
Flickenteppich
Bezahlkarte nur in zwei Bundesländern flächendeckend eingeführt
Fast alle Länder wollten sie und doch bleibt es bei einem Flickenteppich: Die umstrittene Bezahlkarte für Flüchtlinge wird unterschiedlich gehandhabt. Und sie ist längst noch nicht überall verfügbar, wie eine Länderumfrage zeigt. Die Nachteile schrecken viele Kommunen ab.
Donnerstag, 31.07.2025, 15:18 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 31.07.2025, 15:18 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Mehr als anderthalb Jahre nach dem Beschluss der Bundesländer zur Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge bleibt es bei der Anwendung bei einem Flickenteppich. Wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes unter den zuständigen Landesministerien ergab, wird die Karte längst nicht in allen Kommunen angewendet, auch wenn sie inzwischen alle Länder außer Berlin eingeführt haben. Teilweise sind technische Probleme der Grund, andernorts sperren sich auch Kommunen gegen das Bezahlsystem.
Insbesondere in den Flächenländern kommt die Karte der Umfrage zufolge aktuell vor allem in den Erstaufnahmeeinrichtungen zum Einsatz. Sie werden von den Ländern getragen, während die Unterbringung anerkannter Flüchtlinge danach die Kommunen verantworten.
Flickenteppich Landauf landab
So erhalten unter anderem in Rheinland-Pfalz bislang nur Asylbewerber in Landeseinrichtungen die Karte. Kommunale Abrufe seien bislang nicht erfolgt, es sei aber in den kommenden Wochen damit zu rechnen, hieß es aus dem Integrationsministerium in Mainz. Das zuständige Ministerium in Schleswig-Holstein teilte mit, dass das Fehlen zuverlässig funktionierender Software-Schnittstellen die Verbreitung in die Kommunen hinein bislang verhindert habe. Nach Änderungen bei der Programmierung sollen dort nun Pilotprojekte starten und die Karte bis zum Jahresende flächendeckend verfügbar sein.
Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es die Karte bislang nur in den Landesaufnahmeeinrichtungen. Die Kommunen sollen dort künftig entscheiden können, ob sie die Bezahlkarte einführen oder nicht. Laut Landesregierung haben vorläufigen Zahlen zufolge bislang 93 von 310 Kommunen angekündigt, von der sogenannten Opt-Out-Regelung Gebrauch zu machen und damit aktiv auf die Bezahlkarte zu verzichten. In Niedersachsen wehren sich Städte wegen befürchteten Mehraufwands gegen die Karte. Osnabrück prüft eine Klage vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof. Eine flächendeckende Einführung meldeten lediglich Bayern und Sachsen-Anhalt.
Merz stört Flickenteppich
Dass es bei der Bezahlkarte immer noch einen Flickenteppich gibt, stört offenbar auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Er hatte nach einem Treffen mit der bayerischen Landesregierung zur Bezahlkarte gesagt: „Wir werden das in der Koalition nochmal auf den Prüfstand stellen und die Frage klären, ob wir da nicht zu einer einheitlichen Lösung kommen.“ Konkret sprach er von einer Änderung im Asylbewerberleistungsgesetz.
Die Bundesländer hatten sich im Herbst 2023 auf die Einführung einer Bezahlkarte für Flüchtlinge geeinigt. Sozialleistungen sollen damit nicht mehr in bar, sondern in Form einer Geldkarte zur Verfügung gestellt werden. Mit der Karte soll die Auszahlung von Bargeld begrenzt und Überweisungen ins Ausland sollen damit verhindert werden.
Studie: Überweisungen ins Ausland nur ganz selten
Experten und Menschenrechtler bezweifeln, dass dieses Ziel mit der Bezahlkarte überhaupt erreicht werden kann. Studien zufolge überweisen ohnehin nur ganz wenige Geflüchtete Geld ins Ausland, weil sie selbst kaum über die Runden kommen.
Bis auf Berlin, wo die Vorbereitungen zur Einführung der Bezahlkarte noch laufen, haben alle Länder die Karte eingeführt. Fast überall gilt auch die Bargeldgrenze von 50 Euro pro Monat, auf die sich die Regierungschefinnen und -chefs der Länder im vergangenen Sommer geeinigt hatten. Nur Rheinland-Pfalz und Bremen lassen deutlich höhere Barbeträge zu: 130 und 120 Euro.
Experten widersprechen
Begründet wurde die Einführung der Bezahlkarte auch damit, dass sich absehbar der Verwaltungsaufwand bei der Auszahlung der Sozialleistungen an Flüchtlinge reduzieren würde. Dies bewahrheitet sich nach Angaben der Landesministerien, auch wenn sich die Einsparung aufgrund der kurzen Dauer der Einführung noch nicht beziffern lasse. Die Ministerien verweisen vor allem auf den bislang hohen Aufwand für Transport, Bewachung und monatliche Auszahlung der Leistungen in bar.
Auch dieser Begründung halten Experten entgegen, dass mit der Einführung der Bezahlkarte das Gegenteil erreicht werde. Mehrere Kommunen befürchteten einen bürokratischen Mehraufwand das und hielten Abstand von der Karte.
Applaus vom rechten Rand
Die Hamburger Sozialbehörde indes teilte mit, dass sich Verwaltungsmitarbeitende bereits verstärkt anderen Aufgaben widmen könnten. Aus Rheinland-Pfalz hieß es darüber hinaus, dass man feststellen könne, dass es das „subjektive Sicherheitsgefühl“ der Bewohnerinnen und Bewohner von Aufnahmeeinrichtungen steigere, die Leistungen auf der Karte statt komplett in bar zu haben.
Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. Menschenrechtler hielten auch hier dagegen: Die Bezahlkarte beschränke die Freiheit der Menschen ohne jeglichen Mehrwert ein und trage eben nicht dazu bei, dass sie sich besser fühlten. Im Gegenteil, das erklärte Ziel der Politik sei es gewesen, die Karte auch als Abschreckung für Geflüchtete einzuführen. Das sei kein Wohlfühlfaktor. (epd/mig) Aktuell Panorama
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