Törens liberale Kolumne

Integrationskurse – die Erfolgsgeschichte geht weiter

Die Integrationskurse sind seit ihrer Einführung Gegenstand kontroverser Diskussionen. Die Opposition bemängelt die mangelnde finanzielle Ausstattung, die Bundesregierung feiert sie als Erfolgsmodell. Serkan Törens Replik auf die Kritik von Sevim Dağdelen.

Von Serkan Tören Montag, 19.09.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 06.10.2011, 0:02 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Bei den Integrationskursen der Bundesregierung wird nicht gespart. Die Mittel für die Kurse werden im kommenden Jahr sogar noch einmal erhöht, und zwar um 6 Millionen Euro auf insgesamt 224 Millionen Euro. Die Behauptung, die Teilnehmerzahlen seien infolge der Sparmaßnahmen aus dem letzten Jahr gesunken, ist schlichtweg falsch.

Die Zahl der Teilnehmer ist tatsächlich leicht rückgängig. Das ist aber eher auf gesunkene Neuzuwandererzahlen zurückzuführen. Zudem ist die Zahl der bereits länger in Deutschland lebenden Migranten mit einem Bedarf oder Interesse gesunken, da die Kurse bereits seit dem Jahr 2005 laufen und schon von vielen Hunderttausenden besucht wurden. Darüber hinaus wird richtigerweise das Kursangebot stärker bedarfsgerecht ausgebaut und differenziert. Dies hat zu einem Rückgang der Teilnehmerzahlen in den allgemeinen Integrationskursen und einer zunehmenden Nachfrage nach zielgruppenspezifischen Kursen geführt. Hier sind erfreulicherweise insbesondere die Frauen- und Elternintegrationskurse zu nennen. Fakt ist: Jeder Teilnahmeberechtigte kann damit rechnen, nach etwa 4 Wochen einen Kurs zu beginnen. Aktuell besuchen rund 90.000 Teilnehmer einen Integrationskurs.

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Gleichwohl müssen die Kurse an sich und das System evaluiert und weiterentwickelt werden. Die schwarz-gelbe Koalition arbeitet derzeit intensiv an der Überarbeitung der Integrationskursverordnung. Mittels eines neu gestalteten Trägerzulassungsverfahrens soll künftig für eine erhöhte Qualität des Systems gesorgt werden. Darunter fallen etwa die Optimierung des Einstufungssystems, aber auch verschärfte Regelungen zur Verhinderung von Abrechnungsbetrug. Es darf nicht sein, dass die überwiegend gute und engagierte Arbeit der Lehrkräfte und Teilnehmer von wenigen schwarzen Schafen in Misskredit gebracht wird. Das gilt im Übrigen auch für die Kursträger, die ihren Lehrkräften Dumpinglöhne zahlen. Erfolgreiche Integrationskurse sind auf qualifizierte und motivierte Lehrkräfte angewiesen. Für die Bezahlung der Lehrkräfte sind die zugelassenen Kursträger verantwortlich. Derzeit gibt es über 1.400 Integrationskursträger. Die Bezahlung der Lehrkräfte ist entsprechend unterschiedlich. Der überwiegende Teil der Kursträger wirtschaftet effizient und verantwortungsvoll mit den Geldern zur Durchführung der Integrationskurse und bezahlt seine Lehrkräfte adäquat. Kursträger, die ihren Lehrkräften Dumpinglöhne zahlen, sollten keine Zulassung mehr erhalten.

Auch für die Sicherstellung der Kurse im ländlichen Raum wollen wir mehr tun. Denn tatsächlich leben mehr als 50% der Migranten im ländlichen Raum. Dort unterliegt die Durchführung von Integrationskursen besonderen Herausforderungen. Oft scheitert dort das Zustandekommen eines Integrationskurses an mangelnder Kooperation zwischen Kursträgern, etwa wenn die Mindestteilnehmerzahl nicht erreicht ist. Künftig sollen Träger im Sinne der Teilnehmer zur Kooperation verpflichtet werden können.

Wir müssen uns allerdings bewusst sein, dass ein bundesweites, flächendeckendes Angebot an Integrationskursen auf Grund sinkender Nachfrage oder des demographischen Wandels in einigen Regionen mittelfristig nicht zu jeder Zeit und im vollen Umfang aufrecht zu erhalten sein wird. Aber wir verschließen nicht die Augen vor den Realitäten und prüfen beispielsweise auch den Einsatz von e-learning und digitalen Medien.

Was die Kritik der Opposition über ihr Bild von Migranten verrät
Gleichwohl finde ich die Argumentation und Kritik der Opposition an den Integrationskursen sehr kennzeichnend für das Bild, das in der Politik vielfach von Menschen mit Migrationshintergrund vorherrscht. 2010 etwa kam es auf Grund eines finanziellen Engpasses zu Wartezeiten für einige Teilnahmeberechtige. Fälschlicherweise wurde von einigen Oppositionspolitikern behauptet, die Teilnehmer seien abgewiesen worden. Zumindest war man sich bei den Linken und Sozialdemokraten gleich sicher, Migranten würden ihr Interesse an Integrationskursen verlieren, weil sie statt der regulären 4 Wochen zeitweise bis zu 3 Monate auf den Beginn eines Kurses warten mussten.

Eine ähnliche Diskussion gab es beim Thema Fahrtkosten. Seit dem letzten Jahr werden nur noch Fahrtkosten ab dem 3. Kilometer übernommen, eine wie ich finde nachvollziehbare Maßnahme. Aber auch hier sieht die Opposition Diskriminierung und unverhältnismäßig hohe Hürden, die lernwillige Migranten davon abhalten, einen Integrationskurs zu besuchen und die deutsche Sprache zu lernen. Die Vorstellung, dass Menschen diese kurze Strecke auch auf eigene Kosten fahren, ein Fahrrad benutzen oder Fahrgemeinschaften bilden, scheint absurd und unzumutbar für „den Migranten“.

Zudem finde ich es verwunderlich, wie die Frage von Spracherwerb auf die von der Bundesregierung angebotenen Integrationskurse verengt wird. Viele Migranten erlernen die deutsche Sprache auf anderen Wegen. Durch ein Selbststudium, etwa durch die kostenlosen Online-Sprachkurse der Deutschen Welle, oder sie lernen die Sprache mit Hilfe von Freunden oder Familienangehörigen oder nehmen die vielen alternativen Angebote zahlreicher Sprachschulen in Deutschland wahr. Als Liberale trauen wir Migranten etwas zu. Das Bild von „dem Migranten“, der grundsätzlich besonderer Förderung und Hilfestellung in jeder Lebenslage bedarf, ist falsch und respektlos gegenüber den vielen Menschen mit Migrationshintergrund, die Ehrgeiz, Motivation und Gestaltungswillen mitbringen, wenn sie nach Deutschland kommen.

Dennoch hat die Bundesregierung 2005 richtig daran getan, die quasi kostenlosen und flächendeckenden Integrationskurse einzuführen. Bis heute haben über 700.000 Migranten einen Kurs besucht. Darunter waren Neuzuwanderer, aber insbesondere Menschen, die oft schon Jahrzehnte in Deutschland leben. Die Teilnehmer zahlen maximal einen Euro pro Kursstunde, die restliche Summe übernimmt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dass ein Staat jährlich über 200 Millionen Euro in Sprachunterricht für Zuwanderer investiert, ist weltweit einmalig. Nichts desto trotz sind die Herausforderungen der Integration und Partizipation nicht mit dem erfolgreichen Besuch eines Integrationskurses gelöst. Hier muss unser Fokus insbesondere dem Bildungssystem in Deutschland gelten.

Liebe Leserinnen und Leser, genau wie Integration ein gesellschaftlicher Prozess ist, der nicht irgendwann abgeschlossen sein wird, sondern stetig weitergeht, sind auch die Integrationskurse im Wandel. Es gilt, existierende Baustellen zu beheben und die Kurse qualitativ weiterzuentwickeln. Ich lade insbesondere die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition herzlich ein, an der Weiterentwicklung konstruktiv mitzuwirken. Die teils sehr verzerrte bis falsche Darstellung der aktuellen Situation der Integrationskurse fällt sicher nicht darunter. Aktuell Meinung

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  1. Marc Fischer sagt:

    Wo waren Sie Herr Tören, als man auf Ihre Landsleute einschlug, jetzt ergreifen Sie mutig das Wort, wo viele zuvor etwas gesagt haben. Auch uns sind Alibimigranten nicht angenehm.

  2. Udo sagt:

    Überfüllte Kurse, schlechte (und schlecht bezahlte) Lehrer, Schüler ohne und mit recht guten Deutsch Kenntnissen in einer Klasse…

    Am Ende des Kurses gehen viele mit etwas „Tarzan Deutsch“ und einer nicht bestandenen B1 Prüfung nach Hause. Natürlich ist ein schlechter, günstiger Kurs besser, als überhaupt kein Kurs, aber man sollte die Praxis auch nicht verklären.

  3. Alpay sagt:

    Seien Sie endlich so ehrlich und hören Sie auf die Kurse als „Integrationskurse“ zu betiteln. Es reine AB-Massnahmen. Den Rest hat Udo schon ausgeführt. Mit sowas schönt man, die sowieso geschönten Arbeitslosenstatistiken.