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Norddeutscher Rundfunk (NDR) © mueritz auf flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Öffentlich-rechtlier Rundfunk

Mehr Vielfalt, mehr Streit – und die Debatte am Format „Klar“

Die Sendung „Klar“ verletzt laut NDR keine Regeln, enttäuscht aber inhaltlich und qualitativ. Die Absetzung der Moderatorin Ruhs hat eine Debatte um vermeintlich mangelnde Meinungsvielfalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausgelöst. Dabei wird Meinung vielfältiger – in der Gesellschaft und in den Redaktionen: Rechtspopulismus bleibt nicht mehr unwidersprochen.

Von Sonntag, 28.09.2025, 14:51 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 28.09.2025, 14:51 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Rundfunkrat des Norddeutschen Rundfunks hat eine Programmbeschwerde gegen das Reportagemagazin „Klar“ mit Julia Ruhs zurückgewiesen. Das Gremium verabschiedete am Freitag mit 29 Stimmen mehrheitlich einen Beschluss, nach dem in der ersten Ausgabe des Formats mit dem Titel „Klar – Migration: was falsch läuft“ kein Verstoß gegen den NDR-Staatsvertrag und den Medienstaatsvertrag vorgelegen habe.

Mit dem Beschluss verband das Gremium allerdings auch den Hinweis, dass das Format „nicht vollumfänglich den Anforderungen an die Qualität eines Formats im NDR“ entsprochen habe. Bemängelt wurden eine „beschränkte Perspektivenvielfalt“ und „zu starke Emotionalisierung“. Auch sei die Sendung überfrachtet gewesen.

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Klar-Debatte Ausdruck normaler Entwicklung

Zuvor hatte NDR-Intendant Hendrik Lünenborg vor dem Gremium Fehler des Senders beim Umgang mit dem Reportagemagazin eingeräumt. Diese Fehler seien bei der „Überführung des Formats in den Regelbetrieb“ und bei der Kommunikation passiert, sagte Lünenborg. Es habe sich gezeigt, dass die „Debattenkultur“ im NDR „nicht im besten Zustand“ sei. Er kündigte an, dass er die Debattenkultur im Sender im Hinblick auf Perspektivenvielfalt verbessern wolle. Das sei eine „zentrale Aufgabe für den NDR“, sagte er im Hinblick auf Vorwürfe rechtskonservativer Kreise.

Die Debatte um die Sendung „Klar“ und die Moderatorin Ruhs gilt nach Einschätzung von Experten jedoch als Ausdruck einer normalen Entwicklung. Während früher migrations- und einwanderungsfeindliche Sendungen kaum Widerspruch ausgelöst hätten, reagiere die Gesellschaft inzwischen sensibler auf einseitige, pauschale, rassistische Inhalte. Auch innerhalb des öffentlich-rechtlichen Rundfunks habe die Meinungsvielfalt zugenommen. Entsprechend gebe heute es stärkere interne Reaktionen auf rechtspopulistische Produktionen.

Meinungsvielfalt nimmt zu

Das Argument, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk fehle es an Meinungsvielfalt, sei vor diesem Hintergrund geradezu absurd. Das sei in rechtspopulistischen Kreisen ein bewährter Vorwand, um Einfluss zu gewinnen. Richtig sei vielmehr, dass mit der Vielfalt in den Redaktionsstuben auch die Zahl kontroverser Debatten zunehme: Rechtspopulistische Inhalte blieben – anders als bisher – auch intern nicht mehr unwidersprochen.

Programmdirektor Frank Beckmann sagte, der Sender habe die politische Wirkung der Ankündigung, dass der NDR die Sendung „Klar“ fortsetzen werde, aber ohne die Moderatorin Julia Ruhs, nicht richtig eingeschätzt. Auch seien Fehler bei der Kommunikation passiert. Das Sendekonzept für „Klar“ habe „immer mehrere“ Moderatoren und Moderatorinnen vorgesehen, unterstrich Beckmann: „Wir haben Frau Ruhs nie zugesagt, dass es weitergeht und dass alle Sendungen von ihr moderiert werden.“

Rassistische Aussage in der Sendung

Das Gremium diskutierte vor der Abstimmung länger als eine Stunde über das Reportagemagazin, das NDR und BR im April gestartet hatten. Es sollte nach der Ankündigung des NDR „große Streitfragen“ aufgreifen, „die in der Mitte der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden“. Vor allem an der Sendung „Klar – Migration: was falsch läuft“, die am 9. April im NDR gesendet wurde und seither in der ARD-Mediathek steht, hatte es viel Kritik im Sender, aber auch von außen gegeben.

In der Sendung kam beispielsweise Levi Salomon vom Jüdischen Forum zu Wort, der im Hinblick auf die Einwanderung in Deutschland sagte: „Wir haben eine Million Menschen, die Antisemitismus mit der Muttermilch gesaugt haben.“ Ruhs verbreitete dieses Zitat, das Menschengruppen pauschal bezichtigt, auch in den sozialen Medien. Dort teilt die Journalistin regelmäßig Posts rechtskonservativer Positionen sowie von Personen, denen vorgeworfen wird, islamfeindlich zu sein.

Rundfunkrat verwahrt sich Politik-Einmischung

Am 17. September hatte der NDR mitgeteilt, dass beide Sender das Format fortsetzen wollen, dass aber künftig nur noch in den vom BR verantworteten Ausgaben Julia Ruhs moderieren werde. Am 19. September gab der NDR bekannt, dass die ehemalige „Bild“-Chefredakteurin Tanit Koch die vom NDR verantworteten Ausgaben präsentieren werde. Die Zahl der Ausgaben pro Jahr soll von drei auf sechs verdoppelt werden.

Mehrere Unions-Politiker hatten kritisiert, dass der NDR die Zusammenarbeit mit Ruhs nicht fortsetze. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte gesagt, die Entscheidung des NDR sei „kein gutes Signal für die Meinungsfreiheit“ im Sender. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hatte gefordert, den Rundfunkbeitrag von derzeit 18,36 Euro pro Monat einzufrieren, „damit endlich Druck entsteht, damit Reformen passieren“. In der Sitzung des Rundfunkrats verwahrten sich der Personalrat und einige Rundfunkräte gegen die Versuche der Politik, sich in Personalangelegenheiten des Senders einzumischen. (epd/mig) Feuilleton Leitartikel

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