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Mahnmal für die ermordeten Herero und Nama in Namibia © Hildegard Titus/AFP

Namibia

Erster nationaler Gedenktag zu Völkermord an Herero und Nama

Erstmals wird in Namibia mit einem nationalen Gedenktag der Opfer des von Deutschen während der Kolonialzeit verübten Völkermords gedacht. Doch das Gedenken ist umstritten.

Donnerstag, 29.05.2025, 14:14 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 29.05.2025, 14:23 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Mit einem nationalen Gedenktag hat Namibia am Mittwoch an den von deutschen Kolonialstreitkräften begangenen Völkermord an den Herero und Nama erinnert. Es war das erste Mal, dass die namibische Regierung auf diese Weise offiziell der Opfer der Gräueltaten im damaligen Deutsch-Südwestafrika vor 120 Jahren gedachte. Namibia hatte den 28. Mai im vergangenen Jahr zum „Genocide Remembrance Day“ ausgerufen.

Auf dem Programm standen unter anderem eine Nachtwache bei Kerzenlicht, eine Rede der Präsidentin Netumbo Nandi-Ndaitwah und eine Schweigeminute in Gedenken an die Opfer. An der zentralen Veranstaltung in der Hauptstadt Windhuk sollte laut Auswärtigem Amt auch der deutsche Botschafter teilnehmen.

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Die Gedenkveranstaltungen sind in Namibia jedoch nicht unumstritten. Wie die Zeitung „Windhoek Observer“ am Dienstag berichtete, stammten nur zwei der 13 Redner aus der Herero- und Nama-Gemeinschaft. Dadurch sei versäumt worden, wichtige Stimmen einzubeziehen, lautete die Kritik. Führende Vertreter der Volksgruppen hatten daher angekündigt, den Gedenktag zu boykottieren.

80 Prozent der Herero von Deutschen ausgelöscht

Laut der Zeitung „The Namibian“ gab es auch Streit um die Wahl des Datums des Gedenkens. Präsidentin Nandi-Ndaitwah rief demnach bei der Gedenkveranstaltung in Windhuk zur Einheit auf. Der Völkermord müsste für heutige und künftige Generationen in Erinnerung bleiben, unterstrich Nandi-Ndaitwah der Zeitung zufolge.

Zwischen 1904 und 1908 wurden in Namibia etwa 80 Prozent des Herero-Volkes und die Hälfte der Nama von deutschen Streitkräften ausgelöscht. Der Vernichtungskrieg, der gegen die Herero und Nama geführt wurde, gilt als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts. Die Wahl, den Gedenktag auf den 28. Mai zu legen, hängt mit einem Befehl der deutschen Kolonialbehörden zusammen, die an diesem Tag im Jahr 1908 die Schließung der Konzentrationslager im damaligen Deutsch-Südwestafrika angeordnet hatten.

Anerkennung als Völkermord nach über 100 Jahren

Nach jahrelangen Verhandlungen zwischen der deutschen und namibischen Regierung erkannte Deutschland im Jahr 2021 die Gräueltaten als Völkermord an und sagte ein Programm zur Unterstützung der Nachfahren der Herero und Nama in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zu. Rechtliche Ansprüche auf Entschädigung sollten daraus aber nicht ableiten lassen. Auch dies war in Namibia umstritten. Verbände der Herero und Nama forderten unter anderem eine stärkere Beteiligung. Fast vier Jahre nach der ersten Einigung ist das Abkommen weiter nicht in Kraft.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte in Berlin dazu, es liefen „ergebnisorientierte“ und „konstruktive“ Gespräche mit der namibischen Regierung. Das Außenministerium hatte zur Einführung des nationalen Gedenktages mitgeteilt: „Die Verbrechen der deutschen Kolonialherrschaft sind das dunkelste Kapitel deutsch-namibischer Beziehungen.“ Die Anerkennung deutscher Schuld und die Bitte um Entschuldigung seien „wichtige Schritte, um gemeinsam die Verbrechen aufzuarbeiten und die Zukunft zu gestalten“. (epd/mig)

Hintergrund: Anfang des 20. Jahrhunderts ermordeten deutsche Kolonialtruppen Zehntausende Angehörige der Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Historiker bezeichnen diese Gräueltaten als „ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts“. Schätzungen gehen von 100.000 Opfern aus. Deutschland hatte Namibia von 1884 bis 1915 in Besitz genommen. 1904 erhoben sich die Herero aus existenzieller Not heraus gegen die Kolonialmacht. Eine rund 15.000 Mann starke Streitmacht unter Generalleutnant Lothar von Trotha schlug die Rebellion der Einheimischen nieder.

Auftakt für den Völkermord war die Schlacht von Ohamakari am 11. August 1904, auch als „Schlacht am Waterberg“ bekannt. Dort ließ der deutsche Befehlshaber einen Großteil der Herero-Bevölkerung einkesseln und töten. Zudem ließ er die wasserlose Omaheke-Wüste abriegeln, in die Tausende Herero geflohen waren. Die Flüchtlinge verdursteten. Später gab Trotha den Vernichtungsbefehl: „Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herero mit oder ohne Gewehr erschossen.“ Zehntausende Herero verloren ihr Leben.

Im Oktober 1904 erhoben sich auch die Nama gegen die Kolonialherren. Die deutschen Truppen gingen erneut rücksichtslos vor und töteten rund 10.000 Nama. Hinzu kamen Tausende, die in Konzentrationslager gesteckt oder vertrieben wurden. 2015 begann der offizielle Dialog zwischen den Regierungen Deutschlands und Namibias zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialverbrechen.

2021 gab es eine erste Einigung: Deutschland erkannte die Gräueltaten als Völkermord an und sagte ein Programm zur Unterstützung der Nachfahren der Herero und Nama in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zu. Rechtliche Ansprüche auf Entschädigung sollten daraus aber nicht ableiten lassen. Bei Verbänden der Herero und Nama stieß die „Gemeinsame Erklärung“ der Regierungen auf scharfe Kritik. Sie forderten unter anderem eine stärkere Beteiligung. Fast vier Jahre nach der ersten Einigung ist das Abkommen weiter nicht in Kraft.

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