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Grenzkontrolle an der deutsch-polnischen Grenze © Wojtek Radwanski/AFP

Probleme an Grenzen

Beauftragter beklagt rassistische Racial Profiling bei Polizeikontrollen

Bürger, die bei Polizeikontrollen über Rassismus und Diskriminierung klagen, gehören zum Alltag des Polizeibeauftragten des Bundes. Die Grenzkontrollen sieht er besonders kritisch. Bundeskanzler Merz stellt ein Ende in Aussicht.

Mittwoch, 09.07.2025, 15:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 09.07.2025, 15:22 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Mit Eingaben, Hinweisen und Anregungen haben sich innerhalb eines Jahres 279 Bürgerinnen und Bürger an den Polizeibeauftragten des Bundes, Uli Grötsch, gewandt. Schwerpunkt der Eingaben war laut seines Jahresberichtes der Vorwurf von Diskriminierung beziehungsweise Racial Profiling an Grenzübergängen, Flughäfen und in Bahnhöfen, häufig verbunden mit dem Vorwurf des Rassismus. Unter Racial Profiling versteht man verdachtsunabhängige Kontrollen allein aufgrund des physischen Erscheinungsbildes. In 19 Fällen leitete der Beauftragte dazu ein Untersuchungsverfahren ein.

Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, und die Integrationsbeauftragte Natalie Pawlik (SPD) sehen in dem Bereich Handlungsbedarf. Man müsse rassistischen Vorfällen entgegenwirken, sagte Pawlik: „Dabei helfen Weiterbildungen, mehr Supervision und reflektierte Kontrollpraxis.“ Ataman forderte, im Zuge der Reform des Bundespolizeigesetzes Maßnahmen zu ergreifen, etwa Kontrollquittungen einzuführen, die Betroffenen den Nachweis rechtswidrigen Verhaltens erleichtern könnten.

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Merz: komische Autos, komische Figuren

Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Clara Bünger, fordert mehr: „Gegen Racial Profiling hilft kein Appell an ,Sensibilität‘, sondern nur eines: die ersatzlose Streichung der Befugnis zu verdachtsunabhängigen Kontrollen. Ansonsten bleiben rassistische Polizeipraktiken Realität und Menschen werden weiter allein wegen ihres Aussehens kontrolliert.“

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte bei einer Rede zum Wahlkampfauftakt seiner Partei im sächsischen Meerane im Juli 2024 erklärt, die Beamten würden nur „komische Autos mit irgendwelchen komischen Figuren drin“ kontrollieren. Kritiker sprechen von einer Aufforderung an die Polizei, Menshcen nach äußeren Merkmalen zu kontrollieren.

Einige Dutzend Eingaben von Polizeibeschäftigen

Grötsch, der für die Belange der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts (BKA) und der Polizei beim Deutschen Bundestag zuständig ist, erreichten zwischen dem 1. Juli 2024 und dem 30. Juni 2025 auch 78 Eingaben von Beschäftigten der Polizeibehörden des Bundes.

Dabei ging es unter anderem um das Verhalten von Vorgesetzten, Vorwürfe sexueller Belästigung sowie um Fragen zu Beurteilungen und Beförderungen. Grötsch, hat sein Amt im März des vergangenen Jahres angetreten. Es ist sein erster Jahresbericht.

Merz sieht Zurückweisungen „nicht auf Dauer“ als Lösung

Die Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Landgrenzen auch nach der Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts fortzusetzen, hält der Polizeibeauftragte des Bundes, Uli Grötsch, für falsch. „Das geht für mich nicht zusammen“, sagt Grötsch. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) stehe in der Verantwortung, „eine europarechtlich einwandfreie Regelung“ zu finden, am besten in Absprache mit Nachbarländern wie Polen.

Bundeskanzler Merz hat derweil ein Ende des rechtlich infrage stehenden Vorgehens in Aussicht gestellt. „Wir werden nicht auf Dauer in diesem Modus der Zurückweisungen arbeiten können“, sagte Merz am Mittwoch in der Regierungsbefragung im Bundestag. Die Bundesregierung wolle das nicht, „auch der Bundesinnenminister nicht“, sagte Merz in Berlin. Vielmehr wolle man zu gemeinsamen europäischen Lösungen kommen.

Dobrindt für Kontrollen trotz Gerichtsentscheidung

Das Verwaltungsgericht Berlin hatte Anfang Juni in einer Eilentscheidung festgestellt, die Zurückweisung dreier Somalier bei einer Grenzkontrolle am Bahnhof Frankfurt (Oder) sei rechtswidrig gewesen. Ohne eine Klärung, welcher EU-Staat für einen Asylantrag der Betroffenen zuständig sei, dürften sie nicht abgewiesen werden, hieß es.

Dobrindt hatte nach der Entscheidung von einem „Einzelfallurteil“ gesprochen. Sein Ministerium erklärte, die Zurückweisungen von Asylsuchenden an den Landgrenzen würden fortgesetzt.

285 Asyl-Zurückweisungen stehen 2,8 Mio. Überstunden gegenüber

Grötsch wies auf die hohe Zahl von Überstunden bei der Bundespolizei hin, auch als Folge der intensivierten Grenzkontrollen. Dass die Kontrollen zu einer Reduzierung der irregulären Migration nach Deutschland beitragen, stelle er dabei nicht infrage. Die Gewerkschaft der Polizei hingegen monierte kürzlich, dass der Aufwand in keinem Verhältnis zu den Zahlen steht. 285 Asyl-Zurückweisungen an den Grenzen stünden 2.800.000 Überstunden bei der Bundespolizei gegenüber.

Im Januar 2024 hatte der Bundestag mit Stimmen der Ampel-Koalition und der Linken die gesetzliche Grundlage für das Amt des Polizeibeauftragten geschaffen. Es dient Polizisten und Bürgern als Anlaufstelle, um Fehlverhalten oder mögliche strukturelle Missstände anzuzeigen.

„Trotz Widerstands aus der Union, der auf unbegründetem Misstrauen beruhte, stärkte der Polizeibeauftragte das Vertrauen in die Polizei und legte wichtige Grundlagen für Reformen“, sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic. Aus Sicht ihrer Fraktion sollte der Polizeibeauftragte künftig auch für den Zoll zuständig sein. (dpa/epd/mig) Leitartikel Panorama

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