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Europäische Union (EU) © 123rf.com

Vier Stellschrauben

EU-Minister bringen massive Asylverschärfungen auf den Weg

Schneller, strenger und möglichst außerhalb der EU: Europas Innenminister treiben die Reform des Asylsystems voran. Ein Bündel von Maßnahmen soll Abschiebungen erleichtern, Verfahren beschleunigen und die Verteilung von Schutzsuchenden neu regeln.

Von Montag, 08.12.2025, 18:01 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 08.12.2025, 18:01 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Europas Innenminister wollen in der Migrationspolitik einen deutlich härteren Kurs einschlagen. Weniger Menschen sollen künftig Chancen auf Asyl haben, Verfahren sollen verstärkt außerhalb der EU stattfinden, Abschiebungen schneller möglich sein und die Lasten unter den Mitgliedstaaten neu verteilt werden. Am Montag brachten die EU-Innenminister in Brüssel einen umfangreichen Maßnahmenkatalog auf den Weg.

„Wir stehen an einem Wendepunkt der Asyl- und Migrationspolitik“, sagte EU-Migrationskommissar Magnus Brunner. Zwar sei die sogenannte „irreguläre“ Migration innerhalb eines Jahres um 35 Prozent zurückgegangen, dennoch bleibe der Druck auf die Asylsysteme hoch. „Deshalb ist es gut, dass wir heute neue Werkzeuge hinzufügen.“ Mit „irregulärer“ Migration sind auch Fluchtbewegungen von Menschen gemeint, die Schutz suchen. Weil es an sicheren und legalen Fluchtwegen fehlt, bleiben ihnen oft keine anderen Möglichkeiten, als Grenzen zunächst ohne gültige Dokumente zu überqueren, um ihr international verbrieftes Recht auf Asyl geltend zu machen. Juristisch sind sie damit nicht „irregulär“, sondern nehmen geltendes Recht wahr.

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Auch Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sprach von einer entscheidenden Weichenstellung. „Wir erleben heute ein europäisches Momentum“, sagte er. Konkret drehten die Innenminister am Montag an vier Stellschrauben.

Neue EU-Rückführungsverordnung

Die Minister stimmten dem Vorschlag der EU-Kommission für ein Gemeinsames Europäisches Rückkehrsystem zu. Ziel ist es, Abschiebungen zu vereinfachen und zu beschleunigen.

Mit der sogenannten Rückführungsverordnung soll erstmals ein EU-weites Rückführungssystem etabliert werden. Durch die gegenseitige Anerkennung von Rückkehrentscheidungen können Mitgliedstaaten die Entscheidungen anderer Staaten direkt durchsetzen – ohne ein neues Verfahren einzuleiten. Das soll Ausreisepflichtigen signalisieren, dass sie Rückführungen nicht durch den Wechsel in einen anderen EU-Staat umgehen können.

Strengere Pflichten für Betroffene

Für Betroffene gelten strenge Pflichten: Sie müssen mit den Behörden kooperieren, sonst drohen Leistungskürzungen, der Entzug von Arbeitserlaubnissen oder strafrechtliche Maßnahmen bis hin zu Haft. Personen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen, können mit längeren oder sogar unbegrenzten Einreiseverboten sowie Haft rechnen. Zudem sollen Rückführungszentren in Drittstaaten ermöglicht werden.

Europäische Kirchen, Hilfswerke und Amnesty International warnen vor einem repressiven Kurs. Besonders umstritten sind die Rückführungszentren in Drittstaaten.

Abschiebung in „sichere“ Drittstaaten

Zudem gaben die Innenminister der Überarbeitung des Konzepts der sogenannten „sicherer Drittstaaten“ grünes Licht. Asylanträge können künftig leichter als unzulässig abgelehnt werden, wenn Schutz bereits in einem sicheren Nicht-EU-Staat möglich ist. Eine Verbindung zwischen Antragsteller und Drittstaat ist dafür nicht mehr zwingend. Die Durchreise durch ein Drittland genügt oder es besteht ein Abkommen über die Bearbeitung von Asylanträgen mit einem Drittstaat.

Schutzsuchende können demnach auch in Länder abgeschoben werden, in denen sie noch nie waren. Auch dieser Vorschlag verweist auf die Möglichkeit, Abschiebungszentren in Drittstaaten einzurichten. Abgelehnte Asylbewerber dürfen während eines Einspruchs nicht automatisch in der EU bleiben.

Gemeinsame Liste „sicherer“ Herkunftsländer und Solidaritätspool

Erstmals hat die EU auch eine gemeinsame Liste „sicherer“ Herkunftsländer festgelegt. Damit sollen Menschen schneller nach Ägypten, Marokko, Tunesien, Indien, Kosovo, Bangladesch oder Kolumbien abgeschoben werden können. Für Asylbewerber aus diesen Staaten sollen beschleunigte Verfahren möglich sein, etwa direkt an Grenzen oder in Transitbereichen. Auch EU-Beitrittskandidaten gelten grundsätzlich als sicher, sofern keine Kriegs- oder gravierenden Menschenrechtsrisiken bestehen.

Die EU-Innenminister haben sich zudem auf einen Solidaritätspool zur Verteilung von Schutzsuchenden innerhalb der EU geeinigt. Im kommenden Jahr sollen 21.000 Personen aus solchen EU-Staaten umverteilt werden, die unter besonders hohem Migrationsdruck stehen. EU-Staaten, die keine Schutzbedürftigen aufnehmen wollen, können auch finanzielle Hilfe leisten.

Laut einem Bericht der EU-Kommission stehen Zypern, Griechenland, Italien und Spanien unter besonders hohem Migrationsdruck. Sie sollen daher von den Solidaritätsmaßnahmen profitieren. Welche Länder Schutzsuchende aufnehmen sollen, teilte der Rat zunächst nicht mit. EU-Migrationskommissar Brunner hatte bereits erklärt, dass Deutschland voraussichtlich keine weiteren Solidaritätsmaßnahmen erbringen muss.

Linke kritisiert Aushöhlung von Rechten

Die fluchtpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger, kritisiert die Vorhaben scharf. Es drohe „eine drastische Ausweitung von Abschiebehaft, menschenrechtswidrige Abschiebezentren in Drittstaaten und eine völlig unverhältnismäßige Ausweitung der Pflichten von Betroffenen während des Abschiebungsverfahrens“, erklärte die Linke-Politikerin. Sie befürchtet, Behörden könnten mit ausreisepflichtigen Menschen „künftig fast alles machen“.

Bünger weiter: „Die gefassten Beschlüsse höhlen die Rechte von Asylsuchenden bis zur Unkenntlichkeit aus.“ Die EU-Staaten müssen sich jeweils noch mit dem Europäischen Parlament auf den endgültigen Rechtstext einigen. „Das EU-Parlament darf dem nicht zustimmen“, fordert Bünger. (epd/mig) Leitartikel Politik

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