
„Ständig“ Abschiebeflüge
Gesamtzahl der Geflüchteten sinkt erstmals seit 2011
Die Zahl der Geflüchteten in Deutschland ist seit 2011 erstmals wieder gesunken. Grund: weniger Einreisen, mehr Einbürgerungen – aber auch mehr Abschiebungen. Linke kritisiert: Nicht die Zahl der Geflüchteten sinkt, sondern die Mauern werden höher.
Sonntag, 21.09.2025, 13:43 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 21.09.2025, 13:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Gesamtzahl der in Deutschland lebenden Flüchtlinge ist erstmals seit 2011 wieder leicht gesunken. Dies ergibt sich aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken im Bundestag. Danach ist die Gesamtzahl im Lauf des ersten Halbjahres um etwa 50.000 Menschen: von 3,545 Millionen Ende 2024 auf aktuell 3,495 Millionen gesunken.
Gründe sind nach einer Analyse der Linken, dass zwar weiter Menschen und Kriegsflüchtlinge neu einreisen, ihnen aber eine steigende Zahl von Abschiebungen und Ausreisen gegenübersteht. Zudem wurden viele von ihnen auch eingebürgert. So erhielten etwa im vergangenen Jahr laut Bundesinnenministerium allein 83.150 vormals syrische Staatsangehörige den deutschen Pass.
Den Zahlen zufolge haben aktuell rund 492.000 der rund 3,5 Millionen Flüchtlinge einen unsicheren Status – sie sind also etwa Asylsuchende oder Geduldete. Die Zahl der aus der Ukraine geflüchteten Menschen betrug Ende Juli 1,27 Millionen. In der Gesamtzahl sind Flüchtlinge mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus berücksichtigt, inklusive Menschen aus der Ukraine. Diese können erst seit wenigen Monaten hier leben oder auch schon seit vielen Jahren.
Bünger: Asylzahlen kein Grund zum Feiern
Die innen- und fluchtpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Clara Bünger, erklärte zu den Zahlen, dies sei „wahrlich kein Grund zum Feiern, denn Gründe zur Flucht gibt es weltweit so viele wie seit langem nicht mehr. Doch immer weniger Schutzbedürftige schafften es über die hochgerüsteten und vorverlagerten EU-Außengrenzen.“
Dass die absolute Zahl der in Deutschland lebenden Geflüchteten zurückgeht, belege „die Absurdität des Geredes von einem vermeintlichen Notstand, der es erlauben soll, EU-Asylrecht außer Kraft zu setzen.“ Das Bundesinnenministerium hatte Grenzkontrollen sowie schärfere Asylregeln mit einem „Notstand“ begründet.
„Statt ständig über Abschiebung und Abschottung zu debattieren und damit die extreme Rechte zu stärken, müssen wir über gute Wege der Teilhabe und Eingliederung von Geflüchteten in die Gesellschaft und Arbeitswelt reden. Wir brauchen pragmatische, menschenrechtskonforme Lösungen statt rechtspopulistischer Hetze, mit der kein einziges Problem gelöst wird“, so Bünger weiter.
Dobrindt will „ständig“ Abschiebeflüge nach Afghanistan
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte seine Absicht zuletzt am Donnerstag im Bundestag bekräftigt, Abschiebungen deutlich auszuweiten. „Wir werden dafür sorgen, dass diese Flüge ständig, regelmäßig und ordentlich nach Afghanistan Straftäter zurückführen“, sagte er. Kritik daran, dass die Bundesregierung mit dem Taliban-Regime spricht, um Abschiebungen in das Land zu ermöglichen, wies Dobrindt zurück.
Der Linke-Abgeordnete Dietmar Bartsch warf Dobrindt vor, sich nur um eine einzige Sache zu kümmern, obwohl er noch für viele andere Dinge zuständig sei. „Sie sind nicht Migrationsminister“, rief er Dobrindt zu. „Das kann nicht sein, dass das das alleinige Thema ist.“ Die Kontakte der Bundesregierung zu den Taliban bezeichnete Bartsch als „Tabubruch“.
Mehr Abschiebungen auch nach Griechenland
Abschiebungen sind aber nicht nur im Kontext von Afghanistan ein Thema. Wie aus einer weiteren Antwort der Bundesregierung auf parlamentarische Anfrage der Linken im Bundestag hervorgeht, hat Deutschland im ersten Halbjahr auch mehr Flüchtlinge nach Griechenland abgeschoben – insgesamt 388 Personen. Im Gesamtjahr 2024 waren es 220 Abschiebungen aus der Bundesrepublik nach Griechenland.
Abschiebungen in das Land gab es wegen der schlechten Bedingungen für Asylsuchende lange Zeit nicht. Gerichte entschieden in der Vergangenheit oftmals zugunsten von Menschen, die ihre Abschiebung nach Griechenland mit der EU-Außengrenze verhindern wollten. Im April urteilte das Bundesverwaltungsgericht allerdings, dass alleinstehenden, erwerbsfähigen und nicht vulnerablen Schutzberechtigten aktuell „keine erniedrigenden oder unmenschlichen Lebensbedingungen“ drohten. Darauf verweist auch das Bundesinnenministerium in seiner Antwort.
Bünger kritisiert die angepasste Praxis. Seit mehr als vier Jahren führe die Bundesregierung ergebnislose Gespräche mit der griechischen Regierung zur Verbesserung der Lage anerkannter Geflüchteter dort, sagte sie. Dennoch würden jetzt immer mehr Betroffene nach Griechenland ins Elend abgeschoben. „Dass anerkannt schutzbedürftige Menschen in der EU einfach nicht zur Ruhe kommen können und keine Sicherheit finden, ist ein fortgesetzter Skandal“, sagte sie. (dpa/mig) Leitartikel Politik
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