
Thüringen-Monitor
Deutliche Mehrheit glaubt an gefährliche Überfremdung
Viele Menschen in Thüringen haben Vorstellung einer gefährlichen Überfremdung, fast jeder Dritte ist für ein Zuwanderungsverbot für Muslime. Das geht aus dem aktuellen Thüringen-Monitor hervor. Und die Zufriedenheit mit der Demokratie könnte auch besser sein.
Dienstag, 06.05.2025, 17:07 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 06.05.2025, 17:08 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
63 Prozent der Thüringer teilen die Vorstellung einer gefährlichen Überfremdung Deutschlands. Das geht aus dem am Dienstag in Erfurt von der Friedrich-Schiller-Universität Jena vorgestellten Thüringen-Monitor 2024 hervor. Nur 2018 waren mit 60 Prozent der Befragten fast ebenso viele Menschen im Freistaat darüber besorgt. Die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen ist dem Monitor zufolge in Thüringen im Vergleich zu 2023 konstant geblieben. Etwa jeder fünfte Erwachsene im Freistaat teilt rechtsextremistische Sichtweisen.
Eine Mehrheit von 54 Prozent der Thüringer ist außerdem der Auffassung, Migranten kämen vor allem nach Deutschland, „um den Sozialstaat auszunutzen“. Vergleichbar hohe Zustimmungswerte gibt es laut der Vorlage bei den Aussagen, dass die meisten Flüchtlinge wegen ihrer Kultur nicht integrierbar seien und ihren Lebensstil an den der Deutschen anpassen sollten. Ein Viertel der Thüringer stimmt diesen Aussagen „voll und ganz“ zu.
„Eine feindliche Haltung gegenüber Migranten ist eng verknüpft mit der pauschalen Abwertung von Muslimen. Als größte religiöse Minderheit in Deutschland sind sie immer wieder Ziel rassistischer Hasskriminalität sowie alltäglicher Diskriminierung“, heißt es in dem Thüringen-Monitor weiter. Das zeigt sich auch in den Umfragewerten: Danach unterstützen 29 Prozent der Befragten ein Zuwanderungsverbot für Muslime. Die Hälfte (50 %) der Thüringer meint zudem, dass Muslime die Werte des Grundgesetzes nicht akzeptieren – der Wert liegt geringfügig über dem langjährigen Mittel von 47 Prozent.
Anstieg antisemitischer Einstellungen
Eine Zunahme sehen die Forschenden auch bei antisemitischen Einstellungen in Thüringen. Während der völkische Antisemitismus auf einem sehr niedrigen Niveau bleibe, zeige der Thüringen-Monitor einen deutlichen Anstieg von 39 auf 48 Prozentpunkte bei der Zustimmung zu Verharmlosungen der Verbrechen des Nationalsozialismus.
Wie aus der Umfrage weiter hervorgeht, sind nur etwa vier von zehn Menschen in Thüringen mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland zufrieden. Laut den Studien-Autoren ist das ein neuer Tiefstwert in der erstmals im Jahr 2000 erhobenen Befragung. Immerhin hielten neun von zehn Menschen in Thüringen die Demokratie weiterhin für die beste aller Staatsformen.
Unzufrieden mit Demokratie steigt
Im Vergleich zu den Vorjahren führt die Unzufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie laut Befragung aber nicht zu einer zunehmenden Verklärung von Diktaturen. Dennoch stimmten immerhin 14 Prozent der Befragten der Aussage zu, wonach der Nationalsozialismus seine guten Seiten gehabt habe. 41 Prozent der Befragten meinten, die DDR habe mehr gute als schlechte Seiten gehabt.
Die wissenschaftliche Leiterin des Thüringen-Monitors, Marion Reiser, erklärt sich die Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit unter anderem aus dem Eindruck, dass die Politik nicht ausreichend die Interessen der Bevölkerung vertritt. Die Menschen sorgten sich, durch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen auf die Verliererseite des Lebens zu geraten. Es gehe bei den meisten Thüringerinnen und Thüringern also nicht um eine Ablehnung der Demokratie, sondern um enttäuschte Erwartungen. Das sei ein ernstes, aber auch ein bearbeitbares Signal an Politik und Institutionen.
Voigt: Nehme Befund sehr ernst
Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) erklärte, der Thüringen-Monitor zeige, dass die Menschen zu Recht erwarteten, dass die Demokratie auch im Alltag funktioniere. Er nehme diesen Befund sehr ernst. Vertrauen lasse sich nicht verordnen. Es wachse dort, wo Politik Haltung zeige und Wirkung entfalte. Die Ergebnisse des aktuellen Thüringen-Monitors werden wie in jedem Jahr Gegenstand einer Regierungserklärung in der nächsten Sitzung des Landtags sein.
Für die aktuelle Ausgabe des Thüringen-Monitors wurden zwischen Anfang September und Anfang Oktober vergangenen Jahres 1.817 Bürgerinnen und Bürger ab 18 Jahren befragt. Die Umfrage erfolgte online oder per Telefon. Der Thüringen-Monitor ist eine seit 2000 jährlich erhobene repräsentative Befragung zur politischen Kultur im Freistaat Thüringen. Ein besonderer Fokus liegt dabei jedes Jahr auf der Erforschung rechtsextremer Einstellungen und der Demokratiezufriedenheit. (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- „Erschütternder Ignoranz“ Deutschlands Schweigen zum Mord in französischer Moschee
- Asylrecht unter Druck Jeder Zweite will Geflüchtete nur noch gezielt auswählen
- Flucht per Hubschrauber Vor 50 Jahren endete der Vietnamkrieg
- Kabinett mit Fluchterfahrung Alabali-Radovan wird Entwicklungsministerin
- Kanzlerwahl Merz‘ Stolpern tut gut
- Bundesamt Anhörung syrischer Asylbewerber wieder aufgenommen…