Antiziganismus, Sinti, Roma, Diskriminierung, Straftat
Antiziganismus © MiG

„Perfide“

Scharfe Kritik an Streichung des Antiziganismus-Beauftragten

Die neue Bundesregierung plant die Abschaffung der Stelle des Antiziganismus-Beauftragten. Das stößt auf scharfe Kritik auf Seiten der Betroffenen und der Opposition. Deutschland inszeniere sich als „Erinnerungsweltmeister“, zugleich erteile es dem Kampf gegen Antiziganismus eine Absage.

Sonntag, 01.06.2025, 12:03 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 02.06.2025, 8:10 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Streichung der Stelle des Antiziganismus-Beauftragten der Bundesregierung stößt auf Kritik. Der Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg sprach am Freitag von einem fatalen Signal. Die Bundesregierung wende sich damit gezielt von den Interessen und Anliegen der Sinti und Roma in Deutschland ab, beklagt deren Landesvorsitzende Petra Rosenberg. Ähnlich äußerte sich die Ansprechperson des Landes zu Antiziganismus, Alina Voinea.

Voinea verwies auf einen erheblichen Zuwachs antiziganistischer Diskriminierung in allen Lebensbereichen. Mit der jetzigen Entscheidung würden antiziganistische Ressentiments heruntergespielt. „Die historische Verantwortung der Bundesrepublik gegenüber Romnja und Sintizze wird nun offenbar erneut verdrängt“, kritisierte Voinea. Sie habe zudem große Sorge um die Zukunft der erst vor kurzem eingerichteten Bund-Länder-Kommission zu Antiziganismus.

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Rosenberg kritisierte, offensichtlich verkenne die Bundesregierung die Tragweite ihrer Entscheidung. „Rassismus gegen Sinti und Roma ist in Deutschland nach wie vor weit verbreitet – gerade auch in staatlichen Institutionen“, sagte Rosenberg. Das Amt sei ein wichtiges Symbol dafür gewesen, dass sich der Staat dieser Problematik entgegenstellt.

Linke: Deutschland muss seiner historischen Verantwortung nachkommen

Die geplante Abschaffung der Stelle erntete auch scharfe Kritik von der Linkspartei. „Die Regierung muss ihrer historischen Verantwortung nachkommen, und für Menschenrechte, Erinnerung und Gerechtigkeit für alle eintreten“, erklärten die beiden Bundestagsabgeordneten Ferat Koçak und Charlotte Neuhäuser. Es sei mehr als perfide, wenn Deutschland sich als „Erinnerungsweltmeister“ in der Welt inszeniere, aber dem institutionellen Kampf gegen Antiziganismus in dieser Art eine Absage erteilen würde, so die beiden Linkspolitiker.

500.000 Roma und Sinti wurden während der NS-Terrorherrschaft verfolgt und ermordet. „Die Aufarbeitung der Verbrechen an den Roma und Sinti bleibt lückenhaft. Bis heute erfahren Roma und Sinti strukturellen Rassismus, Gewalt und Ausgrenzung von der Gesellschaft, der Polizei und der etablierten Politik. Seit Jahren steigen die Straftaten mit rassistischer und antiziganistischer Motivation an und Roma und Sinti in ganz Europa werden weiterhin von Wohnen, Bildung und Gesundheit systematisch ausgeschlossen“, erklärten Koçak und Neuhäuser.

Antiziganistische Straftaten auf Höchststand

Erst kürzlich hatte Guillermo Ruiz, Geschäftsführer der Melde- und Informationsstelle Antiziganismus MIA, eine Zunahme der von der Polizei erfassten antiziganistischen Straftaten beklagt. Im Jahr 2024 wurden mit 195 erfassten Fällen so viele wie noch nie zuvor gezählt. 2023 wurden 171 antiziganistische Straftaten dokumentiert. „Diese Zahlen sind nur ein kleiner Teil der antiziganistischen Straftaten. Die Dunkelziffer ist weiterhin sehr hoch. Viele Betroffene zeigen keine Straftaten an, weil sie der Polizei wegen der jahrzehntelangen Stigmatisierung und Verfolgung, insbesondere während der NS-Zeit, nicht vertrauen“, erklärte Ruiz.

Doch dies sei nicht das einzige Problem. „In vielen Fällen verhindert fehlendes Wissen über Antiziganismus und seine Erscheinungsformen in den Sicherheitsbehörden, dass Straftaten als antiziganistisch eingestuft werden, obwohl es eindeutige Hinweise dafür gibt“, sagte Ruiz weiter und forderte die Bekämpfung von Antiziganismus auf der höchsten politischen Ebene.

Die Bundesregierung hatte am Mittwoch eine Reihe von Beauftragten ernannt – und zugleich wie angekündigt Stellen gestrichen. Laut „tageszeitung“ soll auch die Stelle des Antiziganismus-Beauftragten nicht mehr nachbesetzt werden. Mehmet Daimagüler, der das Amt bis vor wenigen Wochen innehatte, sagte der Zeitung: „Eine Abschaffung des Amts wäre ein Schlag ins Gesicht für die Sinti und Roma in Deutschland.“ (epd/mig) Leitartikel Politik

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  1. Katharina Pokrzywa sagt:

    Dem kann ich nur zustimmen. Ich halte die Streichung des Amtes für skandalös!