
Großes Potenzial
Warum freiwilliger Wehrdienst Migranten braucht
Beim Wehrdienst gilt weiter das Prinzip der Freiwilligkeit. Für den Fall, dass nicht genug Rekruten gefunden werden, sieht der Sachverständigenrat in Migranten großes Potenzial und eine Chance für die Bundeswehr. Das zeigen Zahlen aus dem Integrationsbarometer.
Dienstag, 25.11.2025, 10:29 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 25.11.2025, 10:29 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Die Wehrpflicht kommt in Deutschland vorerst nicht zurück: Nach langem Streit haben sich die Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf die Details des künftigen Wehrdienstes geeinigt. Sie setzen zunächst weiter darauf, genügend Freiwillige anzuwerben. Es gibt aber für jedes Jahr konkrete Zielvorgaben. Der Sachverständigenrat hat auch schon eine Idee, wie das erreicht werden könnte.
Für das Bundeswehrpersonal gebe es nun einen „verbindlichen Aufwuchspfad“ im Gesetzentwurf, sagte Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) in Berlin. Fraktionsvize Norbert Röttgen erläuterte, dass es für die Jahre 2026 bis 2035 jeweils einen „Korridor“ gebe. Für nächstes Jahr liege dieser bei 186.000 bis 190.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten, 2035 seien es dann 255.000 bis 270.000. Das Bundesverteidigungsministerium werde halbjährlich über den Personalbestand berichten.
Bei Zielverfehlung muss Bundestag über „Bedarfswehrpflicht“ entscheiden
Wenn die Zielkorridore nicht erreicht werden, soll der Bundestag der Einigung zufolge über die Einführung einer „Bedarfswehrpflicht“ entscheiden. Eine Festlegung, bei einer wie häufigen oder wie starken Zielverfehlung dies passiert, gibt es laut Röttgen aber nicht. Auch die Details der „Bedarfswehrpflicht“ müsste der Bundestag dann noch festlegen. Die Idee dahinter ist, nur die jungen Männer einzuziehen, die von der Bundeswehr tatsächlich gebraucht werden.
Er sei „ganz sicher“, dass es dazu nicht komme und der freiwillige Wehrdienst ausreiche, sagte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bezeichnete die Bedarfswehrpflicht als „Ultima Ratio“.
Damit dieser Fall nicht eintritt, schlägt der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) vor, gezielt potenzielle Soldaten mit Migrationsgeschichte anzusprechen. In dieser Gruppe bestehe Potenzial für erfolgreiche Rekrutierung. Wie die Befragung zum SVR-Integrationsbarometer 2024 zeige, genieße die Bundeswehr bei Menschen mit Migrationserfahrung hohes Vertrauen: Rund acht von zehn Befragten mit Migrationshintergrund geben an, der Bundeswehr „voll und ganz“ oder „eher“ zu vertrauen (77 Prozent). Bei Menschen ohne Migrationshintergrund sagen dies nur 68 Prozent.
Migranten in der Bundeswehr unterrepräsentiert
Bislang sind Menschen mit Migrationserfahrung in der Bundeswehr unterrepräsentiert: Ihr Anteil beträgt laut einer Studie nur 8,9 Prozent. Demgegenüber stehen rund 13 Millionen Menschen oder 15,7 Prozent der Gesamtbevölkerung, die eine Migrationsgeschichte haben und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und somit grundsätzlich für den Eintritt in die Bundeswehr infrage kämen.
„In der Bevölkerung mit Migrationshintergrund kann die Bundeswehr auf eine stabile Vertrauensbasis bauen. Dieses Vertrauen kann die Bereitschaft erhöhen, in die Bundeswehr einzutreten“, so Dr. Fabian Gülzau, stellvertretender Leiter des Bereichs Forschung im wissenschaftlichen Stab des SVR. „Bei den 15- bis 24-Jährigen haben sogar fast drei von zehn der deutschen Staatsangehörigen einen Migrationshintergrund, das sind fast zwei Millionen Menschen. Junge Erwachsene stellen damit ein erhebliches Rekrutierungspotenzial dar, das die Bundeswehr noch besser nutzen könnte.“
Diversität in der Bundeswehr
Auch demokratie- und integrationspolitische Gründe sprechen laut SVR dafür, die Diversität in der Bundeswehr zu steigern. „Wenn Streitkräfte breite Teile der Gesellschaft repräsentieren, erhöht dies ihre Legitimität und Akzeptanz. Zudem bringen Menschen mit Migrationshintergrund häufig besondere interkulturelle Kompetenzen und Sprachkenntnisse mit; das kann bei Auslandseinsätzen etwa bei der Kommunikation mit der lokalen Bevölkerung hilfreich sein“, erklärt Gülzau weiter.
Gülzau erinnert in diesem Zusammenhang an die vom Verteidigungsministerium geplante Einführung einer muslimischen Militärseelsorge. Für Angehörige der beiden christlichen Konfessionen sowie seit 2021 auch für Personen jüdischen Glaubens gibt es bereits Priester und Militärrabbiner bei der Bundeswehr als Ansprechpersonen. Frankreich und die Niederlande haben eine muslimische Militärseelsorge bereits 2005 bzw. 2009 eingerichtet. In Deutschland kommt das Vorhaben seit vielen Jahren nicht in Gang.
15.000 zusätzliche Plätze bei Freiwilligendiensten
Für die reguläre Rekrutierung sollen alle jungen Menschen – beginnend mit dem Jahrgang 2008 – ab kommendem Jahr ein Anschreiben bekommen, das über den freiwilligen Wehrdienst informiert. Den dazugehörigen Fragebogen müssen aber nur Männer ausfüllen. Neu ist, dass in den Anschreiben nun auch auf die Freiwilligendienste, etwa den Bundesfreiwilligendienst, hingewiesen wird.
Laut Miersch gehört zur Koalitionseinigung zudem, 15.000 zusätzliche Plätze bei den Freiwilligendiensten zu finanzieren. Bundesfamilienministerin Karin Prien (CDU) sagte, mit dem Gesetz gehe man einen entscheidenden Schritt zur Entwicklung eines „neuen Bundesgesellschaftsdienstes“. „Wir wollen alle jungen Menschen ermutigen, sich aktiv einzubringen – sei es im Wehrdienst oder in den Freiwilligendiensten“, erklärte sie.
Im Wehrdienst-Gesetz soll es zudem eine Änderung bei der verpflichtenden Musterung aller jungen Männer ab Jahrgang 2008 geben. Sie soll ebenfalls schon nächstes Jahr starten und nicht, wie zuvor geplant, erst Mitte 2027. Pistorius betonte aber, dass die Kapazitäten für die Musterung erst noch aufgebaut werden müssten und erst im Sommer 2027 voll einsatzfähig seien. Ein zwischenzeitlich diskutiertes Losverfahren für die Musterung ist vom Tisch. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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