
Nebenan
Klassenkampf von oben
Friedrich Merz predigt Sparen von unten, während oben die Tortenberge unberührt bleiben: Mit Bürgergeld-Mythen, medialer Hetze und Klassenkampf. Welche Ränder er damit wohl stärkt?
Von Sven Bensmann Montag, 08.09.2025, 10:27 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 08.09.2025, 8:51 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Wer glaubt, „die da oben“ steckten doch eh alle unter einer Decke und würden heimlich die Medien kontrollieren, darf sich derzeit beim Blick in die Zeitungen mal wieder bestätigt fühlen.
Es wirkt, als habe Friedrich Merz mit seiner Erklärung, dass sich Deutschland den Sozialstaat nicht mehr leisten wolle, pardon, könnte, die untere Bevölkerungshälfte zum Abschuss freigegeben – woraufhin die 1-Prozent-Meute, die die Messer bereits gewetzt hatte, ihre Bluthunde in den von ihr gekauften Redaktionen von der Leine gelassen hat.
Seit Tagen bestimmen Meldungen über eine angebliche „Bürgergeld-Mafia“, unbesetzte Ausbildungsplätze, Totalverweigerer und die steigenden Arbeitslosenzahlen die Medien: Ausländer an sich scheinen aktuell nicht genug zu ziehen. Sind aber natürlich immer mindestens mitgemeint.
„Fritz fasst lieber zwei Mal einem nackten Mann in die Tasche als einmal einem Parteispender an die Torte.“
Dabei wird mal der Eindruck erweckt, nahezu sämtliche Bürgergeldempfänger seien bundesweit konspirativ organisiert, um den Staat auszunehmen wie eine Weihnachtsgans, als müsse sich der angehende Bäckergeselle aus Flensburg einfach nur einen Ruck geben, endlich die Fachinformatikerausbildung in München anzunehmen, die ihm das hochangesehene IT-Unternehmen so verzweifelt nachträgt oder, dass auf magische Weise mehr passende Arbeitsplätze entstünden, wenn Leistungsempfänger sich nur öfter bewürben.
Hinzu kommt an einer zweiten Front, dass Merz, der der vorhergehenden Koalition stets vorgeworfen hatte, mit Geld nicht umgehen zu können und sie keine neuen Schulden aufnehmen dürfe, weil genug Geld da sei, trotz Sondervermögen und Rekordverschuldung nicht in der Lage ist, seinen Haushalt zu finanzieren. Weil es für Friedrich „Ich habe zwei Privatflugzeuge und bin obere Mittelklasse“ Merz aber ganz und gar nicht in Frage kommt, denen ganz oben einen Mandelsplitter von der dreistöckigen Sahnetorte zu nehmen, ist die Marschrichtung klar: Lebensraum im Unten. Existenzminimum Schmecksistenschminimum.
Auch wenn Verfassung und Gerichte sagen, dass man denen ganz unten schlicht und einfach nichts mehr wegnehmen kann, der Fritz fasst trotzdem lieber zwei Mal einem nackten Mann in die Tasche als einmal einem Parteispender an die Torte.
Die entsprechende Stimmung, diesen Bullshit durchzusetzen, wird seit geraumer Zeit von einer breiten Front von bestverdienenden Meinungsverstärkern vorbereitet und der konsumierenden Bevölkerung eingetrichtert. Am Ende sollen die Umfaller von den Sozialdemokraten schließlich ebenso mit an Bord sein, wie die Gewerkschaften, die seit Jahrzehnten auf die globalistische Erzählung der Wettbewerbsfähigkeit durch Sozialabbau abonniert sind und denen die Arbeitnehmer stets näher sind als die Arbeitslosen – weil ihnen der Zusammenhang zwischen sinkenden Sozialstandards und steigendem Druck, jede Arbeit anzunehmen auf der einen und sinkenden Lohnniveaus, fehlenden Tarifbindungen und abgebauten Arbeitnehmerrechten auf der anderen nicht einleuchtet.
Daher sage ich es noch einmal, klar und deutlich, damit es wirklich auch der Letzte versteht. Wenn Merz sagt: „Wir können uns dieses System, das wir heute so haben, einfach nicht mehr leisten.“, dann meint er: „Wir wollen uns dieses System (einer geringfügigen Umverteilung zu denen ganz unten) nicht mehr leisten.“ Wenn er sagt: „Wir leben seit Jahren über unsere Verhältnisse.“, dann meint das: „Eure Verhältnisse wirken sich monetär negativ auf meine Dividenden und die meiner Freunde aus.“ Und wenn er sagt: „Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können.“, dann heißt das übersetzt: „Eure Vier-Tage-Woche und eure Work-Life-Balance werden den Wohlstand meiner Klasse nicht erhalten können.“
Was eine solche Politik wohl mit den „politischen Rändern“ macht? Meinung
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