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Polnische Grenze (Archiv) © de.depositphotos.com

Polen

Flüchtlingshelfer vor Gericht

In Polen steht eine Gruppe von Flüchtlingshelfern vor Gericht. Ihnen wird die Unterstützung einer irakischen Familie und eines Ägypters zum Vorwurf gemacht. Für Aktivistinnen zielt der Prozess auf die Hilfe an der Grenze zu Belarus insgesamt.

Von Mittwoch, 03.09.2025, 12:39 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 03.09.2025, 12:40 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Mit Trommeln, Sprechchören und Transparenten machen sie auf ihr Anliegen aufmerksam. Rund 70 Menschen haben sich vor dem Bezirksgericht im ostpolnischen Bialystok versammelt. Sie sind hier, um eine Gruppe von Flüchtlingshelfern zu unterstützen. Drinnen, im Gerichtssaal IV, sitzen vier der fünf Anklagten auf grünen Holzbänken. Das Medieninteresse ist groß, mehrere Fernsehteams haben sich mit ihren Kameras in dem weitläufigen Raum aufgebaut.

Die unter dem Namen „Hajnowka 5“ bekannten Angeklagten – benannt nach der Stadt, in der die Anklage erhoben wurde – müssen sich an diesem Dienstag wegen Beihilfe zum unrechtmäßigen Aufenthalt in Polen vor Gericht verantworten. Ihnen wird nach Angaben der Helsinki-Stiftung für Menschenrechte, die den Fall begleitet, vorgeworfen, im März 2022 eine irakische Familie und einen ägyptischen Staatsangehörigen in der Grenzregion zu Belarus mit Lebensmitteln versorgt und sie ins Landesinnere gefahren zu haben. Es droht eine Haftstrafe.

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Hintergrund des Verfahrens ist die Krise an der Grenze zu Belarus. 2021 lockte das Regime von Machthaber Alexander Lukaschenko Geflüchtete und Migranten aus aller Welt mit dem Versprechen an, über Belarus weiter nach Europa zu gelangen. Tausende Menschen machten sich damals auf den Weg, die Zahl der Grenzübertritte ging stark nach oben.

Polen reagiert mit Abschottung auf Belarus

Die polnische Regierung reagierte mit Abschottung, baute die Grenzanlage aus und schränkte den Zugang für Journalisten sowie Hilfsorganisationen in dem Grenzgebiet zwischenzeitlich ein. Die Notlage von Geflüchteten, die in dem Wald zwischen Polen und Belarus gestrandet waren, sorgte eine kurze Zeit lang für Schlagzeilen. Dann wurde es ruhiger, zumindest in den internationalen Medien.

Dabei kommen auch heute noch Geflüchtete und Migranten über die Grenze, wenn auch weniger, so berichten es Helferinnen und Helfer. Das polnische Innenministerium registrierte seit Beginn des Jahres bis zum 22. April noch 5.639 versuchte Grenzübertritte, ein Rückgang um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Gewalt sowie illegale Pushbacks

Laut Menschenrechtlern gehen die Sicherheitskräfte bei der Grenzsicherung teils brutal gegen Geflüchtete vor. „Human Rights Watch“ warf Grenz- und Polizeibeamten in einem Bericht von Dezember den Einsatz von Gewalt sowie illegale Pushbacks vor. Aktivistinnen und Aktivisten in der Grenzregion berichten ebenfalls von solchen Pushbacks, also Abschiebungen ohne die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen.

Ein Netzwerk von Engagierten will helfen, etwa indem sie Geflüchteten juristisch beistehen oder sie in Notlagen versorgen. Eine von ihnen ist Aleksandra Chrzanowska, die auch zur Demonstration vor dem Gerichtsgebäude gekommen ist. Für die 45-Jährige zielt der Prozess gegen die „Hajnowka 5“ auf die Solidarität mit den Geflüchteten insgesamt. „Das Verfahren richtet sich gegen alle Menschen, die humanitär in der Grenzregion aktiv sind“, sagt sie.

Gebrandmarkt als Schmuggler

Eigentlich lebt Chrzanowska in der Hauptstadt Warschau, aber seit 2021 verbringe sie viel Zeit an der Grenze, erzählt sie. Dabei würden sie und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter seit Beginn der Krise als Schmuggler gebrandmarkt, kritisiert die Aktivistin. Daran habe sich auch unter der Regierung des liberal-konservativen Ministerpräsidenten Donald Tusk nichts geändert.

In dem Prozess gegen die „Hajnowka 5“ war für Dienstag eigentlich ein Urteil erwartet worden. Doch die Entscheidung wurde verschoben. Die nächste Sitzung vor dem Gericht in Bialystok, nicht allzu weit entfernt von der Grenze zu Belarus, ist für den 8. September angesetzt. (epd/mig) Aktuell Ausland

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