
Arbeiter zweiter Klasse
CSU-Minister prüft: Weniger als Mindestlohn für ausländische Saisonkräfte
Ausländische Saisonkräfte sollen nur 80 Prozent vom Mindestlohn verdienen. Das schlägt Bauernpräsident Joachim Rukwied vor. Agrarminister Reiner kann sich ungleiche Bezahlung vorstellen – und prüft. Linke und Gewerkschaft reagieren empört: Die Beschäftigten lebten bereits oft an der Armutsgrenze.
Dienstag, 24.06.2025, 13:51 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 24.06.2025, 13:51 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Bauernpräsident Joachim Rukwied spricht sich dafür aus, Saisonarbeitskräfte vom Mindestlohn auszunehmen. „Wir schlagen vor, dass sie 80 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns erhalten“, sagte der Präsident des Bauernverbandes der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“. „Saisonarbeitskräfte haben ihren Lebensmittelpunkt schließlich nicht in Deutschland“, argumentierte Rukwied. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) reagierte mit deutlicher Kritik.
Seit Jahresbeginn liegt der Mindestlohn in Deutschland bei 12,82 Euro pro Stunde. Die Mindestlohnkommission will am Freitag ihren Beschluss für die Höhe der Lohnuntergrenze in den Jahren 2026 und 2027 präsentieren. Laut dem schwarz-roten Koalitionsvertrag ist ein Mindestlohn von 15 Euro im kommenden Jahr „erreichbar“.
Rukwied sagte der „Rheinischen Post“, wenn der Mindestlohn ohne Ausnahme auf 15 Euro pro Stunde erhöht werde, würde das viele Gemüse-, Obst- und Weinbaubetriebe vor Probleme stellen. „Wir stehen im europäischen Wettbewerb, und unsere Konkurrenten haben jetzt schon deutlich geringere Kosten. Die Politik muss handeln“, forderte der Bauernpräsident.
Agrarminister offen für Lohnkürzung für Ausländer
Bundesagrarminister Alois Rainer (CSU) zeigte sich in einem Zeitungsinterview offen für die Forderung von Bauernpräsident Joachim Rukwied. „Meine Fachleute prüfen, ob es einen rechtssicheren Weg gibt, Ausnahmen vom Mindestlohn möglich zu machen“, sagte Rainer dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.
Der neue Agrarminister versicherte zwar, die Bundesregierung stehe grundsätzlich zum Mindestlohn und ohne Unterstützung durch Saisonarbeitskräfte könnten viele Betriebe ihre Ernte nicht einbringen. Rainer sagte jedoch, er nehme die Sorgen der Obst- und Gemüsebauern sehr ernst. „Gerade lohnintensive landwirtschaftliche Betriebe stellen die Erhöhungen des Mindestlohns vor finanzielle Herausforderungen“, machte der CSU-Politiker deutlich.
Mindestlohn abhängig vom deutschen Pass?
Scharfe Kritik erntet der Vorstoß des Bauernpräsidenten von der Bundestagsabgeordneten Desiree Becker (Die Linke). „In äußerst fragwürdiger Geste versucht Herr Rukwied, Arbeitnehmer:innen ohne deutschen Pass für eine Kampagne gegen den Mindestlohn für alle Arbeiter:innen zu benutzen“. Diese Forderung habe bereits die rechtsextreme AfD im vergangenen Jahr gefordert.
„Die Arbeit von migrantisierten Menschen ist genauso viel Wert wie die Arbeit von Menschen mit einem deutschen Pass“, erklärte Becker weiter. Abgesehen davon sei die Forderung rechtlich fraglich: „Das EU-Recht schützt das Prinzip gleicher Entlohnung am gleichen Arbeitsort, unabhängig von Herkunft, Staatsangehörigkeit oder gewöhnlichem Aufenthalt. Das deutsche Mindestlohngesetz gilt für alle Arbeitnehmer:innen, die in Deutschland arbeiten – ohne Ausnahmen für Saisonarbeitskräfte“ erklärte Becker. Zudem verbiete das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft. Eine pauschale Absenkung des Lohns mit Verweis auf einen ’nicht-deutschen Lebensmittelpunkt‘ käme einer Diskriminierung gleich.
„Der Name sagt es ja schon, Mindestlohn“
Ausch der Vizevorsitzende der IG BAU, Harald Schaum, hielt dagegen: „Der Name sagt es ja schon, Mindestlohn“, erklärte Schaum in Frankfurt am Main. „Unter diese äußerste untere Grenze sollte das Entgelt nicht fallen, damit die Menschen einigermaßen davon leben können.“ Rukwieds Vorstoß bedeute, dass bei Arbeitskräften gespart werden solle, die oftmals an der Armutsgrenze lebten. „Da sagen wir ganz klar nein, daran wird nicht gerüttelt“, erklärte der Gewerkschafter.
Schaum wies darauf hin, dass es für landwirtschaftliche Betriebe bereits verschiedene Ausnahmeregelungen gebe. Unter anderem seien kurzfristige Beschäftigungen unter bestimmten Voraussetzungen sozialversicherungsfrei, bei der Krankenversicherung ermögliche der Abschluss einer Gruppenversicherung Einsparungen. Außerdem könnten die Betriebe Kosten für Unterkunft und Verpflegung direkt vom Lohn abziehen. Diese Möglichkeit werde „weidlich ausgenutzt“, erklärte Schaum. „In unseren jährlichen Monitorberichten sind das oftmals bis zu 50 Prozent des Lohns.“ (epd/mig) Leitartikel Politik
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