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Bezahlkarte (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Digital & grenzenlos

Blockchain neue Räume der Interaktion schafft

Digitale Teilhabe entscheidet heute über Chancen und Ausschlüsse. Doch was passiert, wenn Pässe, Bankkonten oder feste Adressen fehlen? Blockchain-Technologien versprechen neue Zugänge.

Mittwoch, 17.12.2025, 0:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 18.12.2025, 17:36 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Für viele Menschen beginnt digitale Teilhabe mit einer Selbstverständlichkeit: einem Ausweis, einem Bankkonto, einer festen Adresse. Wer all das hat, kann online bezahlen, Verträge abschließen, sich registrieren, kommunizieren. Für Millionen andere weltweit gilt das nicht. Geflüchtete, Asylsuchende oder Menschen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus stoßen im digitalen Raum auf dieselben Grenzen wie im analogen Leben – oft sogar auf noch rigidere.

Dabei entscheidet digitale Teilhabe längst über mehr als Komfort. Sie bestimmt den Zugang zu Arbeit, Bildung, Information und sozialem Austausch. Wer digital ausgeschlossen ist, bleibt auch gesellschaftlich außen vor. Genau an dieser Schnittstelle wird eine Technologie diskutiert, die bislang vor allem mit Finanzspekulation verbunden wird: die Blockchain.

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Digitale Ausgrenzung als strukturelles Problem

Weltweit haben Hunderte Millionen Menschen keinen Zugang zu klassischen Bankdienstleistungen. Viele von ihnen leben in prekären Verhältnissen, in Regionen ohne funktionierende Verwaltung – oder sie haben ihren rechtlichen Status verloren. Für Geflüchtete bedeutet das oft: kein Konto, kein Kredit, kein sicherer Ort für Ersparnisse. Selbst einfache Online-Dienste sind ohne offizielle Dokumente kaum nutzbar.

Auch in Europa zeigt sich dieses Problem. Wer als Asylsuchender ankommt, bekommt zwar eine Unterkunft und grundlegende Leistungen, bleibt aber digital oft abhängig von staatlichen oder privaten Stellen. Viele Apps, Plattformen oder Bezahlmodelle setzen Identitätsprüfungen voraus, die an nationale Dokumente gebunden sind. Der digitale Raum reproduziert damit bestehende Ausschlüsse.

Blockchain als alternative Infrastruktur

Die Blockchain setzt an einem anderen Punkt an. Sie funktioniert ohne zentrale Instanz, ohne Bank, ohne staatliche Behörde. Statt persönlicher Daten braucht es lediglich ein digitales Wallet – eine Art Schlüssel, mit dem Nutzerinnen und Nutzer Transaktionen durchführen, Werte speichern oder an digitalen Angeboten teilnehmen können.

Das klingt technisch, hat aber eine politische Dimension. Denn erstmals entsteht eine Infrastruktur, die nicht an Staatsgrenzen, Pässe oder formale Identitäten gekoppelt ist. Wer Zugang zum Internet hat, kann teilnehmen. Für Menschen, die im bestehenden System kaum Rechte haben, ist das eine potenzielle Zäsur.

In vielen Regionen des globalen Südens nutzen Menschen Kryptowährungen bereits heute, um Geld zu speichern, Überweisungen zu tätigen oder Einkünfte zu sichern, unabhängig von instabilen Währungen – ein Beispiel dafür ist bitcoin live. Auch Geflüchtete greifen zunehmend auf solche Lösungen zurück, um Geld über Grenzen hinweg zu transferieren, ohne auf teure oder unsichere Vermittler angewiesen zu sein oder einfach online Käufe zu tätigen.

Digitale Selbstverwaltung statt Abhängigkeit

Über reine Finanzfunktionen hinaus eröffnet die Blockchain neue Formen der Selbstorganisation. Dezentrale Plattformen erlauben es Gemeinschaften, Regeln gemeinsam festzulegen, Entscheidungen zu treffen und Ressourcen zu verwalten – ohne zentrale Kontrolle. Diese sogenannten dezentralen autonomen Organisationen, kurz DAOs, funktionieren über transparente Abstimmungen und festgelegte Abläufe.

Für marginalisierte Gruppen kann das ein wichtiger Schritt sein. In digitalen Communities lassen sich Projekte organisieren, Bildungsangebote finanzieren oder Medienformate betreiben, ohne von großen Plattformen abhängig zu sein. Niemand kann Inhalte willkürlich löschen oder Zugänge sperren, solange die gemeinsam vereinbarten Regeln eingehalten werden.

Gerade für Menschen, die in autoritären Staaten leben oder Diskriminierung erfahren, sind solche dezentralen Strukturen attraktiv. Sie versprechen Schutz vor Zensur und mehr Kontrolle über die eigene digitale Präsenz.

Neue Chancen – aber keine Wunderlösung

So groß die Hoffnungen sind, so wichtig ist der nüchterne Blick. Blockchain-Technologien lösen nicht automatisch soziale Probleme. Auch hier braucht es Wissen, Zugang zu Technik und ein Mindestmaß an digitaler Kompetenz. Wer kein stabiles Internet, kein Smartphone oder keine Bildung hat, bleibt weiterhin außen vor.

Zudem entstehen neue Risiken. Der Verlust eines digitalen Schlüssels kann bedeuten, dass Ersparnisse unwiederbringlich weg sind. Betrug, unseriöse Projekte und rechtliche Grauzonen sind reale Probleme. Für Geflüchtete oder Asylsuchende, die ohnehin in unsicheren Verhältnissen leben, können solche Risiken besonders gravierend sein.

Hinzu kommt: Dezentralität bedeutet auch weniger Schutz durch staatliche Regulierung. Wer betrogen wird, kann sich nicht immer an eine Behörde wenden. Das erfordert neue Formen von Aufklärung, Verantwortung und solidarischen Strukturen innerhalb der Communities selbst.

Zwischen Selbstermächtigung und neuer Ungleichheit

Die entscheidende Frage lautet daher nicht, ob Blockchain gut oder schlecht ist. Entscheidend ist, wer Zugang bekommt, wer profitiert und wer außen vor bleibt. Wird die Technologie zu einem Werkzeug der Selbstermächtigung – oder entsteht eine neue digitale Klassengesellschaft, in der nur technikaffine Menschen mit Ressourcen teilhaben?

Für Organisationen, Initiativen und auch Medien liegt hier eine Aufgabe. Es braucht eine kritische Begleitung, die Chancen sichtbar macht, ohne Risiken zu verschweigen. Und es braucht politische Debatten darüber, wie digitale Grundrechte aussehen sollen – auch für Menschen ohne Pass oder festen Aufenthaltsstatus.

Ein Raum jenseits nationaler Logiken

Was die Blockchain sichtbar macht, ist ein grundlegender Wandel: Digitale Räume lösen sich zunehmend von nationalen Logiken. Zugehörigkeit entsteht nicht mehr nur über Staatsbürgerschaft, sondern über Teilnahme, Mitwirkung und Vernetzung. Für viele ist das bedrohlich. Für andere eröffnet es erstmals Handlungsspielräume.

Gerade für alle, die Wert auf Kontrolle, Unabhängigkeit und digitale Selbstbestimmung legen, ist das ein echter Gamechanger. In Web3 ist man nicht nur Teil einer Plattform – man gestaltet sie aktiv mit. Für Geflüchtete und Menschen mit unsicherem Status können solche Räume eine Ergänzung sein – kein Ersatz für Rechte, Schutz und soziale Absicherung, aber ein Ort der Selbstorganisation und Sichtbarkeit. Digitale Teilhabe wird damit zu einer politischen Frage.

Fazit

Blockchain-Technologien versprechen keine heile Welt. Aber sie zeigen, dass digitale Teilhabe nicht zwangsläufig an Pässe, Banken oder Konzerne gebunden sein muss. In einer Zeit, in der Grenzen wieder härter gezogen werden – physisch wie digital –, entstehen neue Räume, die diese Logiken zumindest infrage stellen.

Ob daraus echte Teilhabe entsteht, hängt nicht von der Technik allein ab. Sondern davon, ob Gesellschaften bereit sind, digitale Selbstbestimmung auch jenen zuzugestehen, die im klassischen System kaum Rechte haben. Die Blockchain ist dafür kein Ziel – aber möglicherweise ein Werkzeug. (em)

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