
Rentnerpaar klagt
Darf der deutsche Pass vom Einkommen abhängen?
Ein Ehepaar in Rente möchte eingebürgert werden. Ihr Antrag wird abgelehnt. Begründung: sie beziehen Bürgergeld. Vor der Einbürgerungsreform 2024 wäre das noch kein Problem gewesen. Jetzt klagen sie gegen das neue Gesetz.
Mittwoch, 06.08.2025, 12:17 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 06.08.2025, 12:17 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Ein staatenloses palästinensisches Ehepaar aus Syrien will seine Einbürgerung nach rund zehn Jahren in Deutschland vor Gericht durchsetzen. Die Klagen der Eheleute seien im Mai beim Verwaltungsgericht Cottbus eingegangen, sagte ein Gerichtssprecher dem Evangelischen Pressedienst am Dienstag. Die Klagen richten sich gegen den Landkreis Elbe-Elster. Entscheidungstermine seien noch nicht absehbar. (AZ: VG 9 K 820/25 und VG 9 K 821/25)
Zuvor hatte die Gesellschaft für Freiheitsrechte den Fall bekannt gemacht und von einer am Dienstag bei Gericht eingereichten Klage gesprochen. Die zuständige Behörde in Brandenburg habe dem älteren Ehepaar die deutsche Staatsbürgerschaft verweigert, weil es Bürgergeld beziehe, kritisierte die Gesellschaft. Der Mann und die Frau seien jedoch aufgrund von Alter und Erkrankungen auf Unterstützung angewiesen.
Neues Gesetz ohne Ausnahme
Dass die 2024 getroffene Neuregelung im deutschen Einbürgerungsrecht alte Menschen mit Behinderung nun vom Anspruch auf Einbürgerung ausschließe, verstößt aus Sicht der Gesellschaft für Freiheitsrechte gegen verschiedene Rechte, hieß es. Dazu gehörten das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Demokratieprinzip, das Diskriminierungsverbot und der Gleichheitssatz.
Vor der Gesetzesreform im Jahr 2024 gab es eine Ausnahmeregelung für Ausländer, die auf Sozialleistungen angewiesen waren, ohne dass sie selbst etwas dafürkonnten. Darunter fielen unter anderem Alleinerziehende, Studierende, Rentner und Menschen mit Behinderung. Die umstrittene Abschaffung der Ausnahmeregelung entstand auf Druck der Unionsparteien und erntete bei Experten Kritik.
Ingenieur und Lehrerin in Rente
Nach Überzeugung der GFF ist eine Ausnahme weiterhin nötig, um nicht systematisch Menschen zu diskriminieren, die ihren Lebensunterhalt unverschuldet nicht oder nicht ganz selbst bestreiten können. Derzeit wird das Staatsangehörigkeitsrecht wieder reformiert: Die zuständigen Ausschüsse des Bundesrats haben bereits empfohlen, die Ausnahmeregelung wieder einzuführen.
Der Mann war nach Angaben seines Anwalts früher in Syrien als Ingenieur, die Frau als Lehrerin tätig. Beide seien 2015 infolge des Bürgerkriegs nach Deutschland gekommen. Der Mann sei bei seiner Einreise 62, die Frau 58 Jahre alt gewesen. Nach ihrer Ankunft hätten die beiden Integrationskurse absolviert, Deutsch gelernt, gearbeitet und sich sozial engagiert. Inzwischen seien sie im Ruhestand, hätten gesundheitliche Probleme und die Feststellung einer Behinderung beantragt.
Pass kein Bonus für Einkommen
„Damit sind sie besonders vulnerabel. Auch sie müssen die Möglichkeit haben, an der deutschen Demokratie teilzuhaben“, erklärt Soraia Da Costa Batista, Juristin und Verfahrenskoordinatorin bei der GFF. Sophia Eckert, Juristin bei der Organisation Handicap International, die die Klage unterstützt ergänzt: „Wer dauerhaft in Deutschland lebt, muss wählen und unsere Politik und Gesellschaft aktiv mitgestalten können“.
Der deutsche Pass sei keine Bonusprämie für erwirtschaftetes Einkommen. „Behörden dürfen alten Menschen mit Behinderung nicht den Weg zur demokratischen Teilhabe versperren, nur weil sie finanzielle Unterstützung bekommen“, kritisiert Da Costa Batista weiter. „Der Staat kann von ihnen nichts verlangen, was sie unmöglich erfüllen können.“ (epd/mig) Aktuell Panorama
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