Angstforscher
Menschen nach Attentat in Berlin extrem verängstigt
Nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt macht sich laut Angstforscher Bandelow ein Gefühl der Hilflosigkeit breit. Von solchen Attentaten ließen sich Menschen aber nicht dauerhaft einschüchtern. Irgendwann lebten die Menschen einfach weiter.
Von Matthias Klein Mittwoch, 21.12.2016, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 22.12.2016, 11:37 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt ist nach Ansicht des Angstforschers Borwin Bandelow besonders schockierend, weil ein solches Attentat lange befürchtet wurde. „Die Menschen sind extrem verängstigt“, sagte der Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Göttingen am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst. „Mit einem Anschlag mitten in Berlin musste man rechnen. Dennoch konnte er nicht verhindert werden – man konnte sich nicht davor schützen. Ein Gefühl der Hilflosigkeit macht sich breit. Das verstärkt die Angst maximal.“
Am Montagabend war ein Lastwagen in den Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gefahren. Zwölf Menschen kamen ums Leben, 48 wurden zum Teil schwer verletzt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Dienstag, zum jetzigen Stand müsse man von einem terroristischen Anschlag ausgehen.
Angst hilft nicht
Das Umgehen mit der Angst nach dem Ereignis sei schwierig, erläuterte Bandelow. „Dass man jetzt große Angst hat, ist völlig klar. Viele werden nun Menschenansammlungen meiden.“ Dies zunächst eine Zeitlang zu tun, sei unproblematisch, erklärte der Angstforscher. Es sei nicht wahrscheinlich, dass daraus eine Angststörung entstehe.
Dauerhaft helfe ein solches Vermeidungsverhalten aber nicht, fügte Bandelow hinzu. Er rate zu einem „gesunden Fatalismus“: „Man muss sich klarmachen, dass man mit der Gefahr leben muss. Sich nur noch zu verkriechen, geht ja nicht.“
Keine dauerhafte Einschränkung
Die Verarbeitung erschwere, dass Angst im Gehirn in zwei Gebieten verarbeitet werde, die nicht notwendigerweise zusammenarbeiten, erläuterte Bandelow. Es gebe einen intelligenten Teil, der rationalen Argumenten zugänglich sei. Die Angst halte sich aber vor allem im primitiven Teil hartnäckig. „Dennoch muss man die Rationalität einschalten. Es ist statistisch ja sehr unwahrscheinlich, bei einem Anschlag ums Leben zu kommen. Sich im Straßenverkehr zu bewegen, ist aus dieser Sicht erheblich gefährlicher“, sagte Bandelow. Solche Gedanken seien hilfreich, um mit der Angst weiterzuleben.
In Gesellschaften, in denen es häufig Anschläge gebe, sei zu beobachten, dass sich die Menschen davon langfristig nicht einschüchtern ließen. „Eine gewisse Routine stellt sich ein“, sagte Bandelow. „Die Lebensqualität wird dadurch nicht dauerhaft eingeschränkt – die Menschen leben einfach weiter. Es bleibt ihnen auch nichts anderes übrig.“ (epd/mig) Aktuell Gesellschaft
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Vor wenigen Tagen gab es in Jordanien in der Stadt Kerak einen Terroranschlag auf die dortigen Sicherheitskräfte, bei dem zehn Menschen ihr Leben verloren. Nur zwei Tage später wurden bei einer Hausdurchsuchung in derselben Gegend weitere vier Sicherheitskräfte von Terroristen getötet. Mich als in Jordanien lebenden deutschen Staatsbürger berührt das mehr als der Anschlag in Berlin, da die Sicherheit meines Gastlandes mir näher steht als diejenige im fernen Berlin.
Was sich jedoch in Jordanien zeigt, ist, daß anstelle von Angst die Entschlossenheit tritt, sich dem Terror entgegenzustellen, nicht nur als Lippenbekenntnis von Politikern, sondern aus der Mitte der Bevölkerung heraus. Der weitaus größte Teil der Bevölkerung lehnt solche terroristischen Anschläge ab, und im Falle von Kerak waren einige Bürger sogar bereit gewesen, sich mit ihren eigenen Waffen den Terroristen entgegenzustellen, falls nötig. Der vom vorgeblich „Islamischen Staat“ (IS) lebend verbrannte jordanische Kampfjetpilot Mu´adh al-Kasasbeh stammte aus Kerak, und daher mag die Abscheu vor dieser terroristischen Organisation dort vielleicht noch größer sein.
Müssen nicht auch viele unschuldige Zivilisten in Pakistan, Afghanistan, im Jemen und anderswo tägliche Angst haben? Nicht nur Angst vor Anschlägen durch gewaltbereite Extremisten, sondern auch vor US-Drohnen, deren Lenker Kollelateralschäden bei der außergerichtlichen physischen Vernichtung von Verdächtigen nicht kümmern? Hier spielt die Regierung eben jener Bundesrepublik Deutschland, in deren Hauptstadt sich jetzt dieser Anschlag ereignet hat, eine Rolle, denn ohne den US-Luftstützpunkt Ramstein wären diese Drohnenangriffe und andere rechtswidrige militärische Aktionen der US-Streitkräfte nur schwer möglich.
Nach bundesdeutschem Gesetz dürfen vom Boden dieses Staates keine Angriffskriege mehr ausgehen, weswegen der Staat hier gegen seine eigenen Gesetze verstößt. Durch einen Mangel in seinem System werden Klagen gegen diese Verstöße vom Generalbundesanwalt in der Regel zurückgewiesen.
Wer hat nun eine größeres Anrecht auf Angst und Angst vor wem? Sollten die Bundesbürger nicht auch Angst davor haben, daß ihre Regierung sie in immer größere Schuld an der Auslöschung von Menschenleben in fernen Ländern verstrickt?
karakal sagt: 21. Dezember 2016 um 19:10
„Müssen nicht auch viele unschuldige Zivilisten in Pakistan, Afghanistan, im Jemen und anderswo tägliche Angst haben?“
„Ja, aber das war in New Jersey, wen interessiert das?“
Det. Walter Bedsoe in Highlander
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