
Conni wird abgeschoben
Geschmacklose Frontex-Broschüre für Kinder
Frontex versucht mit einer Broschüre, Kindern ihre Abschiebung als Wohlfühlreise zu verkaufen. Das Ziel wird fundamental verfehlt, Verantwortung verschoben – ein Spiegelbild unserer Asylpolitik.
Von Johanna Krümpelmann Sonntag, 29.06.2025, 12:41 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 29.06.2025, 22:01 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Was erst einmal klingt wie ein makaberer Scherz, ist keine KI-Parodie, sondern traurige Realität der EU-Migrationspolitik: Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat eine Broschüre („Mein Leitfaden zur Rückkehr“) für Kinder herausgegeben, die Abschiebungen erklären und begleiten soll – bunt illustriert, erschreckend realitätsfern und voller Euphemismen. Der Ton erinnert an Kinderbücher wie „Conni lernt reiten“ – freundlich, belehrend und konsequent das Wort „Abschiebung“ vermeidend. Der Inhalt? Eine gefährliche Beschönigung staatlicher Gewalt.
Das Heft ist adressiert an Kinder zwischen sechs und elf Jahren und soll sie auf eine sogenannte „Rückkehr“ in ihr „Heimatland“ vorbereiten. Doch statt aufzuklären wird verharmlost, die staatlich angeordnete Zwangsrückführung weichgezeichnet. Die Abschiebung wird zu einer aufregenden „Veränderung“ und die Reise zu einem Abenteuer stilisiert, in welchem das Flugzeug zum komfortablen Reiseraum inszeniert wird. Die Ankunft im neuen Zuhause wird zu einem Versprechen von neuen Freundschaften und Süßigkeiten. Als würde ein Kind den Verlust von Freunden, Schule, Alltag, vielleicht der eigenen Sprache mit Gummibärchen kompensieren können.
Existentielle Ängste werden auf neue Snacks und mögliche nette Lehrer im Zielland reduziert. Dass dieses „Heimatland“ in vielen Fällen keines ist – oder nur auf dem Papier – bleibt unerwähnt.
„Frontex suggeriert, man könne Abschiebungen kindgerecht gestalten, indem man sie beschönigt und gaukelt so pädagogisch wertvolle, kindgerechte Orientierung vor.“
Besonders befremdlich wirkt die Passage, in welcher erklärt wird, dass manche Personen Handschellen tragen werden „damit alle sicher sind“. Ängste, Kontrollverlust oder Trennung? Kein Wort. Stattdessen der bezeichnende, vorangestellte Hinweis an die Eltern: „Denken Sie daran, dass sich Kinder wohlfühlen, wenn sich die Familie wohlfühlt.“ Zwischen den Zeilen klingt das wie ein Appell zur emotionalen Disziplin. Als müssten die Eltern sich zusammenreißen, um das Wohl ihrer Kinder nicht zu gefährden. Die Broschüre verschiebt Verantwortung, statt sie zu übernehmen – weg vom System, hin zur Familie.
Frontex suggeriert, man könne Abschiebungen kindgerecht gestalten, indem man sie beschönigt und gaukelt so pädagogisch wertvolle, kindgerechte Orientierung vor. Ein Ziel, welches die Broschüre fundamental verfehlt. Denn Pädagogik macht sich zum Anspruch, dem Kind sowie dem Sachverhalt gerecht zu werden; also sensibel, aber ehrlich zu vermitteln. Die Broschüre ist jedoch weder ehrlich noch Kind –, sondern PR-orientiert. Statt Schutz kann es nur Verharmlosung bieten.
Diese Broschüre ist kein Beitrag zur Aufklärung, sondern ein Spiegelbild einer Asylpolitik, die sich selbst nicht ins Gesicht sehen mag. Frontex hat mit dieser Broschüre nicht das Kind in den Mittelpunkt gestellt, sondern das eigene Image. Was bleibt, ist ein gefährlicher Versuch, europäische Abschiebepolitik in einen Conni-ähnlichen Mantel zu kleiden. Harmlos im Stil, bitter im Inhalt und auf den Schultern der Schwächsten. (mig) Meinung
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