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Islamischer Friedhof in Essen geschändet © KIM-E

Kein Einzelfall, keine Solidarität

Vandalismus auf muslimischem Friedhof in Essen

Mehr als 40 zerstörte islamische Gräber – und kaum jemand zeigt Anteilnahme. Politik, Medien, Öffentlichkeit: Schweigen. Wieder einmal müssen die Betroffenen ihre Wunden allein tragen.

Von Montag, 20.10.2025, 15:52 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 20.10.2025, 15:53 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag vergangener Woche haben Unbekannte in Essen auf einer islamischen Gräberstätte randaliert: Grabsteine, -schilder, -lichter und -bepflanzungen wurden umgeworfen, teilweise zertrümmert und offenbar durch die Gegend geworfen. Die Zerstörungen wurden auf Fotos und Videos dokumentiert, die in den sozialen Medien verbreitet wurden. Die Polizei spricht von mehr als 40 beschädigten Gräbern. Zwar seien die Hintergründe der Tat „unklar“, so die Behörden, doch gehen auch sie offenbar von einem politischen Motiv aus, denn der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.

Keine Solidarität

Die Betroffenen sind allerdings bislang weitgehend unter sich – öffentliches Interesse oder gar Solidaritätsbekundungen gibt es auch vier Tage später kaum: Während der türkische Konsul am Sonntag den Friedhof besuchte, haben sich die Stadt Essen und ihr Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) bislang nicht zu Wort gemeldet. Lediglich das Online-Nachrichtenmagazin IslamiQ hatte zeitnah berichtet. Vereinzelte größere Medien zogen erst am Montag, nachdem die Polizei eine kurze Pressemitteilung veröffentlicht hatte, nach. Für mehr als eine kurze Meldung reichte es aber in den meisten Fällen nicht.

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Der Frust unter Essener Muslimen ist entsprechend spürbar: Aussagen wie „Keiner interessiert sich für uns“ und: „Niemand wird sich kümmern, wenn wir es nicht selbst tun“, hört man in Gesprächen immer wieder. Ahmad Omeirat, früher Grünen-Abgeordneter im Essener Stadtrat, mittlerweile Vertreter der Wählergruppe LICHT Essen, nennt das Desinteresse von Politik und Medien „bezeichnend“. Und auf X kommentierte der deutsch-palästinensische Filmemacher Rashad Alhindi: „Der Antimuslimische Rassismus in diesem Land ist alltäglich, doch weder Politik noch Medien scheinen daran Interesse zu haben, ihn aufzuhalten.“

Kein Einzelfall

Der Vandalismus in Essen gehört zum bitteren Alltag in Deutschland. Laut CLAIM kam es allein 2024 zu 3.080 antimuslimischen Straftaten in der Bundesrepublik, darunter zu 70 Angriffen auf religiöse Einrichtungen und Orte, 198 Körperverletzungen und zwei Tötungsdelikten. Dabei betonen die Herausgeber der Studie, dass die Dunkelziffer „enorm“ sei. Die Zahlen steigen indes seit Jahren kontinuierlich.

Auch in Essen sind derlei Straftaten alles andere als ungewöhnlich: Bereits im Januar dieses Jahres war das islamische Bestattungsfeld in Essen Ziel von Vandalismus: Damals waren Infotafel und Beschilderungen mit Fadenkreuzen, Kreuzen und Slogans wie „Save Europe“ beschmiert worden. Omeirat betont, dass derlei Straftaten von der herrschenden Politik mit befeuert würden: „Seit Jahren wird gegen diesen Friedhof von lokalen Medien und Politikern gehetzt“, berichtet er. Zwar gehört das islamische Gräberfeld auf dem Essener Nordfriedhof zu den größten seiner Art in Deutschland, doch sei „aktiv verhindert“ worden, dass mehr Fläche für muslimische Gräber bereitgestellt werde.

Dass rechte Gewalt besonders dann zunimmt, wenn offener Rassismus gesellschaftsfähig und der öffentliche Diskurs verroht ist, ist indes keine neue Erkenntnis. In den 1990er Jahren fanden die Brandanschläge und Pogrome vor dem Hintergrund des sogenannten „Asylkompromisses“ von CDU/CSU, FDP und SPD und der „Das Boot ist voll“-Kampagne von Spiegel und Republikanern statt. Dasselbe gilt für die antimuslimischen, anti-türkischen und anti-arabischen Straftaten, die durch „Kopftuch“- und „Sarrazin-Debatten“, durch „Flüchtlingswellen“ und „Terrorängste“ im letzten Vierteljahrhundert gefördert wurden. (mig) Aktuell Panorama

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