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Nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt

"Unbegreifliche Tat"

Berlin nach tödlichem Anschlag in Schockstarre

Nach der tödlichen Fahrt eines Lastwagens über einen Berliner Weihnachtsmarkt setzt sich die Erkenntnis durch, dass Deutschland Opfer eines brutalen Anschlags wurde. In die Trauer mischt sich Entschlossenheit, die eigene Lebensart zu verteidigen.

Mittwoch, 21.12.2016, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 21.04.2020, 19:33 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Nach dem Anschlag auf einen belebten Weihnachtsmarkt in der westlichen Berliner Innenstadt arbeiten die Sicherheitsbehörden mit Hochdruck an der Aufklärung und wägen mögliche Konsequenzen ab. Die Zahl der Todesopfer bei dem mutmaßlich terroristischen Anschlag mit einem Lastwagen stieg auf zwölf. Rund 50 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt, etwa die Hälfte von ihnen wurde am Dienstag noch stationär behandelt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einer „grausamen und letztlich unbegreiflichen Tat“. Weltweit reagierten Menschen mit tiefer Trauer und Bestürzung auf den Anschlag.

Am Montagabend war der Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gerast. Elf Menschen wurden dabei getötet. Im Lastwagen wurde ein weiterer toter Mann gefunden, der Fahrer flüchtete. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zufolge hat dieser den Sattelschlepper bewusst in die Menschenmenge gesteuert. „Wir haben in der Zwischenzeit keine Zweifel mehr, dass es sich bei dem schrecklichen Ereignis um einen Anschlag gehandelt hat“, sagte der Innenminister.

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Wirbel um mutmaßlichen Täter

Generalbundesanwalt Frank führte aus, die Tatbegehung, die an die Bluttat von Nizza in diesem Juli erinnere, sowie das symbolträchtige Ziel Weihnachtsmarkt sprächen für einen terroristischen Hintergrund. Wegen der besonderen Schwere des Falls übernahm die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen. Auch Kanzlerin Merkel sagte, man müsse von einem terroristischen Anschlag ausgehen. Ein Bekennervideo oder ähnliches gab es aber zunächst nicht.

Nach der Festnahme eines Verdächtigen am Montagabend mehrten sich am Dienstag Zweifel an dessen Täterschaft. Der Pakistaner, vor rund einem Jahr als Asylbewerber nach Deutschland gekommen, bestritt die Tat. Man müsse sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass er nicht der Täter sei oder zur Tätergruppe gehöre, sagte Frank. Auch ob es mögliche weitere Täter gab, blieb vorerst unklar.

Müller: Anschlag auf unser aller Freiheit

Merkel legte am Dienstagnachmittag gemeinsam mit anderen Spitzenpolitikern am Ort des Unglücks einen Kranz nieder. Rund 800 Menschen nahmen zudem am Abend an einem Gottesdienst zum Gedenken an die Opfer in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche teil, darunter neben Merkel auch Bundespräsident Joachim Gauck, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), Bundesratspräsidentin Malu Dreyer und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (beide SPD).

Spitzenpolitiker aus Bund und Ländern mahnten dazu, sich nicht von der Angst lähmen zu lassen. Bundespräsident Joachim Gauck sprach von einem „Angriff auf unsere Mitte, auf unsere Art zu leben“. Zugleich betonte er: „Unser Zusammenhalt wird nicht schwächer.“ Merkel sagte: „Wir werden die Kraft finden, für das Leben, wie wir es in Deutschland leben wollen: frei, miteinander und offen.“ Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sprach von einem „Anschlag auf unser aller Freiheit“.

Innenminister raten von Weihnachtsmärkten nicht ab

Am Vormittag vereinbarten die Innenminister von Bund und Ländern in einer Telefonschaltkonferenz, von Weihnachtsmärkten nicht grundsätzlich abzuraten. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) bat die Betreiber in der Bundeshauptstadt jedoch, aus Rücksicht auf die Opfer am Dienstag die Märkte geschlossen zu halten. De Maizière ordnete für die Bundesbehörden Trauerbeflaggung an. Zudem wurde das Brandenburger Tor am Abend in den Landesfarben angestrahlt.

Vertreter von Kirchen und Religionsgemeinschaften zeigten sich schockiert. Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte: „Wir alle sind entsetzt über diese brutale und sinnlose Gewalt.“ Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, äußerte sein Mitgefühl gegenüber den Angehörigen der Toten und Verletzten.

Muslime verurteilen Tat

Der Koordinationsrat der Muslime verurteilte den Anschlag scharf. „Terror hat wieder einmal sein schreckliches Gesicht gezeigt. Er macht keinen Halt vor unschuldigen Menschen und vor dem, was den Menschen heilig ist“, erklärte der Sprecher des Koordinationsrates, Erol Pürlü. In einer für Christen sehr bedeutenden und besinnlichen Zeit sei Trauer und Leid in die Familien gekommen. „Wir sind mit unseren Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen“, sagte Pürlü.

Der Koordinationsrat der Muslime wurde im März 2007 von den vier großen Religionsgemeinschaften Ditib, dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), Islamrat und dem Zentralrat der Muslime (ZMD) gegründet. Er organisiert nach eigenen Angaben die Vertretung der Muslime in Deutschland und ist Ansprechpartner für Politik und Gesellschaft. Der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş, Bekir Altaş, erhielt für eine Kurzmitteilung auf Facebook viel Zuspruch. Er kündigte an, aus Solidarität mit den Opfern und als Zeichen gegen den Terror mit seiner Familie einen Weihnachtsmarkt zu besuchen. Man dürfe sich nicht verunsichern lassen und ein Zeichen setzen. „Ich glaube, es ist Zeit für eine Trotzreaktion“, so Altaş.

Bei dem Anschlag war am Montagabend ein Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gefahren. Zwölf Menschen kamen ums Leben, 48 wurden zum Teil schwer verletzt. (epd/mig) Aktuell Politik

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