
Rassistischer Brandanschlag
BGH bestätigt Freispruch für Neonazi im Saarlouis-Prozess
34 Jahre nach dem Anschlag von Saarlouis ist der einstige Neonazi, der den Täter damals zu der Tat angestachelt haben soll, endgültig freigesprochen. Damit zieht der Bundesgerichtshof einen Schlussstrich unter den Fall. Fragen zu Ermittlungsfehlern der Polizei bleiben aber.
Dienstag, 07.10.2025, 16:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 07.10.2025, 16:24 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Rund 34 Jahre nach dem tödlichen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Saarlouis ist der Freispruch eines Mannes vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord und zum Mordversuch rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof (BGH) verwarf die Revision der Bundesanwaltschaft und bestätigte damit ein entsprechendes Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz.
Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, er habe im September 1991 einen damaligen Freund zu dem Brandanschlag motiviert. Der Prozess gegen den Mann, der zur Tatzeit eine führende Figur in der Neonazi-Szene von Saarlouis gewesen sein soll, endete im Juli 2024 aber mit einem Freispruch. Diese Entscheidung bestätigte nun der BGH in Karlsruhe. (Az. 3 StR 534/24)
Erstes Urteil seit Januar rechtskräftig
Bei dem Brandanschlag auf die Asylunterkunft in Saarlouis starb der damals 27 Jahre alte Asylbewerber Samuel Yeboah aus dem westafrikanischen Ghana. Die anderen Bewohner konnten sich aus dem Haus retten, erlitten teils aber Knochenbrüche, weil sie aus dem Fenster sprangen. Die Ermittlungen wurden in den 90er-Jahren zunächst ohne Ergebnis eingestellt. Erst als der Täter einer Frau 2007 auf einem Grillfest die Tat gestand und sie daraufhin Anzeige erstattete, wurde die Sache neu aufgerollt.
Mehr als 30 Jahre nach der Tat verurteilte das Oberlandesgericht Koblenz den Brandleger dann im Oktober 2023 unter anderem wegen Mordes in einem Fall und versuchten Mordes in zwölf Fällen zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten. Dieses Urteil ist bereits seit Januar rechtskräftig.
Zweiter Prozess wegen Beihilfe
In dem zweiten Prozess warf die Bundesanwaltschaft dem ehemaligen Freund des Täters Beihilfe zum Mord und zum versuchten Mord in 20 Fällen vor. Er habe am Abend des Anschlags den Täter durch Äußerungen dazu motiviert, den Brandanschlag auf das Asylbewerberheim zu verüben. Die oberste deutsche Anklagebehörde hatte eine Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren gefordert, die Verteidigung hatte sich für einen Freispruch ausgesprochen.
Für eine Verurteilung des Mannes reichten dem Oberlandesgericht Koblenz am Ende die Beweise nicht aus. Eine Beihilfe des Angeklagten zu dem Brandanschlag habe sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt, hieß es bei der Urteilsverkündung. Dem Gericht zufolge bestärkte der Angeklagte den Täter zwar in dessen Entscheidung zur Tat. Ein Vorsatz, dass er ihn konkret zu einem Brandanschlag angestiftet habe, sei aber nicht nachgewiesen worden.
Formulierung entscheidend
Entscheidend war für die Beurteilung ein Satz, den der Freigesprochene am Abend des Brandanschlags zu dem späteren Täter und einem weiteren Freund gesagt haben soll. Laut Gericht hatte er – möglicherweise in Anknüpfung an Ausschreitungen gegen Asylsuchende und Ausländer in Ostdeutschland – gesagt, in Saarlouis müsse „auch sowas passieren“. Die Anklage hatte ihm vorgeworfen, er habe gesagt, es müsse „auch mal so etwas brennen“. Diese Aussage konnte ihm im Prozess aber nicht nachgewiesen werden.
Die Bundesanwaltschaft legte gegen das Koblenzer Urteil Revision ein, sodass der Fall bei dem für Staatsschutzverfahren zuständigen dritten Strafsenat des BGH landete. Die Überprüfung des Urteils durch die Karlsruher Richterinnen und Richter ergab daraufhin aber keine Rechtsfehler. Die Revision wurde verworfen, der Freispruch ist damit rechtskräftig.
Ermittlungsfehler und Versäumnisse
Die ursprünglichen Ermittlungen 1991/92 waren im Sande verlaufen: Zwar vernahm das Kriminalkommissariat Saarlouis drei in der Stadt bekannte Neonazis, ließ sie nach ihren Aussagen jedoch wieder gehen. Ein rechtsextremer Hintergrund wurde damals offiziell nicht festgestellt; die Staatsanwaltschaft schloss die Akte bereits 1992. Erst der spätere Hinweis der Zeugin setzte neue Schritte in Gang, 2020 übernahm die Bundesanwaltschaft das Verfahren erneut.
Die saarländische Polizei räumte später Versäumnisse ein: Der Landespolizeipräsident entschuldigte sich 2022 öffentlich für Defizite in der damaligen Arbeit, die zur Einstellung der Ermittlungen beigetragen hätten. Eine interne Arbeitsgruppe stellte Mängel bei Erhebung, Bewertung und Weitergabe von Informationen fest. (dpa/mig) Aktuell Recht
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- 3. Oktober Tag der offenen Moschee: Frag den Imam!
- Armutsbericht Migranten arbeiten öfter – und haben weniger
- 35 Jahre Einheit Die Mauer fiel uns auf den Kopf
- Abhängigkeit und Drohungen Afrikas Abschiebedeals mit den USA
- 117 Personen an Bord Zwei Abschiebeflieger Richtung Bagdad und Balkan
- Schuster für rasche Neuregelung bei Ukraine-Flüchtlingen