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Familie in Armut (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

Armutsbericht

Migranten arbeiten öfter – und haben weniger

Der Entwurf für den neuen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt: Wer in Deutschland wenig Geld hat, fühlt sich oft ausgeschlossen und schlecht behandelt. Besonders oft und stark betroffen sind Migranten.

Sonntag, 05.10.2025, 17:32 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.10.2025, 17:32 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Schlechte Chancen auf dem Wohnungsmarkt, Stress mit dem Amt, ein Gefühl des Ausgeschlossenseins: Arme Menschen kämpfen oft mit viel mehr Problemen als nur einem schmalen Geldbeutel. Das ist ein Ergebnis von Befragungen für den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, dessen Entwurf das Bundessozialministerium am Donnerstag in Berlin veröffentlichte.

Danach sind Menschen mit Migrationserfahrung besonders stark von Armut betroffen. „Aktuelle Daten aus dem Jahr 2023 weisen für Menschen mit (direktem oder indirektem) Migrationshintergrund
eine Armutsrisikoquote von 27,7 Prozent auf, während diese bei Personen ohne Migrationshintergrund bei 11,9 Prozent liegt“, heißt es in der knapp 700-seitigen Vorlage. Danach hatten Personen mit Migrationserfahrung im Jahr 2020 ein jährlich verfügbares Haushaltseinkommen von 21.749 Euro im Vergleich zu 28.200 Euro für Personen ohne Migrationsgeschichte.

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Migranten arbeiten öfter

Bemerkenswert ist: Die Einkommen von Migranten stammten zu zwei Dritteln (65,9 Prozent) aus eigener Erwerbstätigkeit. Bei der Bevölkerung ohne Migrationserfahrung liegt dieser Wert bei 60,7 Prozent. Demnach ist der Beitrag aus eigener Erwerbstätigkeit bei Migranten höher als derjenigen ohne Migrationsgeschichte.

Zugleich liegt auch der Anteil der Transferleistungen bei Migranten 2,5-mal höher als bei der Vergleichsgruppe ohne Einwanderungsgeschichte. Ein wesentlicher Grund dafür ist: Migranten nehmen „nur in geringem Umfang Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch, zum Teil wegen ihres Alters, zum Teil wegen fehlender oder nur geringer Rentenanwartschaften“, heißt es in der Vorlage.

Deutsche Staatsbürger haben mehr Geld

Wie aus dem Bericht weiter vorgeht, gibt es auch Unterschiede unter Personen mit Migrationserfahrung: So verfügten deutsche Staatsbürger mit Migrationsgeschichte über ein deutlich höheres Nettoeinkommen (25.770 Euro) als Menschen ohne deutschen Pass (20.019 Euro).

Weitere Unterschiede gibt es auch bei Menschen mit direktem und indirektem Migrationshintergrund. Dieser Auswertung zufolge zeigt sich eine Verbesserung der ökonomischen Lage, je länger Migration zurückliegt. Dem Bericht zufolge hatte im Jahr 2020 rund jede vierte Person Migrationserfahrung. Sie sind im Schnitt etwa acht Jahre jünger als die einheimische Bevölkerung.

Armut ist mehr als Geldmangel

Der Armuts- und Reichtumsbericht wird üblicherweise in jeder Legislaturperiode einmal vorgelegt. Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl kam es unter der Ampel-Koalition nicht mehr dazu. Die Vorarbeiten für den nunmehr siebten Bericht dieser Art wurden aber größtenteils in der vorherigen Wahlperiode geleistet. Ein Ziel war, die Perspektive armer Menschen stärker einzubeziehen. Dies geschah unter anderem mit Online-Befragungen und Diskussionsrunden.

Zu den Ergebnissen heißt es im Berichtsentwurf, dass Armut „weit überwiegend als ein über rein materielle Aspekte hinausgehender sozialer Ausschluss erlebt wird“. Auch wenn die Befragungen mit mehreren tausend Beteiligten nicht repräsentativ seien, wiesen sie auf ein „vergleichsweise gering ausgeprägtes gesellschaftliches Zugehörigkeitsempfinden“ hin. 40 Prozent der Befragten „mit aktueller Armutserfahrung“ fühlen sich demnach der Gesellschaft eher nicht zugehörig, weitere 40 Prozent tun dies nur „teils teils“.

Schwierigkeiten mit Ämtern und Behörden

Viele Befragte berichteten dem Entwurf zufolge außerdem von gesundheitlichen Problemen. Auch Diskriminierung wurde von 83 Prozent der Menschen mit Armutserfahrung beklagt – vor allem beim Thema Wohnen. Oft genannt wurden hier zudem Schwierigkeiten mit Ämtern und Behörden.

Als großes Problem werden in dem Berichtsentwurf die Wohnkosten identifiziert. Dort sei die Belastung in den vergangenen Jahren gestiegen. Im Mittel würden 18,7 Prozent des verfügbaren Nettoeinkommens für Wohnkosten ausgegeben. „Knapp jeder achte Haushalt gilt als überlastet, da er mehr als 40 Prozent des Einkommens für das Wohnen aufwenden musste“, heißt es weiter. Unter den armen Haushalten seien 37,5 Prozent betroffen, also deutlich mehr als ein Drittel. Haushalt mit Migrationsgeschichte trifft die Wohnkostenbelastung überdurchschnittlich. Sie sind mehrfach von Diskriminierung betroffen: neben der ökonomischen Situation treten oft rassistische Ausgrenzungsmechanismen auf.

15,5 Prozent armutsgefährdet

Insgesamt gelten nach Daten des Statistischen Bundesamts 15,5 Prozent der Bevölkerung als armutsgefährdet. Dies trifft auf Menschen zu, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. Im Berichtsentwurf wird darauf hingewiesen, dass es hier verschiedene Berechnungsmethoden gebe, die zum Teil zu höheren Quoten führten.

Der Berichtsentwurf soll am 13. Oktober bei einem Symposium diskutiert werden. „Hinweise und Anregungen werden anschließend im Ressortkreis geprüft“, teilte das Sozialministerium mit. Der „abgestimmte Endbericht“ werde voraussichtlich im Dezember vom Kabinett verabschiedet. (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel

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