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Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) (Archiv) © Michael Matthey/AFP

Weniger als 1 Prozent

Niedersachsens Lagebild zur „Clan“-Kriminalität in der Kritik

„Clan“-Kriminalität macht weniger als ein Prozent aller Straftaten in Niedersachsen aus, dennoch ist das Phänomen omnipräsent. Ein medienwirksam präsentierter jährlicher Lagebericht mit Ministerbeteiligung trägt mit dazu bei. Es gibt Kritik.

Dienstag, 19.08.2025, 13:14 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 19.08.2025, 13:14 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Innenministerin Daniela Behrens und Justizministerin Kathrin Wahlmann (beide SPD) sehen sich in ihrer „ganzheitlichen Null-Toleranz-Strategie“ bestätigt. Denn die der sogenannten „Clan“-Kriminalität zugeordneten Fallzahlen in Niedersachsen sind im vergangenen Jahr abermals gesunken. Polizei und Justiz ordneten 2024 insgesamt 3.145 Straftaten diesem Segment zu, wie die beiden Ministerinnen bei der Vorstellung des neuen Lagebilds zur „Clan“-Kriminalität mitteilten.

Das entspricht nach 3.610 Fällen im Jahr 2023 einem Rückgang um knapp 13 Prozent. 2022 waren es noch 3.986 Straftaten. Damit ist nach Angaben des Innenministeriums „Clan“-Kriminalität für weniger als ein Prozent der gesamten polizeilich erfassten Straftaten verantwortlich. Ungeachtet dessen, bleibe die Bekämpfung von „Clan“-Strukturen aber ein landesweiter Schwerpunkt. Denn neben den objektiv von der „Clan“-Kriminalität ausgehenden Gefahren schmälere sie besonders die gefühlte Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger.

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Begriff der Clankriminalität ist umstritten

Verantwortlich dafür ist nach Überzeugung von Evrim Camuz, rechtspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, die Landesregierung selbst. Niedersachsen sei eines von nur drei Ländern, das überhaupt ein Lagebild zur sogenannten „Clan“-Kriminalität erstelle. Das Phänomen werde damit künstlich aufgebauscht, obwohl sie gemessen an der Gesamtzahl kaum ins Gewicht falle. „So werden Menschen mit Migrationshintergrund zu Unrecht stigmatisiert, in der Bevölkerung wird Angst vor ihnen geschürt und Integration verhindert“, sagte Camuz.

Schon der Begriff „Clan“-Kriminalität ist umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund allein aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert. Camuz sagte: „Stigmatisierende Pauschalbegriffe helfen bei der Bekämpfung von Kriminalität nicht weiter.“

80 Prozent der Tatverdächtigen männlich, 56 Prozent deutsch

Innenministerin Behrens verteidigte den Begriff: „Beim Thema Clankriminalität geht es nicht um die Verfolgung von Nationalitäten oder bestimmten Familien oder bestimmten Ethnien, sondern es geht um ein besonderes Phänomen der Kriminalität.“ Die Mehrheit der Täter sei deutsch, die Mehrheit der Opfer auch. Kritikern zufolge ist das allerdings nur eine Schutzbehauptung. Mit dem Begriff würden eindeutig Menschen mit Einwanderungsgeschichte adressiert. Auch in den vergangenen Jahren wurde der Lagebericht kritisiert.

Im Jahr 2024 wurden 2.903 Tatverdächtige erfasst. Etwa 56 Prozent der Beschuldigten hatten die deutsche Staatsangehörigkeit, vier von fünf wurden in Deutschland geboren. Unter den ausländischen Tatverdächtigen waren vor allem rumänische, türkische und syrische Staatsangehörige vertreten.

Kritik am Begriff „Parallelgesellschaft“

Justizministerin Wahlmann betonte, Niedersachsen lasse sich „von kriminellen Clans nicht auf der Nase herumtanzen. Wir dulden keine Parallelgesellschaften, die unseren Rechtsstaat ablehnen und versuchen, das staatliche Gewaltmonopol zu umgehen“. Es gelte: „Unser Rechtsstaat – unsere Regeln. Wer sich nicht daran hält, muss mit der Härte des Strafrechts rechnen.“

Auch der Begriff „Parallelgesellschaft“ ist Kritikern zufolge weniger eine sachliche Beschreibung als vielmehr ein politisches Schlagwort. Er suggeriere abgeschottete Milieus und erzeuge das Bild von „den Anderen“, die angeblich nicht Teil der Gesellschaft sein wollen. Dabei werde übersehen, dass soziale Unterschiede und Segregation meist strukturelle Ursachen haben – von Diskriminierung am Arbeits- und Wohnungsmarkt bis hin zu fehlenden politischen Teilhabemöglichkeiten. Mit diesem Begriff werde politische Verantwortung verschoben auf Minderheiten. Der Begriff schüre Ängste, die Vorurteile und Rassismus befördern.

Nach Angaben des Innenministeriums machten sogenannte Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit mit gut einem Drittel den größten Teil der registrierten Fälle aus. Besonders auf die Körperverletzung entfiel mit 583 Fällen der Großteil der Rohheitsdelikte. Die Zahl der Diebstähle unter erschwerenden Umständen stieg zugleich im Gegensatz zum allgemeinen Trend deutlich um rund ein Viertel auf 303 Fälle. Hierbei handelte es sich besonders um teils bandenmäßig begangene Ladendiebstähle. (dpa/mig) Aktuell Politik

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