
„Fatales Signal“
Thüringen streicht Stelle des Antiziganismus-Beauftragten
Die Thüringer Landesregierung besetzt die Stelle des Antiziganismus-Beauftragten nicht neu. Kritiker sprechen von einem „fatalen Signal“ – und warnen vor einem Rückschritt im Kampf gegen tief verwurzelte Diskriminierung.
Dienstag, 12.08.2025, 12:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 12.08.2025, 12:30 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Thüringer Landesregierung wird die Stelle eines Antiziganismus-Beauftragten nicht erneut besetzen. Wie ein Sprecher des Justizministeriums MDR Thüringen sagte, sieht die Landesregierung die Integration von Sinti und Roma als ressortübergreifende Aufgabe. Zuständig seien alle Ministerien – darunter Bildung, Arbeit, Gesundheit und Wohnen –, um einen gleichwertigen Zugang sicherzustellen.
Die Entscheidung stößt auf scharfe Kritik. Die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA e.V.) reagierte mit „großem Entsetzen und tiefem Bedauern“. Geschäftsführer Dr. Guillermo Ruiz warnte: „Wer glaubt, Antiziganismus ließe sich ohne klare Zuständigkeiten und politische Verantwortung bekämpfen, verkennt die Tiefe und Tragweite des Problems.“ Aus Sicht von MIA entzieht sich Thüringen mit diesem Schritt seiner Verantwortung und schwächt den Kampf gegen antiziganistische Diskriminierung.
Massiver Anstieg antiziganistischer Straftaten
Auch die Linkspartei und die frühere Thüringer Antiziganismus-Beauftragte Doreen Denstädt (Grüne) kritisieren den Beschluss. Antiziganismus sei tief in der Gesellschaft verankert, ohne eine klar benannte Ansprechperson werde die Auseinandersetzung erschwert. Jens-Christian Wagner, Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, bedauerte die Entscheidung: Es sei ein wichtiges Signal gewesen, dass die frühere rot-rot-grüne Landesregierung eine Beauftragte eingesetzt habe.
Nach Angaben von MIA wurden 2024 bundesweit fast 1.700 antiziganistische Vorfälle dokumentiert – ein Anstieg um rund 400 im Vergleich zu 2023. Die Bekämpfung dieser Form der Diskriminierung erfordere, so MIA, „entschlossenes politisches Handeln, verbindliche Maßnahmen und klar benannte Zuständigkeiten – keine vagen Absichtserklärungen“.
MIA fordert Neubesetzung der Stelle
Der 2. August ist der Europäische Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma. Historiker schätzen, dass während der NS-Zeit mehrere Hunderttausend Angehörige dieser Minderheit ermordet wurden. In Thüringen leben heute schätzungsweise einige Tausend Sinti und Roma, eine genaue Zahl ist nicht bekannt. Viele Angehörige dieser Minderheit halten ihre Abstammung aus Sorge vor Ausgrenzungen und Rassismus geheim – vor allem Eltern.
MIA fordert die Landesregierung auf, die Entscheidung zu revidieren und die Stelle unverzüglich neu zu besetzen. Andernfalls komme dies einem „institutionellen Rückzug aus dem Kampf gegen Antiziganismus“ gleich – mit „verheerenden Folgen für eine ohnehin marginalisierte Minderheit“. (mig) Aktuell Panorama
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