstaaten (nicht EU-Staaten) seien in Deutschland auch auf kommunaler Ebene vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Dieser Kritik schließt sich Vito Contento, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in Rheinland Pfalz, in seinem Statement an. „Wir beteiligen uns aktiv an dieser Kampagne, da wir der Meinung sind, dass alle Menschen ausländischer Herkunft, die seit vielen Jahren in Deutschland leben und hier ihren dauerhaften Lebensmittelpunkt haben, in der Kommune, in der sie leben, auf einer Augenhöhe mit alen Bürgern mitreden und mitentscheiden können müssen. Dafür benötigen sie das kommunale Wahlrecht!“ Die Beteiligung von Menschen vor Ort solle unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit ermöglicht werden. „Eine umfassende, gesellschaftliche Integration schließt das kommunale Wahlrecht für Alle ein“, macht Contento deutlich.

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Pfarrer Dr. Wolfgang Gern, Vorstandsmitglied der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen erklärt für die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen und Rheinland Pfalz: „Alle Menschen, die in unseren Kommunen ihren Lebensmittelpunkt haben und sie mit ihren Steuergeldern mitfinanzieren, deren Kinder hier in den Kindergarten und in die Schule gehen, müssen auch über die Infrastruktur ihrer Kommune mitentscheiden dürfen (…) Sie haben ein Recht auf Beteiligung. Und das demokratische Gemeinwesen braucht jede ihrer Stimmen“. Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit sei zwar der Königsweg zur Sicherung von Beteiligungsrechten. Es sei aber problematisch, mit dem Verweis auf Einbürgerungsmöglichkeiten die Einführung des „kommunalen Wahlrechts für Alle“ abzulehnen. Denn gegenwärtig seinen die Einbürgerungszahlen rückläufig und seien die Hürden auf dem Weg zur deutschen Staatsbürgerschaft hoch. Umso wichtiger sei – gerne auch nur als erster Schritt – die Einführung des kommunalen Wahlrechts auch für Nicht-EUBürger.

Eberhard Beck vom DGB Bildungswerk Hessen bekräftigt, dass für eine erfolgreiche Integration und die Akzeptanz von politischen Entscheidungen die Mitwirkung aller Einwohner/innen auf kommunaler Ebene unerlässlich ist. „Der DGB und die Gewerkschaften unterstützen deshalb seit langem die Forderung nach Einführung des kommunalen Wahlrechts. Das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 basiert auf einem herkunftsunabhängigen Wahlrecht. Die demokratische Teilhabe und Mitgestaltung darf sich nicht auf den Betrieb beschränken, sondern muss auf die Kommune übertragen werden.“

Torsten Jäger, Geschäftsführer des Interkulturellen Rat in Deutschland hebt abschließend hervor, dass die Kampagne ganz bewusst „Demokratie braucht JEDE Stimme“ genannt wurde. „Eine Gesellschaft, die einen großen Teil der Bevölkerung von politischen Entscheidungsprozessen ausschließt, gefährdet ihre demokratischen Grundlagen. Wenn in einzelnen Stadtteilen von Großstädten schon heute nur noch 60 Prozent der Bevölkerung das Recht haben, an Kommunalwahlen teilzunehmen und die Interessen von 40 Prozent der Bevölkerung in den Parlamenten nicht repräsentiert werden, weist das auf ein erhebliches Legitimationsproblem hin. Dieses Problem wird aufgrund der demografischen Entwicklung zukünftig noch größer werden, wenn wir ihm nicht durch die Schaffung gleicher Teilhabechancen auch für Drittstaater entgegenwirken.

Die Kampagne „Demokratie braucht JEDE Stimme – Kommunales Wahlrecht für ALLE!“ wurde von Ausländerbeiräten, Gewerkschaften, Migrantenorganisationen und Wohlfahrtsverbänden in Hessen und Rheinland-Pfalz ins Leben gerufen. Sie setzt sich für eine Änderung von Artikel 28 GG ein, um allen rechtmäßig und dauerhaft in Deutschland lebenden Einwohnerinnen und Einwohnern das aktive und passive Wahlrecht auf kommunaler Ebene zu geben. Hierfür ist eine 2/3 Mehrheit im Bundestag und Bundesrat nötig.

Durch Informationsstände vor Ort und mit öffentlichen Veranstaltungen sollen möglichst viele Menschen für diese Forderung gewonnen werden. Auf der Homepage www.kommunaleswahlrecht.de stellen die Trägerorganisationen Materialien und Informationen bereit, um damit ihr Anliegen in die Öffentlichkeit tragen und um Unterstützung zu gewinnen.

Die Unterschriften, die die Kampagne für das Kommunale Wahlrecht für Alle! in den nächsten Monaten gewinnt, sollen dem/der Präsidenten/-in des nächsten Deutschen Bundestages übergeben werden. Die Trägerorganisationen der Kampagne erwarten, dass der Gesetzgeber in der nächsten Legislaturperiode den Weg zum kommunalen Wahlrecht für Alle freimacht.

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  1. Pingback: Hessen: SPD und GRÜNE unterstützen Forderung nach kommunalem Wahlrecht für alle | MiGAZIN

  2. delice sagt:

    Die Diskussion wird meines Erachtens irgendwie falsch geführt oder auch angefasst. Ein allgemeines Wahlrecht für alle Ausländer wird sich so nie zu realisieren können.

    Man sollte sich auch nicht so sehr auf die SPD oder gar den Grünen verlassen, denn dann ist man schon verlassen. Schließlich könnte es sein, dass man mit diesem Wunsch eher das völlige Gegenteil erreicht, wovon insbesondere türkische Staatsbürger ein hohes Klagelied anstimmen können.

    Nun ab September 2007 hat, süffisant genug, dann einer ihrer ärgsten Gegner, in dieser Frage der Einführung einer doppelten Staatsbürgerschaft, Bundesinnenminister, Herr Dr. Schäuble, schließlich diese dann selbst für – fast – alle Menschen eingeführt. Für – fast – deswegen, weil er es immer noch gut versteht türkische Staatsbürger davon gezielt auszuschließen, auch wenn sie bereits eine deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben sollten, schreibt er dies den zu Deutschen gewordenen über das Gesetz vor! Er der immer gegen die Einführung einer generellen doppelten Staatsbürgerschaft eingetreten war, hat sie also schließlich selbst eingeführt, aber eben ohne die Türken! Vielen ist das ja gar nicht einmal so richtig aufgefallen!

    Das bringt doch dann Einem nur zu der einen Erkenntnis, dass politisch hier nicht viel zu machen ist.
    Ich behaupte, dass selbst, wenn dieses einfache politische Gemeinderecht einmal eingeführt werden sollte, diese ganz bestimmt, wieder einmal – ohne – türkische Staatsbürger dann realisiert wird.

    Deshalb geht die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für alle Ausländer nur über eine Klage eines türkischen Staatsbürgers beim EuGH in Luxemburg. Dazu muss man sich nur die bisher ausgesprochenen Normsetzungsurteile des EuGH – zu Fragen von türkischen Staatsbürgern – einfach nur richtig anlesen! Hier seien nur Stichworte, wie das unbedingte „Verschlechterungsverbot“ und die „Stillstandsklausel“, wodurch man vieles – alleine mit diesen zwei Wörtern – ableiten könnte!

    Unionsbürgerschaft

    Man liest neuerdings im Zusammenhang der deutschen Staatsbürgerschaft, bayerisch ausgedrückt, einen „Schmarrn“, der sich „Unionsbürgerschaft“ nennt, den es doch gar nicht gibt. Bei der Gelegenheit sei erwähnt, dass es zwar im Art. 17 EG von einer Unionsbürgerschaft die Rede ist, aber dass stimmt wohl so nicht ganz. In Absatz 1 Satz 2 des Art. 17 EG wird nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nur die nationale Staatsbürgerschaft ergänzt! Denn, wenn man die Staatsbürgerschaft eines dieser Mitgliedsstaaten nicht hat, ist man damit auch kein „Unionsbürger“!

    Die EU ist schließlich kein Staat, auch nicht im herkömmlichen Sinne, und auch kein Staatenbund deutscher Länder (begriffen als „Klein-Deutschland“) wie das Deutsche Reich es einmal war, sondern eine freiwillige Organisation, basierend auf den Gedanken eines zu realisierenden Binnenmarktes innerhalb der Grenzen der EWG/EU, also vom freien Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr, natürlich nur eine Zollunion der EWG/EU (Art. 24 EG ff.). Damit natürlich auch nur eine Wirtschaftsgemeinschaft der Nationalstaaten bzw. der Völker in Europa. Auf diesem Wege dahin gibt es natürlich viele Gemeinschaftsorgane, wie auch das EuGH, die diesen Weg überwachen.

    Vergessen wird dabei auch geflissentlich, dass nach der Bayerischen Verfassung (BV), gültig seit 1949, durch Erlass der westlichen Alliierten, hat nämlich jeder deutsche Staatsbürger in Bayern damit auch die bayerische Staatsbürgerschaft, nach Art. 5 BV ff. Hier treffen sogar die Voraussetzungen für den Begriff von einem Staat, nämlich von Staatsvolk, Staatsgewalt und Staatsgebiet, ein. Nur fehlt das entsprechende Ausführungsgesetz, gemäß Art. 6 Abs. 3 BV.

    Diese bayerische Staatsbürgerschaft wurde lediglich nur 12 Jahr außer Vollzug gesetzt. Denn bis 1934 gab es keine gesamtdeutsche Staatsbürgerschaft. Vor den Gleichschaltungsgesetzen, des vormalig staatenlosen „böhmischen Gefreiten“, also Hitlers, war man als bayerischer Staatsbürger z.B. in Brandenburg oder Hamburg-Altona, rechtlich gesehen zwar deutscher Reichsangehöriger, aber auch nur ein Ausländer, und konnte somit auch bis 1934 leicht ausgewiesen werden!

  3. Pingback: Presseschau - Türkische Presse vom 15.03.2009 und 16.03.2009 - Özdemir, Schäuble, Wahllisten, Visa-Entscheidung | MiGAZIN