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Künstliche Intelligenz (Symbolfoto) © de.depositphotos.com

EUDI-Wallet 2025

Digitale Verwaltung: Chance zur Teilhabe oder neue Hürde?

Die digitale Identitätswallet soll Behördenkontakte erleichtern. Doch für viele Zugewanderte droht sie zur neuen Hürde zu werden – wenn Technik, Sprache oder Vertrauen fehlen.

Freitag, 09.05.2025, 0:59 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 09.05.2025, 14:04 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung hat Deutschland bedeutende Schritte unternommen, um Verwaltungsprozesse zu modernisieren. Ein zentrales Element dieser Transformation ist die Einführung der European Digital Identity Wallet (EUDI-Wallet), die bis Ende 2026 allen Bürgern und Einwohnern der EU zur Verfügung stehen soll. Diese digitale Brieftasche ermöglicht es, persönliche Dokumente sicher zu speichern und zu teilen.

Ein Überblick

Die EUDI-Wallet ist Teil der überarbeiteten eIDAS 2.0-Verordnung, die im Mai 2024 in Kraft trat. Sie soll eine sichere und interoperable digitale Identität innerhalb der EU gewährleisten. Mit der Wallet können Ausweisdokumente, Führerscheine, Bildungsnachweise und andere wichtige Informationen digital gespeichert und bei Bedarf geteilt werden.

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In Deutschland wird die EUDI-Wallet schrittweise eingeführt. Eine Vorabversion, die grundlegende Identifikationsfunktionen bietet, ist bereits verfügbar. Der vollständige Funktionsumfang, einschließlich qualifizierter elektronischer Signaturen und weiterer verifizierter Attribute, wird voraussichtlich 24 Monate nach Inkrafttreten der entsprechenden EU-Durchführungsrechtsakte bereitgestellt.

Vorteile der EUDI-Wallet

Die Einführung der EUDI-Wallet bringt spürbare Erleichterungen im alltäglichen Umgang mit staatlichen Behörden und öffentlichen Dienstleistungen. Besonders deutlich wird dies beim Zugang zu Verwaltungsprozessen, die bislang oft mit langwierigen Papierformularen, persönlichen Vorsprachen und unübersichtlichen Zuständigkeiten verbunden waren. Durch die digitale Identifikation via Wallet können viele Anträge – etwa auf Familiennachzug, Sprachförderung oder Sozialleistungen – künftig zumindest teilweise und irgendwann vielleicht auch vollständig online gestellt werden. Dies spart nicht nur Zeit, sondern reduziert auch die Hürden für Menschen, die neu in Deutschland sind und sich erst mit den bürokratischen Strukturen vertraut machen müssen.

Ein weiterer bedeutender Vorteil liegt in der EU-weiten Anerkennung digitaler Identitätsnachweise. Wer beispielsweise als syrische Geflüchtete in Deutschland einen Aufenthaltstitel und ein digitales Zeugnis eines Sprachkurses in der EUDI-Wallet speichert, kann diese Nachweise künftig auch bei der Jobsuche in Frankreich oder den Niederlanden verwenden – ohne auf Übersetzungen oder Beglaubigungen angewiesen zu sein. Diese grenzüberschreitende Nutzbarkeit der Identitätsdaten stärkt die Freizügigkeit innerhalb Europas und kann insbesondere für hochqualifizierte Zuwandernde den Zugang zum europäischen Arbeitsmarkt erleichtern.

Auch im Bildungsbereich ist ein nahtloser Übergang zwischen verschiedenen EU-Ländern möglich, wenn etwa Zeugnisse und Studiennachweise als verifizierte Attribute in der Wallet vorliegen. Der EU-eIDAS-Expertenkreis sieht darin eine „wesentliche Voraussetzung für die digitale Mobilität von EU-Bürgern und Drittstaatsangehörigen mit längerfristigem Aufenthalt“.

Nicht zuletzt profitieren auch Migrant:innen von dem Prinzip der Datensouveränität, das dem Design der EUDI-Wallet zugrunde liegt. Anders als bei zentral gespeicherten Identitätsdaten, wie sie in manchen Nicht-EU-Staaten verwendet werden, behalten Nutzer:innen hier die volle Kontrolle über ihre persönlichen Informationen. Sie entscheiden, wann sie welche Daten mit wem teilen – etwa bei der Anmeldung einer Wohnung oder beim Vertragsabschluss mit einer Bank. Die Wallet arbeitet dabei nach dem Zero-Knowledge-Prinzip: Behörden und Dienstleister erhalten nur die unbedingt notwendigen Informationen, nicht aber ein komplettes Datenprofil. Dieses Prinzip ist besonders wichtig für Personen, die aus Ländern mit repressiven Regimen geflohen sind und ein erhöhtes Schutzbedürfnis in Bezug auf ihre Herkunft, Religion oder frühere politische Aktivitäten haben.

Auch ist der Zugang zur Wallet nicht an einen deutschen Pass gebunden. Drittstaatsangehörige mit legalem Aufenthalt in Deutschland – etwa Geflüchtete mit subsidiärem Schutz oder Arbeitsmigranten aus Nicht-EU-Staaten – sollen laut Bundesdruckerei und EU-Kommission technisch gleichberechtigt auf die EUDI-Wallet zugreifen können. Das stärkt das Gefühl rechtlicher Gleichstellung und trägt dazu bei, digitale Verwaltungsprozesse inklusiver zu gestalten.

Hürden bei Zugang und Nutzung

Voraussetzung für eine erfolgreiche Nutzung bleibt jedoch, dass auch benachteiligte Gruppen in die digitale Nutzung begleitet werden – etwa durch mehrsprachige Erklärungen, Community-Angebote oder gezielte Schulungsformate, wie sie bereits in Modellprojekten in Berlin und Nordrhein-Westfalen erprobt werden. Denn: Der Besitz eines Smartphones, der Zugang zu stabilem Internet und das Verständnis digitaler Anwendungen sind keine Selbstverständlichkeit. Gerade unter neu Zugewanderten ist die digitale Kluft oft besonders groß.

Hinzu kommt: Wer den Umgang mit der Wallet nicht beherrscht, läuft Gefahr, von zentralen Verwaltungsleistungen ausgeschlossen zu werden. Wenn etwa Terminvereinbarungen, Dokumentenprüfungen oder Antragstellungen künftig ausschließlich digital erfolgen, entsteht für einige ein neues strukturelles Hindernis – vergleichbar mit Sprachbarrieren oder mangelndem Bildungszugang. Umso wichtiger ist es, analoge Alternativen nicht vorschnell abzuschaffen, sondern beide Wege gleichberechtigt auszubauen.

Verwalten oder Überwachen?

Ob staatlich oder privat – der Umgang mit persönlichen Daten ist 2025 ein zentrales gesellschaftliches Streitthema. Im digitalen Raum hat sich eine breite Debatte um Datenschutz, Transparenz und informationelle Selbstbestimmung entfaltet. Anlass dafür bieten nicht nur neue staatliche Technologien wie die EUDI-Wallet, sondern auch aktuelle Konflikte mit globalen Plattformen.

So sorgt etwa derzeit die EU-Klage gegen TikTok für Aufsehen: Der chinesische Konzern steht unter Verdacht, systematisch gegen europäische Datenschutzstandards zu verstoßen, insbesondere beim Tracking von Minderjährigen. Im Bereich digitaler Unterhaltung sind deutlich Strömungen erkennbar, die gezielt auf reduzierte Datenangaben setzen: wie beispielsweise im iGaming, wo Anbieter den Zugriff auf ihr Angebot ermöglichen, ohne persönliche Daten preiszugeben. Gerade im iGaming werden solche Angebote von vielen Menschen als bewusst datensparsame Alternativen genutzt.

Es zeigt sich in vielen Sektoren, dass der Wunsch nach digitaler Teilhabe für viele Menschen mit einem wachsenden Bedürfnis nach Kontrolle über die eigenen Daten einhergeht. Gerade bei staatlichen Lösungen wie der EUDI-Wallet wird daher die Frage laut, wie freiwillig die Nutzung tatsächlich bleibt – insbesondere wenn wichtige Verwaltungsleistungen künftig nur noch digital angeboten werden. Die Sorge, dass digital gespeicherte Daten irgendwann in andere Hände geraten könnten – etwa bei politischen Veränderungen – ist real. Für viele Menschen mit Migrationserfahrung ist das Vertrauen in Behörden ein sensibles Thema. Erfahrungen aus Herkunftsländern prägen die Wahrnehmung staatlicher Kontrolle, hauptsächlich, wenn Daten zentral gesammelt oder weitergegeben werden könnten.

Fazit: Der Zugang entscheidet über die Teilhabe

Ob die EUDI-Wallet also zum Werkzeug fairer Teilhabe wird, entscheidet sich nicht allein an der Technik – sondern an der Frage, wie inklusiv, transparent und freiwillig sie wirklich bleibt. Es ist nötig, digitale Barrieren abzubauen und gleichzeitig die Rechte der Nutzer:innen konsequent zu schützen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die digitale Transformation allen Menschen in Deutschland zugutekommt – unabhängig von Herkunft, Aufenthaltsstatus oder digitaler Kompetenz. (etb) Panorama

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