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Armut (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Aktivrente

Länger arbeiten? Für viele Migranten keine Option

Die geplante „Aktivrente“ soll Senioren zum Weiterarbeiten motivieren. Doch viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte werden davon kaum profitieren – sie verdienen weniger und oft schon vor dem Rentenalter erschöpft. Nur eine Reform für Besserverdiener?

Mittwoch, 29.10.2025, 11:14 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 29.10.2025, 12:51 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Arbeiten im Rentenalter ist in Deutschland gar nicht so ungewöhnlich. Unverändert 13 Prozent der Menschen zwischen 65 und 75 Jahren gehen einem Job nach, wie das Statistische Bundesamt auf der Grundlage des Mikrozensus 2024 mitteilt. Mit einem Anteil von 16 Prozent sind die älteren Männer etwas häufiger erwerbstätig als die Frauen, die auf einen Anteil von 10 Prozent kommen.

Rennt die Bundesregierung also offene Türen ein, wenn sie ab dem kommenden Jahr mit der sogenannten „Aktivrente“ lockt? Vom Zuverdienst sollen dann monatlich 2000 Euro steuerfrei bleiben, Fachkräfte länger in den Betrieben gehalten werden. Schon seit 2023 können Altersrentner unbegrenzt hinzuverdienen, ohne dass ihre Rente gemindert würde. Allerdings müssen Rente und Arbeitslohn wie andere Einkommensarten bislang auch gemeinsam versteuert werden.

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Ökonomische Ausgangslage – ungleich verteilt

Der Deutschen Rentenversicherung zufolge gingen Ende 2023 schon 1,46 Millionen Rentner einer Beschäftigung nach – Tendenz steigend. Die ökonomische Ausgangslage ist für viele Ruheständler zumindest nicht rosig. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes haben die 16,3 Millionen Rentner und Pensionsbezieher im Schnitt ein gewichtetes Nettoeinkommen von monatlich knapp 2.000 Euro pro Kopf. Jeder und jede Fünfte müssen mit weniger als 1.400 Euro auskommen, während eine schnell wachsende Gruppe von zuletzt rund 4 Prozent auf Grundsicherung angewiesen ist. Das sind 563 Euro im Monat plus angemessene Kosten für Heizung und Wohnung.

Ein Blick auf die Bevölkerung mit Migrationsgeschichte zeigt ein anderes Bild: Migranten sind überdurchschnittlich häufig in Niedriglohnbereichen beschäftigt. Nach amtlichen und wissenschaftlichen Auswertungen liegt ihre Niedrigeinkommensquote deutlich über dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Und wer bereits im regulären Erwerbsalter wenig verdient, kann im Alter seltener in relevantem Umfang hinzuverdienen – die geplante Steuerfreistellung bis 2.000 Euro monatlich dürfte daher viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte kaum oder nur begrenzt erreichen.

Gebildete arbeiten länger

Wie aus dem Bevölkerungsdurchschnitt außerdem hervorgeht, führt ein höheres Bildungsniveau ganz offensichtlich dazu, dass Menschen beruflich länger aktiv bleiben. Die Statistiker haben einen klaren Zusammenhang festgestellt: Mit höherem Bildungsabschluss haben 18 Prozent der befragten Rentnerinnen und Rentner noch einen Job, während es bei niedrigem Niveau nur 10 Prozent sind. Dieser Wert ist im Vergleich zum Vorjahr rückläufig, als noch 11 Prozent erreicht worden.

Damit verknüpft sind die beruflichen Anforderungen: In körperlich belastenden Tätigkeiten – von Reinigung über Logistik bis Gastronomie oder auf dem Bau, in denen Beschäftigte mit Migrationserfahrung überdurchschnittlich häufig arbeiten, ist längeres Arbeiten seltener realistisch. Sie sind aufgrund der hohen körperlichen Belastung oft gesundheitlich angeschlagen.

Die Linken-Politikerin Sarah Vollrath ist von den Unterschieden nicht überrascht. Sie sagt: „Denn diejenigen, die ihr ganzes Leben lang in körperlich anstrengenden Berufen gearbeitet haben, schaffen es oft noch nicht einmal bis zum regulären Renteneintritt. Sie nehmen jetzt schon Abschläge in Kauf, um überhaupt noch etwas von ihrem Ruhestand zu haben.“ Die Bundesregierung solle diese Menschen stärker in den Fokus nehmen, statt „viel zu teure Steuergeschenke“ an Besserverdienende zu verteilen.

Es kann nur um ein paar Jahre zusätzliche Arbeit gehen, denn mit zunehmendem Alter nimmt die Berufstätigkeit der Rentenbezieher kontinuierlich ab, wie die aktuellen Zahlen zeigen. Beträgt sie im Alter von 65 bis 66 Jahren noch 18 Prozent, sind es bei den 73- bis 74-Jährigen nur noch 8 Prozent, wie die Befragungen ergaben.

Meist kürzere Arbeitszeiten – und unterschiedliche Chancen

Etwa die Hälfte der arbeitenden Senioren ist nach eigenen Angaben geringfügig beschäftigt. Die Arbeitszeit von 39 Prozent beträgt höchstens zehn Stunden. Weitere 26 Prozent arbeiten zwischen 10 und 20 Wochenstunden. 14 Prozent berichteten von mehr als 40 Arbeitsstunden, die sie in der Woche absolvieren.

In dieser Gruppe finden sich besonders viele Selbstständige, die insgesamt 29 Prozent aller erwerbstätigen Rentner ausmachen. Für sie soll der Aktivrenten-Anreiz im Unterschied zu den Arbeitnehmern aber nicht gelten. (dpa/mig) Gesellschaft Leitartikel

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