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Demonstration nach dem Tod von Lorenz durch Polizeischüsse © Hesham Elsherif/AFP

Tödliche Polizeischüsse

Trauerfeier und Beisetzung von Lorenz in Oldenburg

Der tödliche Polizeieinsatz in Oldenburg bewegt viele, auch weit über die Stadtgrenze hinaus. Zahlreiche Menschen begleiteten Lorenz nun auf seinem letzten Weg. Derweil laufen die Ermittlungen. Der Landespolizeipräsident beschreibt, in welcher Lage die Polizisten waren.

Donnerstag, 08.05.2025, 17:02 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 08.05.2025, 17:02 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die tödlichen Polizeischüsse auf den 21-jährigen Lorenz in Oldenburg sollen so schnell und so gründlich wie möglich aufgeklärt werden. Das sagte Landespolizeipräsident Axel Brockmann im Innenausschuss des Landtags in Hannover, wo er gemeinsam mit einem Vertreter des niedersächsischen Justizministeriums über den aktuellen Ermittlungsstand informierte.

Der Fall sei tragisch – in jeder Hinsicht, sagte Brockmann. „Mein Bedauern und mein tiefes Mitgefühl richten sich insbesondere an die Angehörigen des Verstorbenen.“ Auch bei Polizei und Rettungsdiensten hätten die tödlichen Schüsse tiefe Spuren hinterlassen.

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Polizisten in einer „Hochstresssituation“

Der genaue Ablauf des Geschehens in der Nacht zum Ostersonntag ist weiter unklar. Es sei naheliegend, dass die beiden Polizisten in einer Hochstresssituation waren, sagte der Landespolizeipräsident. Demnach befanden sie sich in einem Fahndungseinsatz nach einer männlichen Person, die vor einer Diskothek Reizgas gegen andere Menschen eingesetzt hatte. „Sie wussten, es ist ein Messer beim Täter vorhanden. Sie wussten, der Täter hat vorher schon andere Personen angegriffen, unmittelbar, direkt vorher in Oldenburg in der Innenstadt.“ Dies alles müsse berücksichtigt werden.

Nach den bisherigen Erkenntnissen schoss ein 27-jähriger Polizeibeamter fünfmal in Richtung des jungen Mannes und traf ihn mindestens dreimal von hinten in Oberkörper, Hüfte und Kopf. Zudem wurde der Schwarze möglicherweise durch einen Streifschuss am Oberschenkel verletzt. Der junge Deutsche erlitt lebensgefährliche Verletzungen und starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Die Tat sorgte weit über die Stadt Oldenburg hinaus für Anteilnahme und Aufsehen.

Bewegende Trauerfeier und Beisetzung

Am Vormittag nahmen Familie und Freunde bei einer Trauerfeier Abschied von Lorenz. Es sei sehr bewegend gewesen, sagte Suraj Mailitafi von der Initiative „Gerechtigkeit für Lorenz“.

Viele Menschen hätten Lorenz auf seinem letzten Weg begleitet. „Wir gehen von knapp 400 Leuten aus.“ Eingeladen waren ausschließlich Menschen, die den 21-Jährigen persönlich kannten und ihm nahestanden. Nachmittags sollte der junge Mann im engsten Kreis beigesetzt werden.

Unklar aus welchem Abstand geschossen wurde

Die Ermittlungen gehen derweil weiter. Es fehlten noch wichtige Erkenntnisse, zum Beispiel aus welchem Abstand geschossen wurde, sagte Martin Speyer, Referatsleiter im Justizministerium. Der Beamte, der die Schüsse abgab, habe in der Klinik eine Augenspülung erhalten, weil er mutmaßlich eine Bindehautverletzung hatte.

Der 27-jährige Polizist ist derzeit nicht im Dienst. Gegen ihn wird wegen Totschlags ermittelt. Für den Einsatz der Schusswaffe gibt es klare gesetzliche Vorgaben. Sie dürfen in einer Notwehr- oder Nothilfesituation gebraucht werden.

Messer mit sieben Zentimeter langen Klinge

Nach den bisherigen Erkenntnissen war Lorenz in der Nacht zu Ostersonntag an einer Disco-Tür abgewiesen worden, weil er eine Jogginghose trug. Er habe dann ein Glas in Richtung der Türsteher geworfen und Reizgas versprüht. Fünf Personen seien leicht verletzt worden. Lorenz sei weggelaufen und habe Verfolger mit einem Messer bedroht. Im Krankenhaus sei in der Hosentasche von Lorenz ein kleines Messer mit einer sieben Zentimeter langen Klinge gefunden worden.

Was kurz vor den tödlichen Schüssen passierte, ist unklar. Die Bodycams der Beamten waren nicht eingeschaltet, ihr Einsatz ist freiwillig. Nach Angaben des zweiten Polizisten, der in der Nacht im Einsatz war, soll Lorenz auf die Beamten zugelaufen und in seiner Jacke gekramt haben. Die beiden Polizisten hätten dann ihre Dienstwaffen gezogen und ihn aufgefordert, stehenzubleiben. Der beschuldigte Polizist sei genauso zu Boden gegangen wie der 21-Jährige.

Sind Schwarze häufiger von Polizeigewalt betroffen?

Hinweise auf eine rassistische Motivation des Schützen gibt es nach Angaben der Ermittler bislang nicht. Viele Menschen befürchten jedoch, dass die Schüsse auf den Schwarzen einen strukturellen rassistischen Hintergrund haben könnten. Auf einer Kundgebung Ende April in Oldenburg mit Tausenden Menschen kritisierten Redner, dass Polizeigewalt sehr oft Schwarze und Menschen mit Migrationshintergrund treffe. Auch viele Teilnehmer der Demonstration sprachen von strukturellem Rassismus in Deutschland.

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Djenabou Diallo-Hartmann forderte, genau zu schauen, welche Menschen von Polizeigewalt betroffen seien. Wenn Teile der Gesellschaft den Eindruck hätten, dass vor allem Schwarze Opfer würden, brauche es Fakten, sagte sie.

Bislang wird nicht erfasst, ob Schwarze häufiger von Polizeischüssen getroffen werden als Menschen anderer Hautfarbe. Sie könne die emotionale Debatte nachvollziehen, sagte Diallo-Hartmann, die auch schwarz ist, nach dem Innenausschuss. Gerade deshalb sei es wichtig, dazu Daten zu haben und sich die Zahlen der vergangenen zehn Jahre anzuschauen. Nur dann könnten politische Schlussforderungen gezogen werden. (dpa/mig) Aktuell Panorama

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